Regina Mars

Heiße Keramik


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      Nackt und … Laster. Schlechte Kombination. Robin ächzte leise und erhob sich. Sofort kam ein drittes Gefühl dazu: Ihm war kotzübel. Er schaffte es gerade noch, sich zur Seite zu drehen, bevor er in die Disteln reiherte. Säure schoss aus seinem Mund und verätzte seine Lippen.

      »Oh Gooott …« , stöhnte er.

      »Auch wach, Goldjunge?« Ein knackiger Hintern lehnte an der Leitplanke. Leider befand sich ungefähr einen Meter über dem Hintern ein Kopf. Ein Kopf, dessen Wangen ein bläulicher Bartschatten zierte, obwohl sie gestern noch spiegelglatt geglänzt hatten. Der blöde Primat sah ihn müde an.

      Leitplanke. Leitplanke war auch nicht gut.

      Robin würgte ein letztes Mal, dann erhob er sich. Es roch scheußlich und nicht nur, weil sein Mageninhalt ihm durch die Nase gelaufen war. Benzin lag in der Luft. Viel zu nah. Er konnte kaum atmen.

      Wusch

      Wusch

      Wusch

      Autos schnellten vorbei, so rasant, dass er sie nur als farbige Schemen wahrnahm. Autos und Laster. Auf beiden Seiten.

      »Wie sind wir auf dem Mittelstreifen einer verdammten Autobahn gelandet?«, brüllte er gegen den Lärm an. »War das deine Idee?«

      »Keine Ahnung!« Zu Bekräftigung hob der Keramiker die Hände. Ja, er war nackt. Splitternackt. Genau wie Robin. »Ich kann mich an nichts erinnern!«

      Oh, verdammt. Warum waren sie nackt? Was war geschehen? Hatten sie … War dieser Primat über ihn hergefallen? Oder Robin über ihn?

      Das wäre zu schön, dachte Robin. Mist, warum habe ich alles vergessen?

      »Wir waren in der Wachtelwirtin!«, rief er. »Und dann … dann hast du gesagt, wir sollten baden gehen!«

      »Stimmt, im Lummersee!« Besorgnis huschte über Gordans Gesicht. Das stand ihm. Überhaupt war er ziemlich schön anzusehen. Ein Körper wie eine Herakles-Statue. Und diese hellen Augen unter der dunklen Matte seines Schopfes … Nett. »Das war eine Scheißidee! Im See ersaufen dauernd Leute! Vor ein paar Jahren hat’s einen Kumpel von einem Kumpel erwischt! Sorry, Kleiner!«

      »Wenn es dir wirklich leidtut, dann hör auf, mich Kleiner zu nennen!«

      »Okay, Robin.« Träges Grinsen. Weiße Zähne blitzten in der Morgensonne. Doch, sehr attraktiv. Selbst die getrocknete Kotze in den Brusthaaren trübte den Eindruck nicht. Robin stellte sich neben Gordan an die Leitplanke und sah dem morgendlichen Tummeln der Laster zu. Ihm war immer noch schlecht.

      »Wie kommen wir hier runter?«, rief er. »Der Verkehr ist zu dicht!«

      »Jou.« Gordan seufzte wohl, aber ein Laster schluckte das Geräusch. »Müssen auf Rettung warten.«

      »Rettung?«

      »Na, es hat uns bestimmt schon wer erspäht. Zwei Prachtkerle wie uns übersieht man nicht und schon gar nicht, wenn sie nackt sind. Die Polizei wird gleich da sein!«

      »Die Polizei?!« Robins Stimme kippte. »Aber …«

      Nein. Betrübt setzte er sich und wurde sofort von einer Distel gepikst. Nicht schon wieder. Vater würde ihn … Er sah auf die verstaubte Leitplanke vor sich. Selbst der gutaussehende, nackte Kerl, der an ihr lehnte, hob seine Stimmung nicht. Na gut, ein wenig.

      »Schon wieder«, murmelte er. »Vater bringt mich um.«

      Roman würde sich totlachen. Und seine anderen Geschwister würden betreten schweigen, wenn … wenn Vater ihm eine Standpauke halten würde, weil er der Familie schon wieder Schande bereitet hatte.

      »Glaubst du, das kommt in den Nachrichten?«, fragte er, so leise, dass Gordan »Hä?« schrie. Er schüttelte den Kopf. Was für ein Scheiß. Fahrtwind wirbelte durch das Unkraut des Mittelstreifens und schoss durch seine Frisur. Wie die wohl aussah? Furchtbar, vermutlich. Nun, der Keramiker sah … Nein, der sah gut aus, obwohl ihm Disteln in den Haaren hingen. Er schaute auf Robin herunter.

      »Musst du nochmal kotzen?«, rief er. Wirkte fast besorgt.

      Robin schüttelte den Kopf, obwohl er nicht sicher war.

      »Können wir abhauen?«, brüllte er. »Irgendwie? Wenn meine Familie mitkriegt, dass ich …«

      Da hörte er es. Sirenengeheul. Das Wusch Wusch Wusch verstummte. Die Sirene kam näher.

      »Nein.« Er vergrub das Gesicht in den Händen. Sein Kopf dröhnte und der schrille Schmerz hinter den Schläfen konnte ihn nicht davon ablenken, was für ein Versager er war.

      ***

      Später, nachdem die Polizisten Gordan und ihn von dem begrünten Mittelstreifen herunter bugsiert hatten, nachdem sie sie an den See gefahren hatten, an dem sie ihre Kleider fanden und an den Robin sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, rief er seinen Vater an. Sein Handy war noch in seiner Hosentasche. Immerhin gab es keine Taschendiebe in Lummerdingen.

      »Musste das sein?«, war alles, was sein Vater sagte.

      »Es tut mir leid.« Robin warf einen verstohlenen Blick auf Gordan, der in seine Hose stieg. Er wirkte elender, als Robin auf den ersten Blick angenommen hatte. Bleich, mit lila schimmernden Augenringen. Aber immer noch attraktiv … Nein! Er sollte sich verdammt nochmal konzentrieren! »Vater, es tut mir wirklich leid. Ich … Was soll ich tun?«

      »Nichts.« Gernot Wilhelm von Romberg-Krieger klang müde. »Bleib erst mal in … Wo bist du?«

      »Lummerdingen.« Robin schluckte. »Aber ich bin morgen pünktlich auf der Arbeit, wenn du …«

      »Bleib erst mal da. Roman kümmert sich um die Polizei. Ich melde mich, wenn es Neuigkeiten gibt.«

      »Aber …«

      »Robin. Wir brauchen dich hier nicht.«

      Nein, natürlich nicht. Er hatte keine speziellen Fähigkeiten. Nichts, was nicht jeder andere in der Firma hätte tun können.

      »Vater? Bin ich gefeuert?«

      Schweigen. »Was denkst du? Natürlich bist du gefeuert!« Wow. Einen Moment lang war sein Vater richtig laut geworden.

      »Oh. Aber ich kann doch …«

      »Nichts kannst du. Gar nichts.« Und dann war da nur noch ein Tuten.

      Schale Enttäuschung schwappte in Robins Magen. Natürlich war er gefeuert. Natürlich. Jetzt würde Vater sich wieder darum kümmern müssen, dass nichts zur Presse durchdrang … Was nicht einfach werden würde, wenn auch nur einer der Vorbeifahrenden sie mit dem Handy gefilmt hatte. Hoffentlich war es zu schnell gegangen, als dass jemand sein Handy hätte zücken können. Hoffentlich.

      Wie die Schlagzeile wohl lauten würde?

       Adelsspross enttäuscht erneut Familie! Heißes Techtelmechtel auf dem Autobahnstreifen! Wer ist der geheimnisvolle Affenmensch, mit dem er erwischt wurde?

      Wobei, so behaart war der Kerl nicht. Nur an den richtigen Stellen. Und es stand ihm.

      Trübselig zog Robin seine klammen Sachen an. Sie hatten die halbe Nacht am Seeufer gelegen und rochen nach Moder und Tau.

      Schweigend wurden sie zurück kutschiert. Also, Robin und Gordan schwiegen. Die Polizistin und ihr Partner machten ihnen abwechselnd Vorhaltungen. Sie hatten ja recht. Es war lebensgefährlich, nachts besoffen im See zu baden. Es war selbstmörderisch, nackt über die Autobahn zu taumeln. Wie waren sie da hingekommen? Robin erinnerte sich düster, dass … Nein, da waren nur winzige Ausschnitte. Der Weg zum See. Nasse Muskeln im Mondlicht. Helle Augen, die näherkamen …

      War da doch etwas gelaufen? Er durchwühlte sein Hirn, konnte sich aber auf nichts konzentrieren. Und Gordan konnte er nicht fragen, vor den beiden Polizisten. Die Gordan übrigens kannten.

      »Als du jung warst, hab ich noch ein Auge zugedrückt. Aber jetzt?« Die Frau sah ihn strafend an. Robin beachtete sie