Katharina Maehrlein

Wie Agilität gelingt


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target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_6677a4be-6677-5121-8920-8f5ad3291e0a.jpg" alt="image"/> 1982: »Corporate Agility«

      In der Tat wurden schon vor knapp 40 Jahren erste Artikel zum Thema Agilität, so wie wir sie heute verstehen, veröffentlicht, und schon 1982 gaben zwei Autoren, die Kanadier John L. Brown und Neil McK. Agnew in ihrem Buch »Corporate Agility« eine erste Definition zur Beschreibung des Begriffs, die dem bzw. den heutigen sehr ähnlich ist:

      »Corporate agility, the capacity to react quickly to rapidly changing circumstances, requires a focus on clear system output goals and the capability to match human resources to the demands on changing circumstances.« (BROWN & AGNEW)

      Also auf Deutsch in etwa: »Die Agilität von Unternehmen, die Fähigkeit, sofort auf sich schnell ändernde Umstände zu reagieren, setzt voraus, dass klare Ziele für die Systemleistung festgelegt werden und die damit beschäftigten Personen an die Anforderungen und an die sich ändernden Umstände angepasst werden können.«

      In dieser Definition werden schon viele Aspekte genannt, die auch in späteren Agilitätsdefinitionen wesentlich sind: Agilität als schnelle Reaktion auf Veränderungen, Fokus auf klare Ziele und die Einbeziehung des Menschen als wichtige Ressource, die sich ebenfalls an die veränderten Umstände anpassen können muss.

      Auch in der Organisationslehre wird schon seit Jahrzehnten Agilität – im Wesentlichen wie heute auch – als flexible, schlanke, kundenorientierte Organisationsgestaltung bezeichnet.

      image 1992: Der Lehigh-Report

      Und schon ab den frühen 1990er-Jahren sind, ausgelöst durch das Erscheinen des Reports der Lehigh University zur mehrjährigen Forschungstätigkeit des Iacocca Institute (Roger N. Nagel: »21st Century Manufacturing Enterprise Strategy«), zig Veröffentlichungen zu diesem Thema erschienen, mit anhaltender Tendenz. In der Folge der Aktivitäten des renommierten Instituts haben sich agile Methoden weltweit verbreitet. So wird als Geburtsstunde des Begriffes Agilität meist das Jahr 1992 genannt. Die Artikel und die Definition aus den 1980er-Jahren zeigen aber, dass Gedanken zur Agilität schon existierten, bevor der Begriff Agilität geprägt und durch die Aktivitäten des Iacocca Institute weltweit verbreitet wurde.

       Der Lehigh-Report zur Studie des Iacocca Institute der Lehigh University

      Der »21St Century Manufacturing Enterprise Strategy Report« sollte Antworten auf eine Kongressanfrage liefern, wie die Produktion der US-Industrie wieder global wettbewerbsfähig werden könne. Die Schlussfolgerung der Studie, validiert durch Auswertung der Ergebnisse durch Führungskräfte aus fast 200 Unternehmen, Behörden und öffentlichen Organisationen, war, dass Verbesserungen in der Fertigung des Massenproduktionssystems allein nicht genügen würden, die Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen wiederherzustellen.

      Das Buch »Agil im Wettbewerb« (»Agile Competitors«) basiert auf der meist kurz »Lehigh-Report« genannten Ausarbeitung von den gleichen Autoren Steven L. Goldman, Roger N. Nagel und Kenneth Preiss, die dort Agilität und Selbstorganisation als Erfolgsformel für den Umgang mit einem durch Wandel und Instabilität gekennzeichneten Wettbewerbsumfeld darstellen: Das Zeitalter der Massenproduktion und der daraus resultierenden Wettbewerbsstrategien sei vorbei; heute komme es für die Unternehmen darauf an, als agile Wettbewerber die Chancen fragmentierter Märkte zu nutzen und Kunden sowie Lieferanten als Partner in die Wertschöpfungsprozesse einzubeziehen. Agile Wettbewerber gingen in Teilbereichen auch Allianzen mit Wettbewerbern ein, wenn sich das als vorteilhaft für alle Beteiligten erweise.

      Im Vorwort schreibt H. J. Warnecke, der ehemalige Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) und Mitautor der deutschen Ausgabe:

      »Als ich im Jahre 1993 zum ersten Mal mit Kenneth Preiss über ›Agility‹ sprach, war es nicht schwer, eine gemeinsame Vorstellung über die Charakteristika zukünftig erfolgreicher Unternehmen zu entwickeln. Wie so oft, wenn die Zeit reif ist für neue Ideen und Entwicklungen, entstehen sie parallel an verschiedenen Orten, mehr oder weniger unabhängig voneinander. So auch hier: Weltweit ist eine Bewegung in Gang gekommen, welche zu völlig neuen Strukturen in Industrie, Handel und Dienstleistungen führen wird.

      Etwa im Jahre 1990 stellten wir uns in Deutschland die Frage, warum die intensiven, mit viel Herzblut – auch von mir – vorangetriebenen Bemühungen um hochautomatisierte, rechnerintegrierte Produktionssysteme nicht den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg mit sich brachten. Wir ahnten, daß der Glaube an das technisch Machbare uns an eine Grenze geführt hatte. Anfangs waren wir uns nicht sicher, welcher Art diese Grenze sei. Heute können wir sagen, daß wir einen Einflußfaktor unterschätzt hatten: den des turbulenten Marktes. Zwar waren unsere Fabriken flexibel, aber diese Flexibilität durfte sich nur innerhalb des geplanten Spektrums bewegen. An dieses Spektrum hat sich der Markt jedoch nicht gehalten. Er entwickelte sich wechselhafter, sprunghafter, als wir es uns je ausmalen konnten. Nicht zuletzt beeinflußt durch die Globalisierung von Warenverkehr und Produktion sowie, insbesondere, Wissen und Informationsfluß – eine Entwicklung mit epochemachenden Auswirkungen.

      Immer deutlicher wurde für uns, daß es weder möglich noch sinnvoll ist, durch in allen Teildisziplinen kontinuierlich gesteigerte Anstrengungen ein Produktionssystem zu entwerfen, das diesen Einflüssen gerecht wird. Erst mit jahrzehntelanger Verspätung erkannten wir, daß stets die Gültigkeit des Kausalitätsprinzips unterstellt worden war. Dabei hätten wir mit Blick auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaften bereits im Laufe dieses Jahrhunderts sehr zurückhaltend sein müssen.

      Die Folgerungen hieraus haben wir verdichtet zum Konzept des Fraktalen Unternehmens, welches das Prinzip der Selbstorganisation zu einer machtvollen Antwort auf die verschwindende Prognosefähigkeit erhebt.

      JUNI 1996, HANS-JÜRGEN WARNECKE«2

      image 2001: Das agile Manifest

      Als Startpunkt der agilen Bewegung gilt die Unterzeichnung des oben bereits vorgestellten agilen Manifests im Jahr 2001. Ab Anfang der 1990er-Jahre gab es eine Gegenbewegung zur üblichen durch umfangreiche Vorschriften reglementierten und stark auf langfristige Planbarkeit statt auf flexible Anpassung ausgerichteten Vorgehensweise im IT-Sektor: Es entstanden die sogenannten »leichtgewichtigen Prozesse«. »Leichtgewichtigkeit« meint die Reduktion von Vorschriften in Bezug auf Dokumentation und Planung von Projekten. Zu einem bekannten Vertreter der leichtgewichtigen Prozesse gehörte schon zur damaligen Zeit beispielsweise Scrum. Auf dieser Basis entwickelten 17 Softwareentwickler ihre Ideen weiter und verabschiedeten 2001 mit dem agilen Manifest ihre gemeinsame Sicht auf die Werte und Prinzipien hinter ihren Methoden.

       * * *

      Würde man Lean als Ursprung anerkennen und damit dessen erste Vorstufe von 1902 als Startpunkt wählen, dann wäre das Konzept der Agilität im Kern sogar schon vor rund 120 Jahren geboren worden! Und selbst wenn man nicht so weit zurückgehen will und eher auf den Zeitpunkt schaut, der als Startpunkt der agilen Bewegung gilt, nämlich die Unterzeichnung des agilen Manifests, dann ist Agilität auch nicht mehr wirklich jung, sondern knapp 20 Jahre alt.

      Alt oder nicht, ich lerne täglich Menschen kennen, die entweder noch gar keine Idee haben, was »Agilität« ist, oder die dem Hype verwirrt, hilflos bis ablehnend gegenüberstehen. Und gelebt wird Agilität meistens nicht – selbst dann nicht, wenn sie offiziell in der Organisation eingeführt wurde. Oder wie ist das in Ihrem Unternehmen?

       Agilität heute – noch Luft nach oben

      Laut der Hays-Studie »HR Report« von 2018 hatte das Thema »Agile Organisation« für etwas mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen schon zum Befragungszeitpunkt eine