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Religionsunterricht


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zurück – wie überhaupt der moralische Universalismus, der allen Menschen gleiche Rechte nicht bloß zuspricht, sondern sie immer schon als Subjekte dieser Rechte versteht. Ein guter Religionsunterricht sollte auch auf diese Transformationen der Vernunft im Lichte des Glaubens aufmerksam machen, darauf, dass Wahrheit trotz aller Tendenzen zum Post-Faktischen in Politik und Gesellschaft nicht einfach eine pragmatisch geregelte Konvention ist, dass die Weltlichkeit der Welt auch von einer bestimmten Vorstellung – oder religiös: Offenbarung – Gottes abhängt und dass der Andere uns in Verantwortung ruft – auch wenn er nichts mehr kann oder erbringt.

      Diese Überlegungen zeigen, was sich bereits angedeutet hat, dass sich nämlich im christlichen Religionsunterricht nicht allein die Gottesfrage, sondern auch die Frage nach dem Menschen stellt. Nach christlichem Verständnis kann man von Gott sogar überhaupt nicht sprechen, ohne zugleich auch vom Menschen zu sprechen – wie man umgekehrt nicht vom Menschen sprechen kann, ohne auch von Gott zu sprechen. Anthropologie und Theologie sind engstens aufeinander bezogen. Mit Gott und dem Glauben an ihn zeigt sich insbesondere der Mensch in anderem, einst wie heute revolutionärem Licht: als Wesen, in dem eine Differenz aufbricht, die uns von einer besonderen Würde sprechen lässt. Der Mensch ist nicht nur etwas, das zu einer bestimmten Gattung gehört, sondern in allen seinen Lebensphasen und auch in all seinen verschiedenen konkreten Exemplaren als Ebenbild Gottes ein „Jemand“, also eine einzigartige Person.

      Unsere Kultur ist maßgeblich von dieser Überzeugung getragen. Doch wird sie durch verschiedene Tendenzen immer stärker hinterfragt. Während manche Denker angesichts der Erfolge der Technik vom bevorstehenden Ende des Menschen als eines freien und verantwortlichen Subjektes sprechen, sehen andere Vordenker die Möglichkeiten der Technik als eine Chance, über den Menschen hinauszugehen. Beide Optionen – die anti-humanistische und die post-humanistische – würden dazu führen, dass auch die Menschenwürde und damit die humanistische Tradition ihre Bedeutung verlieren würden. Gegen diese Aushöhlung des Humanismus, so scheint es, ist ein breites Bündnis all derjenigen, denen es um den Menschen geht, vonnöten. Das Christentum kann in diesem wichtigen Bündnis eine wichtige Stimme erheben – und so auch ein christlicher Religionsunterricht, der sich seiner Aufgaben und seines Potenzials bewusst bleibt. Sollte dies nicht (mehr) der Fall sein, sollte also der Religionsunterricht seine subversive Natur verlieren und die Spannung zwischen Unterricht und Bekenntnis, zwischen Welt und Kirche verschwinden, weil sie in die eine oder andere Richtung aufgehoben wird, wäre es besser, auf ihn zu verzichten. Dann wäre es wohl angemessener, einen guten Philosophieunterricht einzuführen. Wobei sich ohnehin die Fragen stellen, warum es keinen flächendeckenden und verpflichtenden Philosophieunterricht im deutschsprachigen Raum gibt und warum man kirchlicherseits oft eine Konkurrenz zwischen dem Fach Philosophie und dem Fach Religion anzusetzen scheint. Würden beide Fächer einander nicht befruchten? Bedürfte der konfessionelle Religionsunterricht nicht eines grundlegenden Philosophieunterrichtes? Ließe sich auf einer solchen philosophischen Grundlage nicht das Fach Religion – auch in interkonfessioneller und interreligiöser Perspektive – noch einmal ganz neu denken? Wäre das nicht eine Aufgabe für die Zukunft? Aber das sind andere Fragen …

      Der Autor: Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski, Studium der Philosophie, Theologie und klassischen Philologie in Freiburg i. Br., Basel und Cambridge; Promotionen in Oxford 2002 (D. Phil.) und Siegen 2010 (Dr. phil.); nach Professuren in Washington, D.C., und Vallendar ist er seit 2020 Professor für Philosophie an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Erfurt. Wichtige Buchveröffentlichungen u. a.: Eine Frage von Irre und Schuld? Martin Heidegger und der Nationalsozialismus (2010); Menschlich sein. Philosophische Essays (2016); Tragik und Transzendenz. Spuren in der Gegenwartsliteratur (2017). 2017 erhielt er die Aquinas Medal der University of Dallas, USA.

      Weiterführend Literatur:

      Zum befreienden und radikal herausfordernden Charakter des christlichen Glaubens an Gott vgl. aus je unterschiedlicher Perspektive:

      – Eckhard Nordhofen, Corpora. Die anarchische Kraft des Monotheismus, Freiburg 2020.

      – Robert Spaemann, Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und die Täuschung der Moderne, Stuttgart 2007.

      – Johann Baptist Metz, Jenseits bürgerlicher Religion. Reden über die Zukunft des Christentums, München–Mainz 1980.

      1 Für eine äußerst instruktive Darstellung des Religionsunterrichts und seiner Möglichkeiten vgl. Gerd Neuhaus, Glückskekse vom lieben Gott? Religionsunterricht zwischen Lebensweltorientierung und Glaubensverantwortung, Regensburg 2019.

      2 Vgl. hierzu u. a. A. Katharina Weilert / Philipp W. Hildmann (Hg.), Religion in der Schule. Zwischen individuellem Freiheitsrecht und staatlicher Neutralitätsverpflichtung, Tübingen 2018; Christoph A. Stumpf / Holger Zaborowski, Wertevermittlung im Verfassungsleben des weltanschaulich neutralen Staates, in: Thüringer Verwaltungsblätter 10 (1999), 197–202 (Teil 1) und 225–229 (Teil 2).

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