Augustinus von Hippo

Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2


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7.

      „Als er dies redete, glaubten viele an ihn“. O daß doch auch, wenn ich rede, viele, die anders dachten, zur Erkenntnis kommen und an ihn glauben möchten. Denn einige in dieser Versammlung sind vielleicht Arianer. Ich wage nicht anzunehmen, es seien auch Sabellianer da, welche den Vater für den nämlichen halten wie den Sohn; diese Häresie ist ja doch schon zu alt und nach und nach verschwunden. Die der Arianer aber scheint noch einigermaßen sich zu regen wie ein verwesender Leichnam oder wenigstens wie ein in den letzten Zügen liegender Mensch. Es müssen auch die übrigen davon befreit werden, wie schon viele davon befreit worden sind. Zwar in dieser Stadt waren keine Arianer, aber nachdem doch viele Fremde hierher gekommen sind, kamen auch von ihnen einige. Siehe, da der Herr dies redete, glaubten viele Juden an ihn; siehe, möchten doch auch, wenn ich rede, die Arianer glauben, nicht an mich, sondern mit mir.

       8.

      „Da sprach der Herr zu den Juden, die an ihn geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet.“ Darum „ihr bleibet“, weil ihr eingeweiht seid und darin zu sein angefangen habt. „Wenn ihr bleibet“, nämlich in dem Glauben, der in euch als Gläubigen seinen Anfang genommen hat, wohin werdet ihr gelangen? Siehe, was für ein Anfang und wohin er führt. Du hast das Fundament geliebt, betrachte den Gipfel und von dieser Niedrigkeit aus suche eine andere Höhe. Der Glaube nämlich ist nicht ohne Niedrigkeit; die Erkenntnis, Unsterblichkeit und Ewigkeit kennt keine Niedrigkeit, sondern Hoheit, Erhebung, keinen Niedergang, ewige Dauer, keine Einnahme durch einen Feind, keine Furcht vor Schwächung. Groß ist, was vom Glauben anfängt, aber es wird nicht geschätzt. Das Fundament pflegt auch bei einem Gebäude von Unerfahrenen gering geachtet zu werden. Man macht eine große Grube, man legt Steine hier und dort ordnungslos hinein; da zeigt sich keine Glätte, keine Schönheit, wie sich auch in der Wurzel des Baumes keine Schönheit zeigt; dennoch hat sich alles, was dich am Baume ergötzt, aus der Wurzel erhoben. Aber du siehst die Wurzel und hast daran kein Ergötzen, du siehst den Baum und bist erstaunt. Du Tor, worüber du erstaunt bist, das hat sich von dem erhoben, woran du kein Ergötzen hast. Als etwas gar Kleines erscheint der Glaube der Gläubigen; du hast keine Wage, um es zu wägen. Höre also, wohin er gelangt, und siehe, wie groß er ist, wie auch der Herr an einer andern Stelle sagt: „Wenn ihr einen Glauben habt wie ein Senfkörnlein“1131. Was ist unscheinlicher, was schärfer, was kleiner, was brennender? Also auch „ihr“, sagt er, „wenn ihr in meinem Worte bleibet“, woran ihr geglaubt, wohin werdet ihr gelangen? „Ihr werdet in Wahrheit meine Jünger sein.“ Und was nützt es uns? „Und ihr werdet die Wahrheit erkennen.“

       9.

      Was verspricht er den Gläubigen, Brüder? „Und ihr werdet die Wahrheit erkennen.“ Wie nun? Hatten sie dieselbe nicht erkannt, als der Herr redete? Wenn sie dieselbe nicht erkannt hatten, wie glaubten sie dann? Nicht weil sie erkannten, glaubten sie, sondern um zu erkennen, glaubten sie. Denn wir glauben, um zu erkennen, wir erkennen nicht, um zu glauben. Denn was wir dereinst erkennen sollen, hat weder ein Auge gesehen, noch ein Ohr gehört, noch ist es in eines Menschen Herz gekommen1132. Denn was ist der Glaube anders als ein Fürwahrhalten dessen, was man nicht sieht1133? Glaube also ist: fürwahrhalten, was man nicht sieht; Wahrheit ist: sehen, was man geglaubt hat, wie er selbst irgendwo sagt. Darum wandelte der Herr zuerst, um den Glauben zu erwecken, auf Erden. Er war Mensch, war niedrig geworden; er wurde von allen gesehen, aber nicht von allen erkannt; er wurde von vielen verworfen, von der Menge getötet, von wenigen bemitleidet, aber dennoch auch von denjenigen, welche ihn bemitleideten, noch nicht als das, was er war, anerkannt. Dies alles ist gleichsam ein Anfang der Umrisse des Glaubens und des zukünftigen Baues. Und im Hinblick darauf sagt der Herr selbst an einer Stelle: „Wer mich liebt, hält meine Gebote, und wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm zeigen“1134. Die ihn hörten, sahen ihn natürlich auch schon; dennoch verhieß er ihnen, wenn sie ihn liebten, seinen Anblick. So auch hier: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen“. Wie nun? Ist, was du gesagt hast, nicht Wahrheit? Es ist Wahrheit, aber sie wird noch geglaubt, noch nicht geschaut. Wenn man in dem bleibt, was man glaubt, kommt man zu dem, was man sehen soll. Darum sagt der hl. Evangelist Johannes selbst in seinem Briefe: „Geliebteste, wir sind Kinder Gottes, aber es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden“. Wir sind schon etwas und werden etwas sein. Was werden wir noch mehr sein als das, was wir bereits sind? Höre: „Noch ist es nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es offenbar sein wird, wir ihm ähnlich sein werden“. Warum? „Weil wir ihn sehen werden, wie er ist“1135. Eine große Verheißung, aber sie ist der Lohn des Glaubens. Du verlangst den Lohn, das Werk gehe vorher. Wenn du glaubst, begehre den Lohn des Glaubens; wenn du aber nicht glaubst, mit welcher Stirne verlangst du den Lohn des Glaubens? Also „wenn ihr in meinem Worte bleibet, werdet ihr wahrhaft meine Jünger sein“, um die Wahrheit selbst zu betrachten, wie sie ist, nicht durch klingende Worte, sondern durch das erstrahlende Licht, wenn er uns sättigen wird, wie es im Psalme heißt: „Gezeichnet ist über uns das Licht Deines Angesichtes, o Herr“1136. Wir sind ein Gepräge Gottes, als Münze sind wir vom Schatze abgeirrt. Durch den Umlauf wurde abgerieben, was uns aufgeprägt war; es kam der, der uns umbilden sollte, weil er selbst uns gebildet hatte; auch er sucht seine Münze, wie der Kaiser die seinige; darum sagt er: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“1137: dem Kaiser die Münzen, Gott euch selber. Dann also wird die Wahrheit in uns ausgeprägt werden.

       10.

      Was soll ich zu eurer Liebe sagen? O wenn das Herz nur einigermaßen nach jener unaussprechlichen Herrlichkeit sich sehnen würde! O wenn wir doch unsere Pilgerschaft mit Seufzen empfinden und die Welt nicht lieben und bei dem, der uns berufen hat, stets in frommer Gesinnung anklopfen würden! Die Sehnsucht ist der Busen des Herzens; wir werden darin umsomehr aufnehmen, je mehr wir die Sehnsucht nach unsern Kräften ausdehnen. Dies sucht an uns zu erreichen die göttliche Schrift, dies die Versammlung des Volkes, dies die Feier der Geheimnisse, dies die heilige Taufe, dies der Lobgesang Gottes, dies auch unsere Rede, daß diese Sehnsucht nicht bloß gesät wird und sproßt, sondern auch bis zu dem Grade an Umfang zunimmt, daß sie imstande sei, in sich zu fassen, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist. Aber liebet mit mir! Der liebt das Geld nicht so sehr, der Gott liebt. Auch ich habe der Schwäche nachgegeben, ich habe nicht gewagt zu sagen: Der liebt das Geld gar nicht, sondern: Der liebt das Geld nicht so sehr, als ob man das Geld lieben dürfte, aber nicht so sehr. O daß wir Gott geziemend lieben möchten, dann werden wir das Geld durchaus nicht lieben. Das Geld wird dir dann ein Hilfsmittel in der Pilgerschaft sein, nicht ein Reizmittel der Begierlichkeit; du magst es benützen zum Lebensunterhalt, aber nicht anwenden zur Befriedigung der Genußsucht. Liebe Gott, wenn er etwas an dir getan hat, was du hörst und lobst. Gebrauche die Welt, laß dich aber von der Welt nicht gefangen nehmen. Da wo du eingetreten bist, machst du nur eine Reise, du bist gekommen, um wieder Abschied zu nehmen, nicht um dazubleiben; eine Reise machst du, eine Herberge ist dieses Leben. Bediene dich des Geldes, wie ein Reisender in der Herberge des Tisches, des Bechers, des Kruges, des Bettes sich bedient, nämlich als ein solcher, der dies wieder verläßt, nicht dort bleibt. Wenn ihr von solcher Gesinnung seid ― erhebet das Herz, die ihr könnet, und höret mich ―, wenn ihr von solcher Gesinnung seid, so werdet ihr zu seinen Verheißungen kommen. Denn es ist nicht viel für euch, da groß die Hand dessen ist, der euch berufen hat. Er hat euch berufen, er möge angerufen werden; laßt uns zu ihm sagen: Du hast uns berufen, wir rufen Dich an; siehe, wir hörten Deine Berufung, höre unsere Anrufung; führe uns dorthin, wohin Du uns zu führen verheißen hast; vollende, was Du angefangen hast; verlaß Deine Gaben nicht, verlaß Deinen Acker nicht, möchten Deine Sprößlinge in die Scheune eintreten. Zahlreich sind die Versuchungen in der Welt, aber größer ist derjenige, der die Welt gemacht hat. Zahlreich sind die Versuchungen, aber keiner ist verlassen, der auf denjenigen seine Hoffnung setzt, in dem keine Ohnmacht ist.

       11.

      Darum habe ich euch diese Mahnungen gegeben, Brüder, weil die Freiheit, von der unser Herr Jesus Christus spricht, nicht dieser Zeit angehört. Sehet, was er beigefügt hat: „Ihr werdet wahrhaft meine Jünger sein und die Wahrheit