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Religionsunterricht


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Fach besser angesiedelt, in dem Schülerinnen und Schüler verschiedener Religionen und Weltanschauungen sich begegnen, einander kennen und wertschätzen lernen und dabei auch Sprachfähigkeit in religiös-weltanschaulichen Fragen erwerben? Diese beiden Fragen sind ist nicht von der Hand zu weisen – nicht zuletzt, weil religiöses Verstehen und interreligiöser Dialog in einer religiös pluralen und zumindest auf wechselseitige Toleranz, wenn nicht sogar Anerkennung angewiesenen Gesellschaft notwendig wie selten zuvor sind.

      An die Seite dieser Anfragen von außen treten andere, eher von innen kommende Anfragen. So wird auch in manchen kirchlichen Kreisen die staatliche Aufsicht über den Religionsunterricht bemängelt und einem Katechismusunterricht, der rein in kirchlichen Händen ist, der Vorzug gegeben. Man sollte diese Alternative übrigens nicht so leicht von der Hand weisen, wie es gelegentlich geschieht. Es gibt nämlich für einen solchen in den Gemeinden verankerten Unterricht durchaus didaktisch und inhaltlich beeindruckende Modelle, die vielfach den real existierenden Religionsunterricht in den Schatten stellen. Denn man darf nicht vergessen, dass die faktische Situation des Religionsunterrichts ebenfalls zu Anfragen an dieses Unterrichtsfach führt. Die Reputation des Religionsunterrichtes ist oft nicht sehr gut – und zwar sowohl unter Schülerinnen und Schülern, in den Kollegien wie auch in der Öffentlichkeit. Gewiss, vielfach mag dieser schlechte Ruf auf ungerechtfertigte Vorurteile zurückgehen oder auf einen Vorbehalt gegenüber Religion im Allgemeinen und den Einfluss der Kirche im schulischen und gesellschaftlichen Bereich im Besonderen. Es gibt ausgezeichnete Religionslehrerinnen und -lehrer, die einen anspruchsvollen Unterricht durchführen. Aber es gibt eben auch häufig schlechten Religionsunterricht, in dem zum Beispiel die ihm innewohnende Spannung zwischen Welt und Kirche in die eine oder andere Richtung aufgelöst wird – also der Unterricht zu „(lebens-)weltlich“ und un- oder sogar antikirchlich oder zu „fromm“ und kognitiv anspruchslos ist. Es finden sich zudem nicht selten wenig motivierte Religionslehrerinnen und -lehrer, die nicht aus einer inneren Motivation heraus, sondern eher aus Verlegenheit, weil das universitäre Studium für das Lehramt Religion mittlerweile als einfach gilt oder weil die Einstellungschancen nach dem Studium besonders gut sind, das Fach Religion gewählt haben. Das ist ein wohl bekanntes Geheimnis an theologischen Instituten und Fakultäten.

      Die Frage, welche Zukunft der konfessionelle Religionsunterricht angesichts dieser komplexen Situation hat, ist keine rhetorische Frage. Vielleicht muss man viel radikaler über Alternativen nachdenken, um nicht den Irrtümern des Traditionsargumentes – gut scheint zu sein, was man immer so gemacht hat, weil man es immer so gemacht hat – zu erliegen. Könnte es nicht wirklich so sein, dass der schulische konfessionelle Religionsunterricht einer vergangenen Epoche angehört? Dass es geschichtslos wäre, am Modell eines Religionsunterrichts festzuhalten, das religiöse Gemeinsamkeiten in der Schülerschaft voraussetzt, die es kaum noch gibt, statt über andere Bildungsangebote nachzudenken? Zeigt die gegenwärtige Diskussion über den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht nicht auch eine grundsätzliche Verlegenheit über Gegenwart und Zukunft des Religionsunterrichts, die man allzu gerne verdrängt?

      3 Differenz, Transzendenz und Freiheit

      Im Folgenden möchte ich jedoch keinen Abgesang auf den konfessionellen Religionsunterricht anstimmen. Dafür ist das Potenzial des konfessionellen Religionsunterrichts zu groß. Ganz im Gegenteil möchte ich ein Plädoyer für den Religionsunterricht entwickeln, das dezidiert nicht-funktionalistisch und sogar anti-funktionalistisch vorgeht, das sich also nicht darauf beschränkt, zur Begründung dieses Faches seine verschiedenen gesellschaftlichen, kirchlichen und individuellen Funktionen anzuführen. Zwar erfüllt ganz ohne Zweifel auch dieser Unterricht bestimmte Funktionen: Wissen, ethische Haltungen und auch das, was man „Kompetenzen“ nennen kann, werden im Religionsunterricht vermittelt; die Kirche kann Schülerinnen und Schüler (und auch Eltern) erreichen, die längst nicht mehr am Gemeindeleben teilnehmen; die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler kann in der Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen entwickelt werden. Wenn aber die Rechtfertigung des Religionsunterrichtes funktionalistisch verkürzt wird, kann dieser Unterricht nicht nur wie alles, das auf seine Funktionen reduziert wird, leicht durch Funktionsäquivalente ersetzt werden. Die Schule steht dann auch in der Gefahr, wie es in öffentlichen Debatten und im schulischen Leben allzu oft geschieht, auf eine rein funktionalistisch verstandene Ausbildungsanstalt reduziert zu werden, die den Zwecken, die von außen an sie herangetragen werden, zu folgen hat. Es gibt zwar viele Fächer, in denen diese Logik in Frage gestellt werden kann. Die Lektüre eines Gedichtes oder die Beschäftigung mit wichtigen Persönlichkeiten in der Geschichte wie etwa Sophie Scholl, deren Entscheidungen und deren Handeln nicht auf ihre Funktionen zurückführbar sind, können die Logik des Funktionalismus durchbrechen. Am kraftvollsten geschieht dies aber im Religionsunterricht – und zwar deshalb, weil er eine res mixta, eine nicht nur einer Perspektive folgende „gemischte Sache“ ist.

      Denn in diesem Fach kann – von „müssen“ zu sprechen, wäre nicht nur übertrieben, sondern anmaßend – etwas in den schulischen Alltag einbrechen, das den funktionalistischen Tendenzen der Gegenwart, unter denen insbesondere Schülerinnen und Schüler besonders leiden, zuwiderläuft: die Botschaft von einem Gott, der, auch wenn der Glaube an ihn sekundär bestimmte Funktionen erfüllt, primär keine Funktionen erfüllt und zu nichts gut ist, weil er selbst schlechthin gut ist und alles, was ist und zu etwas gut sein kann, aus Güte heraus geschaffen hat.

      Wenn im Religionsunterricht dieser Gott zur Sprache kommt, kann die Schule zum Ort einer radikalen Differenzerfahrung werden. Alle anderen Fächer stellen endliche oder – theologisch gesprochen – geschaffene Wirklichkeit in den Vordergrund. Auch diese können zu Differenzerfahrungen führen oder zu Unterbrechungen des Alltags und zur Infragestellung vorherrschender Betrachtungsweisen. Im christlichen Religionsunterricht kann jedoch etwas Radikaleres geschehen, wenn sich in ihm nämlich eine Dimension eröffnet, die allem Endlichen „vorausgeht“ und dieses zugleich übersteigt und erhält. Der Religionsunterricht kann so Transzendenzerfahrungen ermöglichen – zumindest im Denken, d. h. in dem Gedanken, dass, was auch immer ist, aus dem Nichts von einem liebenden und dem Menschen zugewandten Gott geschaffen wurde.

      Gehört es nicht zu einem gebildeten Menschen, dass er sich mit diesem Gedanken auseinandersetzt und dabei seine innere Logik und Konsequenzen bedenkt – nicht zuletzt, weil die Kultur, in der sich dieser Mensch vorfindet, zutiefst von dem Glauben an den biblischen Gott geprägt ist und weil man viele Herausforderungen und Konflikte im religiösen und weltanschaulichen Bereich oder im Spannungsfeld von Religion und Politik nicht verstehen kann, ohne eine Ahnung von der Erschütterung – des Menschen, des Alltags, aller vorgegebenen Horizonte – zu haben, die mit dem Glauben an einen Gott, der alles, was ist, ins Sein gerufen hat, verbunden ist? Diese Auseinandersetzung setzt zunächst kein persönliches Bekenntnis auf Seiten der Schülerinnen und Schüler voraus.

      Ob man persönlich an Gott glaubt oder nicht, so bleibt dieser Gedanke eine gewaltige Provokation. Doch wo ein Bekenntnis erfolgt, wo also dem Gedanken, dass es einen Gott gibt, der als Schöpfer der Welt gegenübersteht, Wahrheit zugesprochen wird, zeigt sich zugleich eine Quelle von Orientierung und Sinn für das eigene Leben.

      Angesichts eines solchen Gottes verliert der Mensch allerdings nicht, wie man zunächst denken könnte, seine Freiheit. Im Gegenteil erfährt der Mensch sich von diesem Gott her als frei. Zum einen, weil Gott den Menschen als ein freies Gegenüber geschaffen und gewollt hat. Gott will keine Geschöpfe, die ihn sklavisch, also unter Zwang verehren, sondern er will mit dem Menschen in einen Dialog treten und mit ihm eine Geschichte, ja, nach biblischem Zeugnis eine Liebesgeschichte anfangen. Zum anderen aber auch deshalb, weil dieser Glaube den Menschen von falschen, ihn versklavenden Idolen und Götzen befreit. Dass gerade an diesen Idolen auch heute, in einer durchrationalisierten und nüchternen Welt kein Mangel ist, ist kein Geheimnis. Denn wo Gott tot ist, glaubt der Mensch zumeist nicht gar nicht; es tritt nämlich anderes, bloß Endliches an die Stelle Gottes und kann den Menschen verstricken und ihm seine Freiheit nehmen – und sei es die Vernunft selbst, die im Rahmen einer „Dialektik der Aufklärung“ (Adorno/Horkheimer) auch zur Unvernunft werden kann. Nun – im Zeitalter des Todes Gottes – verspricht beispielsweise die Wirtschaft Heil und Erlösung – oder die Wissenschaft, die Technik, die Politik, die Macht oder