Regina Mars

Rob


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      »Whisky?«, fragte Rob.

      »Ja, bitte.«

      »Für so einen Körper-Seele-Biolatschen-Fanatiker trinkst du ganz schön viel.« Rob füllte zwei Gläser.

      »Es ist ein Irrglaube, dass Alkohol schadet. Zumindest in gesunden Mengen erweitert er den Geist«, behauptete Zebulon, der eine höchst ungesunde Menge Alkohol intus hatte. Er sah sich um und wirkte irritiert. »Deine Küche ist sauberer als ich dachte.«

      »Warst du noch nie hier?«

      Anscheinend nicht. Interessiert wanderte Zebulons Blick über die schmalen, weißen Schränke, die blitzende Spüle und den schwarzweiß karierten Boden. Einige der Kacheln waren gesprungen, aber Rob schrubbte sie jeden Sonntag, wenn er den samstäglichen Kater verarbeitet hatte. Vor dem einzigen Fenster stand Olli, Robs Orchidee. Gerade blühte sie weiß und hob sich von der finsteren Nacht hinter der Scheibe ab.

      »Du hast sogar Blumen.« Zebulon wirkte ehrlich verwirrt.

      »Hab ich im Müll gefunden«, sagte Rob. Dass er der Blume einen Namen gegeben hatte, würde er Zebulon nicht unter die nervige Nase reiben.

      »Und gesundgepflegt?« Eine dunkelblonde Augenbraue hob sich.

      »Das war einfach.« Rob schnaubte. »Meine Nachbarn haben ihn weggeworfen, weil er nicht mehr geblüht hat. Dabei ist es ganz leicht, ihn wieder dazu zu bringen. Man muss nur warten, bis das Substrat ganz trocken ist und ihn dann mit schwarzem Tee gießen …«

      »Ihn?«

      Mist. »Er heißt Olli.« Rob nippte an seinem Whisky. »Haben deine Pflanzen keine Namen?«

      »Natürlich haben sie Namen. Meine Sukkulente heißt ›Freiheit‹ und der Kaktus ›Weite‹.«

      »Klingt bekloppt.«

      »Für einen Kleingeist wie dich vielleicht.«

      »Pff.« Rob genoss den scharfen Geschmack des Whisky. Das Raucharoma breitete sich auf seiner Zunge aus und er bereute es, vorher Bier getrunken zu haben. So einen Whisky sollte man genießen, vor allem, wenn man ihn sich eigentlich nicht leisten konnte. Seine Lektorin hatte ihm die Flasche geschenkt, als sein erstes Buch sich 5000-mal verkauft hatte. »Eine Sukkulente und ein Kaktus, ja? Fehlt dir der grüne Daumen, Zebulon?«

      »Ich bin selten da.« Zebulon schwenkte die goldgelbe Flüssigkeit in seinem Glas. »Alles andere würde verdorren. Dabei würde ich wirklich gern …« Er brach ab.

      »Was würdest du gern?«

      »Nichts.«

      »Komm schon, Zebi. Ich hab dir Ollis Namen verraten.«

      Zebulon sah ihn nicht an. »Meine Mutter hat mir ein Veilchen geschenkt, aber ich musste es bei ihr lassen. Ich hätte mich nicht darum kümmern können. Und an Haustiere ist gar nicht zu denken.« Er packte das Glas fester. »Aber erzähl mir nicht, dass ich weniger unterwegs sein sollte. Ich liebe es, unterwegs zu sein. Man muss halt die Vor- und Nachteile in Kauf nehmen, die das freie Leben mit sich bringt.«

      »Da bin ich ganz bei dir, Zebulon.« Rob lehnte sich neben ihn gegen den Kühlschrank. Der Zartbittergeruch war zurück. Selbst durch das Raucharoma des Whisky, das sonst alles wegbrannte, roch er es. »Hey, ich fühle mich auch ab und zu einsam. Aber es ist besser so. Das weiß ich. Nur, weil es auch ein paar Nachteile hat … Ich meine, jeder Weg hat Steine. Das heißt nicht, dass er nicht der richtige ist.«

      Stille. Als er sich Zebulon zuwandte, merkte er, dass der ihn anblickte. Sein Mund stand halb offen, und als er ausatmete, roch Rob den Whisky, der ihm selbst auf der Zunge brannte. Zebulons Augen waren grau. Grau wie alte Schieferdächer. Grau wie das Meer vor einem Sturm, hatte irgendein Verehrer unter eins von Zebulons Instagram-Fotos geschrieben. Wer immer das gewesen war. Rob wusste nicht einmal, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war.

      »Was ist, Zebi?« Rob räusperte sich.

      »Das war erstaunlich tiefsinnig.« Zebulon zuckte zusammen. »Für ein oberflächliches Romantikluder, meine ich.«

      »Danke, Zebi.« Nur, um ihn zu ärgern, beugte Rob sich zu ihm vor. »Aber verlieb dich deshalb nicht in mich, ja? Ich gehöre nicht nur einem Mann.«

      »Was laberst du für einen Scheiß?« Zebulon wich keinen Millimeter zurück. Die Schieferaugen wurden größer und größer. »Sind dir deine furchtbaren Schmonzetten zu Kopf gestiegen?«

      »Ist dir was zu Kopf gestiegen?« Rob grinste. »Ich glaube, du wirst rot.«

      Das war nur so dahergesagt gewesen, aber es stimmte. Erstaunlicherweise färbten Zebulons bärtige Wangen sich einen Hauch dunkler. Klar, der hatte auch genug Bier getrunken.

      »Robbel.« Zebulons wütendes Gesicht näherte sich. Whiskyschwangerer Atem schlug in Robs Gesicht. »Hör auf, so einen Bullshit zu labern.«

      »Ja, Schatz.« Rob beugte sich vor. Leider beugte Zebulon sich ebenfalls vor und sie stießen zusammen. Nicht mit den Nasen. Mit den Lippen.

      Erstaunt blickten sie sich an. Rob sah ein Blinzeln. Sah dunkle Wimpern. Und fing an, zu lachen.

      »Zebi! Das war unser erster Kuss!« Er wusste auch nicht, was so komisch war, aber er hielt sich den Bauch und kicherte wie ein verhaltensauffälliger Delfin. Es schüttelte ihn so durch, dass er in die Knie ging. »Unser erster Kuss, Zebi! War das nicht romantisch?«

      »Das war widerlich, du … du …« Zebulon atmete tief ein. »Hör auf zu lachen!«

      »Nö, ist zu lustig.«

      »Fresse, du Luder!«

      »Zwing mich, du Jutesack!«

      Zebulon schmetterte das Whiskyglas auf die Arbeitsplatte und fiel ihn an. Das war das Letzte, womit Rob gerechnet hätte, deshalb ging er zu Boden wie eine gefällte Eiche. Sein eigenes Glas kullerte über die Fliesen. Zebulon landete auf ihm, rutschte ab und knallte mit der Stirn gegen Robs.

      »Autsch«, murrte Rob. »Wenn das die Alternative ist, dann küss mich lieber nochmal.«

      »Ich hab dich nicht geküsst, du Schundschreiberling.« Zebulon rieb sich die Stirn unter den zotteligen Fransen. Er lag immer noch auf Rob. Wie viel hatten sie eigentlich getrunken?

      »Hab ich mir deine romantischen Liebesschwüre dann auch nur eingebildet? Und dein ekstatisches Stöhnen?« Er grinste so breit, dass Zebulons Gesichtsausdruck begann, dem einer frigiden Zitrone zu ähneln.

      »Ekstatisches Stöhnen.« Ein ganz und gar un-ekstatisches Grunzen. »Wenn ich dich richtig küssen würde, dann würdest du stöhnen, das verspreche ich dir.«

      »Ach ja?« Auf einmal war Rob hochinteressiert. Und hochbelustigt.

      »Ja.« Zebulon machte immer noch keine Anstalten, von ihm runterzugehen. Wie ein Liebespaar lagen sie auf dem schwarzweißen Küchenboden, die Beine ineinander verschlungen, Zebulons Ellenbogen links und rechts von Robs Schläfen. Zebulon gab sich sichtlich Mühe, Robs Unterleib nicht mit seinem zu berühren. Fühlte sich ansonsten ganz angenehm an.

      »Wieso? Hast du irgendwann einen Trommel-Tantrakurs gemacht?«

      »Habe ich, du ignoranter Lurch.« Zebulon strich seine Haare zurück, kam ins Wanken und knallte auf Rob. Schwer. Aber immer erfreulicher. Zum ersten Mal fragte Rob sich, ob Zebulons Körper besser aussehen würde, wenn er nackt wäre.

      »Zebi?«

      »Hm?«

      »Lass uns was ausprobieren.« Rob legte beide Hände an Zebulons Wangen. Die kurzen Barthaare kitzelten die Stellen zwischen seinen Fingern. Die grauen Augen weiteten sich. »Noch ist Zeit zu protestieren.«

      »Ich protestiere nicht,« knurrte Zebulon. »Was ist dein Plan?«

      »Ich habe keinen«, sagte Rob und küsste ihn.

      Kein Plan war ein genialer Plan. Oder wenigstens ein verdammt geiler. Zebulons Mund schmeckte nach Zartbitterschokolade