Walter Simon

GABALs großer Methodenkoffer


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kreuz und quer durch den ganzen Betrieb verlaufen.

      

Ergänzende und vertiefende Informationen zur Gruppenarbeit finden Sie im Kapitel D 2 dieses Buches.

      Einfluss informeller Gruppen

      Diese informellen Gruppen sind für die Human-Relations-Schule von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur – wie schon erwähnt – den Arbeitsrhythmus ihrer Mitglieder bestimmen, sondern auch das Sicherheitsgefühl, die sozialen Verhaltensformen sowie die Bewertung der eigenen Arbeit und des Betriebes.

      Kein Störfaktor

      Während die tayloristische Organisationstheorie solche informellen Gruppen als Störfaktor betrachtet, sieht sie die Human-Relations-Schule als wichtig und notwendig für das betriebliche Funktionieren: „Informelle Beziehungen sind nicht zufällig und nebensächlich für den Ablauf des Betriebes, im Gegenteil: Keine Organisation vermag wirksam zu funktionieren, wenn sie nicht ein parallel laufendes, spontanes Netz zwischenmenschlicher Beziehungen enthält.“ (Roethlisberger und Dickson, in: Oetterli 1971, S. 552)

      Für Zufriedenheit sorgen

      Eines der Hauptziele der Human-Relations-Schule bestand nun darin, für die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu sorgen. Sie empfahl, die informellen Gruppenbeziehungen zu beachten. Statt starrer Organisationsstrukturen und formaler Abläufe, fordert die Human-Relations-Schule, die informellen Aspekte des Organisationsgeschehens zu erkennen.

      Informelle Führer

      Ein weiteres, wichtiges Resultat der Human-Relations-Experimente modifizierte auch jene Annahmen des Scientific-Managements, wonach allein Vorarbeiter, Meister oder Abteilungsleiter die Mitarbeiter führen. Bei verschiedenen Untersuchungen wurden so genannte „informelle Führer“ festgestellt, die dadurch, dass sie die Gruppennormen am besten erfüllten, aus der Gruppe herausragten und diese beeinflussten.

      Platz in der sozialen Pyramide

      Solche informellen Führer bilden sich heraus als Folge von informellen Wechselbeziehungen, aus denen soziale Wert- und Einschätzungen hervorgehen. Während der Arbeiter einerseits einen bestimmten räumlichen Platz einnimmt, bekommt er andererseits aufgrund solcher sozialen Bewertungsprozesse seinen sozialen Platz innerhalb der sozialen Statuspyramide zugewiesen, der nicht unbedingt mit dem Status des formell zugewiesenen Platzes übereinstimmen muss.

      Drei Empfehlungen

      Als Folge der Experimente ergingen diese Empfehlungen an das Management:

      1 Die Mitarbeiter und insbesondere jene, die mit Führungsaufgaben betraut sind, sollen lernen, auf andere zu hören und Fragen zu stellen, die einen Überblick über gegebene Situationen ermöglichen, die eigenen Gefühle und die der anderen erkennen sowie die soziale Realität des Betriebes beobachten.

      2 Untere Ränge sollten an den Entscheidungen der oberen beteiligt werden, besonders in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen. Delegierung wird in diesem Zusammenhang auch als Mittel zur Freisetzung des schöpferischen Potenzials der Beschäftigten auf allen Ebenen des Betriebes empfohlen.

      3 Auch das Führungsverhalten muss einer gründlichen Revision unterzogen werden. An die Stelle des bis dahin vorherrschenden autoritären Führungsstils sollte das Konzept „demokratischer Führung“ treten. Man war der Meinung, dass die möglichen Führungsstile anhand der Begriffe „demokratisch“, „autoritär“ und „laisser-faire“ operationalisierbar seien. Nach entsprechenden Untersuchungen – unter anderem mit Kindergruppen – gelang man zu der Erkenntnis, dass die „personenbezogene Führung“ bessere Auswirkungen auf die Produktivität hat als die „produktionsbezogene“.

      Plötzliches Ende

      Der Schwarze Freitag 1929 und die nachfolgende Weltwirtschaftskrise bereiteten den Experimenten ein plötzliches Ende. Dann kam der Zweite Weltkrieg. Noch bevor die breite Diskussion über die Erkenntnisse aus den Chicagoer Fabrikhallen begann, griffen die amerikanischen Manager wieder zu den ihnen vertrauten Mitteln der Kommandowirtschaft mit Befehl, Gratifikation, Sanktion und Kontrolle im Zentrum des Führungsverhaltens.

      1.2 Max Webers Führungstypologie

      Verschiedene Führungsstile

      Ein Managementmodell deutscher Provenienz entstand in der Heidelberger Denkschmiede des Soziologen Max Weber (1864– 1920). Sein Bürokratiemodell wurde zum Organisationsgerüst aller deutschsprachigen Amtsstuben und Industriekontore vom Baltikum bis hin zum Balkan. Er war der Erste, der verschiedene Führungsstile zu erkennen meinte, begrifflich differenzierte und wie folgt beschrieb (vgl. Weber 1956):

      Patriarchalischer Führungsstil

      Wie ein Familienvater

      Der Patriarch führt seine Mitarbeiter fast wie ein Familienvater, ohne sie an der Führung zu beteiligen. Er sieht seinen „Herrschaftsanspruch“ im bloßen Generations-, Reife-, Wissens- und Erfahrungsunterschied begründet. In der Rolle der Vaterfigur befriedigt er gleichzeitig den „Treue- und Versorgungsanspruch“ seiner „Belegschaftskinder“.

      Der Koordinationsaufwand der patriarchalischen Führung ist aufgrund der einfachen Überschaubarkeit gering, doch die Effizienz in dem Sinne beschränkt, dass sie das geistige Potenzial der Mitarbeiter nur wenig beziehungsweise gar nicht fördert. Der Patriarch betrachtet seine Worte als Gesetz und duldet keinen Widerspruch.

      Charismatischer Führungsstil

      Der einzigartige Alleinherrscher

      Der Charismatiker begründet seinen Führungsanspruch mit seinem Charisma. Er ist einzigartig und hat weder Vorgänger noch Nachfolger noch Stellvertreter neben sich. Allein die Begeisterung der Mitarbeiter sorgt dafür, dass er ihnen vieles abverlangen kann. Wie auch der Patriarch ist der Charismatiker ein „Soloherrscher“, wobei sein Herrschaftsanspruch weniger auf Gehorsam, als viel mehr auf seiner hohen Anerkennung bei den Mitarbeitern fußt.

      Autokratischer Führungsstil

      Führung mittels eines Apparates

      Auch der autokratische Führer ist wie der Patriarch oder der Charismatiker mit viel Macht ausgestattet, bedient sich jedoch eines Führungsapparates und herrscht nicht unmittelbar. Der autokratische Führungsstil fand seine Entstehung in Kirchen, absolutistischen Staaten und Großunternehmen, da die Bedienung eines Führungsapparates den Aufbau solch großer sozialer Gebilde erst möglich machte. Dabei ist zu bemerken, dass autokratische Führung durch einen besonderen Typ von „Geführten“ erst ermöglicht wird, und zwar solchen, die sich zu unbedingtem und präzisem Gehorsam verpflichten.

      Bürokratischer Führungsstil

      Alles ist klar geregelt

      Bürokratische Führung ist gekennzeichnet durch fachliche Kompetenz von „bürokratischen Instanzen“, von einem „Reglement mit Gewaltenteilung, mit präzisen Beschreibungen der Stellenbefugnisse und der Verwaltungsabläufe“ (Weber). An die Stelle der obersten alleinigen Führungspersönlichkeit tritt ein hierarchischer Apparat, in dem sämtliche Ränge von ganz unten bis ganz oben integriert werden. In der bürokratischen Führung existiert ein „System der ständigen Kontrolle und Gegenkontrolle“, welches „Sicherheit vor Willkür“ bietet und den „Anspruch des Fachwissens“ sichert.

      Im Gegensatz zur autokratischen mit ihrem Disziplinierungsmechanismus wird bei der bürokratischen Führung vielmehr dem Führenden Disziplin abverlangt. Die bürokratische Führungsweise löste um die Jahrhundertwende die von Willkür geprägte „konstitutionelle Monarchie“ ab und hat im Laufe der Entwicklung heute eine eher negative Bedeutung erlangt.

      1.3 Mütter und Väter der Führungslehre

      Eine lange Liste

      Lang ist die Liste derer, welche die Führungslehre seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert prägten. Auf ihr stehen vor allem Amerikaner, die zumeist aus dem akademischen Milieu stammen. Hier sollen