Cordula Nussbaum

LMAA


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bestimmen unser Tun. Das sehen wir in der Mode: Jede Saison neue Schnitte, Farben, Materialien. Und wir sehen es im Thema »Persönlichkeit« und der Beschäftigung mit dem »Ich«.

      In den 1960er-Jahren stellten die Hippies der Flower-Power-Bewegung die »sinnentleerten« Wohlstandsideale der Mittelschicht infrage. Sie riefen nach einer von Zwängen befreiten Lebensvorstellung und plädierten für Selbstverwirklichung.

      In den 1980er-Jahren boomten Zeitplan-Bücher und Zeitplan-Techniken. Es herrschte das Credo, man müsse Zeit und das eigene Leben einfach nur penibel planen, dann werde man erfolgreich.

      In den 1990er-Jahren schwappte die Sinn-Frage über uns hinweg. Unter dem Begriff »Downshifting« verzichteten die ersten Berufstätigen auf materiellen Wohlstand. Nicht, weil sie »Aussteiger« sein wollten, sondern weil sie abwogen, was ihnen tatsächlich am Herzen lag. Und sie lieber Jugendherbergsmutter wurden, statt Pressesprecherin eines Konzerns zu sein. Die Suche nach der persönlichen Sinnhaftigkeit innerhalb oder außerhalb unseres Berufes ist heute noch in vollem Gange. Jüngst entschied sich die Mehrheit der Bahn-Beschäftigten, lieber sechs Tage mehr Urlaub pro Jahr als ein höheres Gehalt in Anspruch zu nehmen.1

      Kurz vor der Jahrtausendwende setzte das Gros der Erwachsenen auf den Traum vom schnellen Geld mit Aktien und auch der zögerlichste Sparbuch-Besitzer kaufte irgendwann die »Volksaktie« der Telekom. Ein selbstbestimmtes Leben außerhalb des Hamsterrades schien greifbar nahe. Dann platzte 2003 die Dotcom-Blase und 2007 riss die Weltwirtschaftskrise alle Träume der »easy-peasy finanziellen Freiheit« in den Abgrund. Mit der Generation Y (den nach 1980 Geborenen) kam ein gesellschaftlicher Wertewandel in die Berufswelt und prägte einen neuen Work-Life-Trend: Teams statt Hierarchien, Freude an der Arbeit statt Status-Symbole, Freiräume, Selbstverwirklichung sowie mehr Freizeit statt Karriere.

      Warum erzähle ich Dir das alles? »Die Welt gehört denen, die ausbrechen, statt einzuknicken!«, warb vor einigen Jahren Die Welt. Es kann sein, dass manche der oben genannten Trends sehr gut in Dein eigenes Lebenskonzept passen. Und dann ist es gut, wenn Du diese Trends mitmachst. Wenn Du der Masse folgst, statt auszubrechen.

      Es kann aber auch sein, dass die Trends Dich (unbewusst) unter Druck setzen. Dass Lebensszenarien »in« sind, die so gar nicht Deinen Bedürfnissen entsprechen. Selbstverwirklichung? Vielleicht ist Dir ein sicherer Job sehr viel wichtiger. Und Du erlebst Deine Erfüllung in Deinen Hobbys und in Deiner Freizeit. Ist das jetzt »schlimm«? Nein, ist es nicht!

      Manche Autoren prangern den »Selbstoptimierungs-Zwang« an. Kernaussage: »Wir lassen uns nicht unter Druck setzen, uns zu optimieren!« Aber gibt es diesen Zwang wirklich? Wer zwingt uns denn, zu überlegen, was uns Spaß macht? Wie wir leben wollen? Ja, ich stimme den Autoren zu: Wir müssen uns nicht verändern. Wir müssen uns nicht optimieren. Wir dürfen so bleiben, wie wir sind. Aber wir können es auch ganz anders machen.

      Jeder Trend löst früher oder später einen Gegentrend aus. Du hast die freie Wahl, welchen Ideen Du folgen willst und welchen nicht. Wer jetzt verbissen sagt: »Pah – diesen Selbstoptimierungsquatsch mache ich nicht mit!«, der verhält sich schon wieder konformistisch. Gegen das eine – aber konform mit dem anderen. Wer sich grundsätzlich gegen Vorgaben wehrt, erfüllt auch schon wieder eine. Nämlich die Vorgabe: »Lass Dir nichts vorgeben.«

      Nimm die Trends wahr, und hör dann auf Dich: Was davon willst Du annehmen? Was taugt für dich? Was taugt nicht? Die Welt gehört denen, die ausbrechen. Nimm es wörtlich! Ausbrechen heißt nicht gezwungenermaßen, Außergewöhnliches zu tun oder ein Aussteiger zu werden, der mit nur 50 Dingen lebt. Es heißt nicht, zu kündigen, um im Dschungel Affenbabys zu füttern.

      Brich aus, aus Trends, die Dir nicht taugen. Sag »LMAA!« zu gesellschaftlichen »Must-dos«, die Dich doch gar nicht glücklich machen. Hab den Mut, Deine eigene Meinung zu leben.

      Im Jahr 2002 begann ich öffentlich eine Lanze zu brechen für »anti-systematische Menschen«, die auch ohne die gängigen »Erfolgs«-Methoden erfolgreich und glücklich sind. Die statt auf Planung und Disziplin auf Intuition und Leidenschaft setzten. Die die gängigen Zeitmanagement-Methoden wie Effizienzsteigerung und Prioritäten-Matrix nach Eisenhower2 ignorierten, aber am Ende des Tages glücklich waren mit dem Geschafften. Menschen, die ihre Zeit genossen, statt sie zu managen.

      Ich gab ihnen sehr liebevoll den Namen »Kreative Chaoten«3 und meine damit die Menschen, die einfach keinen Spaß an systematischer Planung, Zieledefinitionen oder stoischer Plan-Abarbeitung haben. Menschen, die gerne flexibel sind, die hilfsbereit sind und denen andere Dinge wichtiger sind als eine glattgebügelte Karriere. Ich spreche von den Out-of-the-Box-Denkern, den Polypotentials, den Scanner-Persönlichkeiten, den Vielseitig-Interessierten. Von Überfliegern wie Richard Branson.

      In Büchern, Vorträgen, Seminaren und Coachings stärkte ich den Kreativen Chaoten den Rücken, das eigene Potenzial zu erkennen und zu leben. Und wurde von den Systematikern systematisch abgewatscht. »Bullshit« sei es, was ich da erzähle. Zeitmanagement ohne penible Planung? So gehe das nicht! Intuition und Leidenschaft, um ein Lebenswerk aufzubauen? Nein, man brauche einen strukturierten Lebensplan, sonst erreiche man nichts.

      Trotz der Anfeindungen blieb ich meinem Ansatz treu und fand über die Jahre zahlreiche Befürworter wie das Magazin coaching heute, das schrieb: »Sie schwimmt gegen den Strom. Seit Jahr und Tag schreibt sie das Gegenteil von dem, was einige der ganz Großen in der Weiterbildungsindustrie als Dogmen verkünden.«4 Heute bin ich Autorin von 16 Büchern, manche davon Bestseller, und gelte laut Spiegel Wissen als »führende Expertin im Bereich Zeitmanagement«5. Nach und nach räumen jetzt auch gestandene Kollegen ein, sie hätten sich mit ihren früheren Aussagen über Lebensplanung oder Zeitmanagement geirrt, und übernehmen meine Sichtweise.

      Schöpf aus meiner Geschichte den Mut für Dich selbst, auszubrechen aus dem, was »man« tun oder lassen soll, was »man« denken und für »richtig« befinden soll.

      Vertrau darauf, dass Du selbst am besten weißt, was gut für Dich ist. Und brich aus allem anderen aus. So gehört Dir die Welt!

      2. Lass Dich von der Liste streichen

       »Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.«

      ERICH KÄSTNER.6

      Wie wahr ist dieses Zitat von Erich Kästner, aber auch wie schwer ist für manche Menschen, beides zu sein: Erwachsener und Kind. Manche Männer und Frauen bleiben in der Kind-Phase hängen – und scheuen sich, Entscheidungen zu treffen oder wirklich für das eigene Handeln einzustehen. In der extremsten Ausprägung sind das die Opfertypen (vgl. Kapitel 15). Oder es sind diejenigen, die nach dem Motto agieren: »Leb jeden Tag so, als ob es dein letzter wäre!« Wortwörtlich interpretiert entbindet dieser Spruch uns von jeglicher Verantwortung. Wenn wir nur im Jetzt leben und so tun, als ob es kein Morgen gibt, warum sollten wir dann vorsorgen für ein komfortables Leben im Alter? Drei Dinge machen uns zu Erwachsenen:7 Du übernimmst die komplette Verantwortung für Dich und Dein Tun. Du triffst Deine eigenen Entscheidungen. Du bist finanziell unabhängig.

      Manche Menschen glauben aber auch, sie müssten als Zeichen für das Erwachsen-Sein das verspielte innere Kind aufgeben, bierernst die Mühen des Alltags ertragen und spaßfrei ein graues Leben bis zum Tod fristen. Wie traurig!

      Bewahr das innere Kind in Dir, Deine Neugier, Deinen Lebenshunger, Deine spielerische Herangehensweise. Und pack dann als Bonus die Verantwortung obenauf. Denn Verantwortung haben zu dürfen ist ein Geschenk. Verantwortung zu übernehmen ermöglicht uns, Situationen und Umstände zu gestalten, unser Leben lebenswert zu machen, und schenkt uns wahre Freiheit und Selbstbestimmung.

      Heute fühle ich es so, aber als Teenager dachte ich, ich müsse mich zwischen Kind-Sein und Erwachsen-Sein entscheiden. Als meine Eltern sich trennten, machte ich mich für meine Familie verantwortlich, wurde blitzschnell »erwachsen«, und das fühlte sich schwer und belastend an. Erst das Zitat von Erich Kästner und die Sichtweise, dass Verantwortung