wechseln. Was will der Knecht der Sünde tun? Wen will er angehen? Bei wem will er eine Bitte einlegen? Bei wem will er sich zum Kaufe anbieten? Ferner, der Knecht eines Menschen kommt bisweilen, der harten Befehle seines Herrn müde, durch die Flucht zur Ruhe; wohin soll der Knecht der Sünde fliehen? Er schleppt sich mit sich selbst, wohin er auch flieht. Das böse Gewissen kann nicht vor sich selbst fliehen, es ist kein Ort, wohin es gehen soll, es folgt sich oder vielmehr es wird seiner nicht los; denn die Sünde, die der Mensch tut, ist im Innern. Er hat z. B. eine Sünde getan, um eine körperliche Lust zu haben; die Lust vergeht, die Sünde bleibt; es verging, was Lust brachte, es blieb, was sticht. Schlimme Knechtschaft! Bisweilen fliehen die Leute zur Kirche, und häufig werden sie uns lästig als solche, die keine Zucht haben, indem sie, die da von der Sünde nicht frei sein wollen, von einem Herrn frei sein wollen. Bisweilen fliehen aber auch solche, die unter einem unerlaubten und drückenden Joche seufzen, zur Kirche, weil sie als Freigeborene zur Knechtschaft angehalten werden, und es wird der Bischof um Intervention angegangen; wenn er dann keine Mühe aufwendet, damit der freie Stand nicht unterdrückt werde, gilt er als herzlos. Fliehen wir alle zu Christus, rufen wir gegen die Sünde Gott um Hilfe an, bieten wir uns zum Kaufe an, damit wir durch sein Blut erlöst werden. Es sagt ja der Herr: „Umsonst seid ihr verkauft worden, und ohne Silber werdet ihr losgelöst werden“1148. Ohne Lösepreis, aber ohne den eurigen, weil durch den meinigen. Dies sagt der Herr; er hat ja den Lösepreis gegeben, nicht Silber, sondern sein Blut. Denn wir waren ebensosehr Knechte wie zahlungsunfähig.
5.
Von dieser Knechtschaft befreit also nur der Herr; der sie nicht hatte, befreit davon; kam er ja allein in diesem Fleische ohne Sünde. Denn die Kleinen, die ihr auf den Händen der Mütter tragen seht, können noch nicht gehen und sind doch schon gefesselt; sie haben sich nämlich von Adam her das zugezogen, was von Christus gelöst werden muß. Auch auf sie bezieht sich, wenn sie getauft werden, jene Gnade, welche der Herr verheißt, weil von der Sünde nur der befreien kann, der ohne Sünde kam und zum Opfer für die Sünde wurde. Ihr habt ja gehört, da der Apostel gelesen wurde: „Wir sind“, sagt er, „Gesandte für Christus, indem gleichsam Gott durch uns ermahnt; wir beschwören an Christi Statt1149, d. h. als ob euch Christus beschwören würde. Zu welchem Zwecke? „Versöhnet euch mit Gott.“ Wenn der Apostel ermahnt und beschwört, daß wir uns mit Gott versöhnen, dann waren wir Feinde. Zu Feinden aber hat uns nicht die Natur gemacht, sondern die Sünde. Wodurch wir seine Feinde geworden sind, dadurch sind wir auch Knechte der Sünde geworden. Gott hat keine Freien zu Feinden; sie müssen Knechte sein, und Knechte werden sie bleiben, wenn sie nicht von dem befreit werden, dessen Feinde sie durch Sündigen sein wollten. „Wir beschwören“ also, sagt er, „an Christi Statt, versöhnet euch mit Gott.“ Wie aber sollen wir versöhnt werden, wenn das trennende Hindernis zwischen uns und ihm nicht beseitigt wird? Er sagt ja durch den Propheten: „Er hat das Ohr nicht beschwert, daß es nicht höre, sondern eure Sünden trennen zwischen euch und Gott“1150. Wir werden also nicht versöhnt außer durch Entfernung dessen, was in der Mitte liegt, und durch Setzung dessen, was in die Mitte gehört. Denn es gibt ein trennendes Hindernis dazwischen, aber dagegen gibt es auch einen versöhnenden Mittler; das trennende Hindernis dazwischen ist die Sünde, der versöhnende Mittler ist der Herr Jesus Christus: „Denn* ein* Gott ist, und* ein* Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus“1151. Damit also die trennende Scheidewand d. i. die Sünde entfernt werde, kam jener Mittler und es wurde zum Opfer der Priester selbst. Und weil er zum Opfer geworden ist für die Sünde, indem er sich selbst zum Brandopfer darbrachte am Kreuze seines Leidens, fährt der Apostel weiter und sagt nach den Worten: „Wir beschwören an Christi Statt, versöhnet euch mit Gott“, als würden wir fragen: Wie werden wir mit Gott versöhnt werden können? „Ihn“, sagt er, d. i. Christus selbst, „der die Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir seien Gerechtigkeit Gottes in ihm“1152. „Ihn“ selbst, sagt er, Christus den Gott, „der die Sünde nicht kannte.“ Er kam nämlich im Fleische d. h. in der Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde1153, jedoch nicht im Fleische der Sünde ― er war ohne irgendeine Sünde ―, und darum wurde er ein wahres Opfer für die Sünde, weil er selbst keine Sünde hatte.
6.
Aber vielleicht habe ich nur nach meiner Auffassung gesagt, „Sünde“ bedeute das Opfer für die Sünde. Die es gelesen haben, sollen es anerkennen; die es nicht gelesen haben sollen nicht träge sein; sie sollen, sage ich, nicht träge sein zum Lesen, damit die wahrhaft seien zum Richten. Als nämlich Gott Vorschriften gab betreffs der Darbringung von Sündopfern, in welchen übrigens keine Versöhnung der Sünden war, sondern nur ein Schatten des Zukünftigen, da nennt das Gesetz selbst eben diese Opfer, eben diese Darbringungen, eben diese Schlachtopfer, eben diese Tiere, welche zur Schlachtung für die Sünden herangebracht wurden, in deren Blute jenes Blut vorhergebildet wurde ― Sünden, und zwar so sehr, daß an einigen Stellen so geschrieben steht: es sollen die Priester, wenn sie opfern, ihre Hände auf den Kopf der Sünde legen d. h. auf den Kopf des Opfertieres, das für die Sünde geschlachtet wird. Eine solche „Sünde“ also, d. h. ein Opfer für die Sünde, wurde unser Herr Jesus Christus, „der die Sünde nicht kannte“.
7.
Mit Recht befreit von dieser Knechtschaft der Sünde jener, der in den Psalmen sagt: „Ich bin geworden wie ein Mensch ohne Hilfe, unter den Toten ein Freier“1154. Denn frei ist allein der, welcher keine Sünde hat. Sagt er ja im Evangelium: „Siehe, es kommt der Fürst dieser Welt“, womit er den Teufel meint, der in den Juden, seinen Verfolgern, kommen sollte; „siehe“, sagt er, „er kommt und wird an mir nichts finden“1155. Nicht wie er an denen, die er tötete trotz ihrer Gerechtigkeit, irgendwelche Sünde fand ― an mir wird er nichts finden. Und als würde man zu ihm sagen: Wenn er nichts an Dir finden wird, warum wird er Dich töten? fügte er hinzu und sprach: „Aber damit alle wissen, daß ich den Willen meines Vaters tue, so stehet auf und lasset uns von hinnen gehen“. Nicht, sagt er, unterziehe ich mich dem Tode um* meiner* Sünde willen, sondern indem ich sterbe, vollbringe ich den Willen meines Vaters; ich* tue* dabei mehr, als ich* leide*; denn wenn ich nicht wollte, würde ich auch nicht leiden. An einer andern Stelle sagt er: „Ich habe Macht, mein Leben hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen“1156.
8.
Da also jeder, der Sünde tut, ein Knecht der Sünde ist, so vernehmet, welche Hoffnung, die Freiheit zu erlangen, uns bleibt. „Der Knecht aber“, sagt er, „bleibt nicht auf ewig im Hause“. Das Haus ist die Kirche, der Knecht ist der Sünder. Es treten viele Sünder in die Kirche ein. Er sagte also nicht: „Der Knecht ist nicht im Hause, sondern: „er bleibt nicht auf ewig im Hause“. Wenn also kein Knecht darin sein wird, wer wird dann darin sein? Denn „wenn der gerechte König auf dem Throne sitzt“, wie die Schrift sagt, „wer wird sich rühmen, ein reines Herz zu haben, oder wer wird sich rühmen, frei zu sein von der Sünde?“1157. Sehr erschreckt hat er uns, o meine Brüder, durch das Wort: „Der Knecht bleibt nicht auf ewig im Hause“. Er fügt aber hinzu und sagt: „Der Sohn aber bleibt auf ewig“. Also wird Christus allein in seinem Hause sein? Wird kein Volk mit ihm verbunden sein? Für wen wird er Haupt sein, wenn kein Leib sein wird? Oder ist vielleicht Christus dies alles miteinander, nämlich Haupt und Leib? Denn nicht ohne Grund hat er einerseits geschreckt, anderseits Hoffnung erweckt: er hat geschreckt, damit wir die Sünde nicht liebten; er hat Hoffnung erweckt, damit wir wegen der Lösung von der Sünde nicht zweifelten. „Jeder“, sagt er, „der Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde. Der Knecht aber bleibt nicht auf ewig im Hause.“ Welche Hoffnung haben wir also, die wir nicht ohne Sünde sind? Höre deine Hoffnung: „Der Sohn bleibt auf ewig. Wenn euch also der Sohn befreit, dann werdet ihr wahrhaft frei sein“. Dies ist unsere Hoffnung, Brüder, daß wir von dem Freien befreit werden, und daß er uns, indem er uns befreit, zu Knechten macht; denn wir waren Knechte der Begierlichkeit, befreit werden wir Knechte der Liebe. Dies sagt auch der Apostel: „Ihr aber, Brüder, seid zur Freiheit berufen worden; nur machet nicht die Freiheit zum Anlaß für das Fleisch, sondern dienet einander in Liebe“1158. Es sage also der Christ nicht: Ich bin frei, ich bin zur Freiheit berufen;