Mit etwas Verspätung kam ich am frühen Nachmittag in unserem Personalraum an. Samantha saß bereits mit einer Tasse Kaffee an einem der Tische. Als sie mich sah, stellte sie diese ab. »Wo warst du denn heute so lange?«, fragte sie. Normalerweise waren wir fast zeitgleich fertig. Leider war mein heutiger Arbeitstag nicht »normal«. Da war Pünktlichkeit nicht drin.
Gerade als ich ihr antworten wollte, wurde die Tür aufgerissen. Jenny, unsere Chefin, stand vor uns und sah mich an. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, kam sie entweder mit guten oder schlechten Nachrichten. Ich hoffte natürlich sehr auf gute.
»Sophia, sag mir bitte, dass du heute Abend nichts vorhast.« Ähm…
»Nein, hab ich auch nicht. Wieso?« Erleichtert atmete sie aus. Ihr schien ein großer Stein vom Herzen zu fallen. Wäre nett, wenn sie mich auch mal aufklären würde.
»Herr Groll hatte mich eben zu sich ins Büro gerufen. Einer unserer Gäste hatte eine Bestellung bei ihm persönlich aufgegeben. Neben der Liste des Essens war der Wunsch, dass du ihm dieses servierst.«
Ich? Warum gerade ich? Das fiel nicht einmal in meinen Aufgabenbereich. Doch dann dämmerte mir, wer diese Forderung geäußert haben könnte. Was wollte er damit erreichen?
Sollte ich mich noch mehr blamieren, wenn ich mit einem Tablett in der Hand vor ihm auf die Nase flog? Würde mir bestimmt passieren.
»Aber ich bin doch nur zum Putzen da«, erwiderte ich. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, mal etwas anderes zu tun. Trotzdem verstand ich nicht, wieso Herr Groll diesem Wunsch nachgehen sollte. Es musste sich wirklich um einen wichtigen Gast handeln. Daher konnte es nur Adrian sein, der diesen Wunsch geäußert hatte.
»Ich weiß, Sophia. Herr Groll meinte jedoch, dass es sich um einen sehr wichtigen Gast handelte. Zumal er angeboten hatte, das Doppelte zu bezahlen, nur damit du diejenige bist, die ihm das Essen serviert.«
Also war es wirklich Adrian. Wieso verlangte er ausgerechnet nach mir?
Natürlich ehrte es mich, dass ich ihm scheinbar so viel Geld wert war, auch wenn ich nicht ganz verstand, was seine Absichten dahinter waren. Den Gedankengängen eines Mannes musste ich aber auch nicht folgen können, oder? Ich bemerkte Samanthas fragenden Blick von der Seite und deutete ihr, dass ich ihr später alles erzählen würde.
»Wäre es nun in Ordnung für dich, das zu übernehmen?«, lenkte Jenny meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
»Ja, klar. Warum nicht?« Ich hatte immerhin wirklich keinen Grund, das nicht zu tun. Zudem war ich neugierig, was Adrian beabsichtigte.
»Sehr gut. Das Essen ist für neunzehn Uhr bestellt. Es handelt sich um nichts Besonderes. Lediglich ein paar Leckereien und eine Flasche Champagner«, klärte sie mich auf, ehe sie mich eindringlich ansah. »Du weißt doch, wie man einen Korken öffnet, oder?«
»Klar«, versicherte ich ihr.
»Sehr gut. Sollte der Gast danach keine weiteren Wünsche mehr haben, kannst du natürlich sofort Feierabend machen. Vergiss aber nicht, die Zeit genau in deinem Arbeitsplan einzutragen.«
Als ob ich das vergessen würde. »Mache ich. Ich werde dich nicht enttäuschen, Jenny.«
»Das hatte ich auch nicht erwartet«, zwinkerte meine Chefin mir zu und verließ mit einer kurzen Verabschiedung den Raum.
Sam nutzte die Zweisamkeit sofort, um sich auf mich zu stürzen. »Da lässt man dich mal ein paar Stunden alleine und dann ist so etwas. Was bitte ist passiert?«
Nachdem ich meiner Freundin jegliches Detail meines Vormittages berichtet hatte, schob sie mich quasi aus der Arbeit. Ihrer Meinung nach musste ich dringend etwas gegen meine Augenringe unternehmen. Das einzige Heilmittel, was mir dagegen einfiel, war Schlaf. Oder Tonnen an Make-up. Ob ich das dann ohne einen Hammer jemals wieder von meinem Gesicht bekommen würde, war jedoch etwas anderes.
Ich entschied mich also für die erste Option und schälte mich aus meinen Klamotten, sobald ich die Wohnung betrat.
Jede meiner Muskeln schrie nach Entspannung und der Bequemlichkeit meines Bettes. Wieso also diesen Wunsch ignorieren?
Meinen Handywecker stellte ich so ein, dass mir noch genug Zeit blieb, um mich nach meinem Schläfchen frisch zu machen. Immerhin wollte ich Adrian nicht als wandelnder Zombie entgegentreten. Was natürlich nur daran lag, dass ich meine Chefin nicht blamieren wollte. Mir persönlich wäre es egal, was er von mir halten würde. Ja, das war wirklich so.
Ich musste es mir nur lange genug einreden.
Kapitel 2
Pünktlich betrat ich das Hotelgebäude und begrüßte meinen Kollegen an der Rezeption mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
»Was machst du denn um diese Uhrzeit hier?«, entgegnete er verwundert. Ja, dir auch einen guten Abend. »Arbeiten. Wonach sieht es denn aus, Mark?«, neckte ich ihn und deutete auf meine Kleidung. Ohne seine Antwort abzuwarten, ging ich an ihm vorbei in den Personalraum, wo ich meine Handtasche und die Weste, die ich trug, ablegte.
Da es bereits kurz vor neunzehn Uhr war, versuchte ich mein Glück in der Küche. Vielleicht war das Essen für Adrian bereits fertig. Somit könnte ich mit Überpünktlichkeit punkten.
Zu meinem Glück war es auch tatsächlich so. Der kleine Speisewagen stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Na ja, jetzt wurde er abgeholt.
Leider konnte ich bis auf die Flasche Champagner nicht erkennen, was der Sänger sich bestellt hatte, da alles mit einer Wärmeglocke abgedeckt war. Es würde mich zu sehr interessieren, was ein junger Star wie er aß. Stand er auf Luxusspeisen wie Kaviar oder eher Burger mit Pommes?
Als ich die zwei Champagnergläser bemerkte, kam ich kurz ins Stutzen. Würde er wieder eine nackte Frau auf sich sitzen haben, wenn ich kam?
Ich hoffte, dieses Mal würde ich von solch einem Erlebnis verschont bleiben, zumal er von meiner Ankunft wusste. Vielleicht war ihm dies aber auch egal. Wie viele Männer standen darauf, von jemandem beim Sex beobachtet zu werden?
Die Sekunden, die ich mit dem Speisewagen im Aufzug verbrachte, kamen mir vor wie Stunden, oder nein, eher wie Jahre.
Ich spürte, wie die Nervosität in mir anstieg und als mir die Bilder von heute Vormittag in den Kopf schossen, meldete sich auch mein Herz zu Wort, als es anfing, wie wild zu pochen.
Dieses Mal würde ich sicherlich nicht den Fehler machen und den Raum ohne ein lautes Ankündigen meiner selbst betreten. Auch wenn ich zu früh dran war, klopfte ich an der Tür des Sängers. Im Notfall einer Beschwerde konnte ich mich noch immer darauf hinausreden, dass ich einfach überpünktlich war. Nach einigen Sekunden des Wartens wurde plötzlich die Tür aufgerissen und der Blondschopf stand mit einem breiten Grinsen und mit weitaus mehr Klamotten am Körper, als heute Vormittag, vor mir.
»Sieh an. Ich hätte nicht gedacht, dass du dieses Mal klopfen würdest. Immerhin gibt es nichts mehr an mir, was du nicht schon gesehen hättest.« Der verschmitzte Blick, mit dem er mich ansah, ging mir durch Mark und Bein. Ich errötete, nachdem mir klar wurde, wie auffällig ich wohl auf seine Männlichkeit gestarrt haben musste.
»Ich bringe Ihnen Ihr Essen, Herr Bosko«, ignorierte ich seine Anspielung und versuchte meine Professionalität zu bewahren. Ich machte den Job immerhin nicht erst seit heute, auch wenn ich zuvor noch nie in solch einer Situation wie heute gelandet war.
»Adrian, bitte. Ich dachte, wir wären beim ›du‹.« Wieder lächelte er und ich fragte mich, wie er das machte. War er immer so gut gelaunt oder amüsierte ich ihn einfach? Er trat einen Schritt zur Seite, sodass ich seine Suite samt dem Wagen betreten konnte.
Langsam fuhr ich damit bis in den Wohn- und Schlafbereich und parkte neben dem großen Tisch, an dem sich vier Stühle befanden. Unauffällig sah ich mich im Raum um. Der Sänger schien ordentlicher zu sein, als ich dachte, mit Ausnahme von ein paar seiner Klamotten, die verstreut am Boden lagen. Allerdings konnte ich nirgends die Brünette, geschweige denn Sachen von ihr, entdecken.