Frauke Ion

Motivorientiertes Führen


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seinem Verhalten anstrebt. Sie sind wichtig und erstrebenswert für ihn. Beispiel: ein Mitarbeiter, der sich in einem bestimmten Gebiet weiterbilden und Expertise aufbauen will.

       Einfluss der Führungskraft

      Eine Führungskraft hat verschiedene Möglichkeiten, das Können, Dürfen und Wollen eines Mitarbeiters zu beeinflussen. Das Können eines Mitarbeiters kann weiter ausgebaut werden, wenn ihm zum Beispiel über Personalentwicklungsmaßnahmen wie fachliche Trainings die Mittel und Ressourcen dazu bereitgestellt werden. Des Weiteren kann eine Führungskraft in der Regel leicht Einfluss auf das Dürfen des Mitarbeiters ausüben, da die Gestaltung vieler Prozesse und Regeln unmittelbar in ihrem Einflussbereich liegt.

      Um zu verstehen, inwiefern das Wollen eines Mitarbeiters durch die Führungskraft beeinflussbar ist, ist zunächst einmal die Frage zu beantworten, wie das individuelle Wollen eines Menschen zustande kommt.

      Das Wollen im eigentlichen Sinne kann das Ergebnis von expliziten, zumeist rationalen Zielen und/oder impliziten, zumeist emotionalen Motiven, sein. Idealerweise ist es die Schnittmenge von beidem. Bildlich hilft es, sich Motive und Ziele als zwei Kreise vorzustellen, die sich überschneiden können:

      Abb. 2: Explizite Ziele und implizite Motive, angelehnt an Kehr (2009)

      Eine Führungskraft kann beispielsweise durch Zielvereinbarungsgespräche die expliziten Ziele eines Mitarbeiters beeinflussen, jedoch nicht seine impliziten Motive (die 16 Lebensmotive nach Steven Reiss).

       Schnittmengenmodell nach Kehr

      Diesen Zusammenhang zwischen bewusst oder unbewusst gesetzten Zielen und internen persönlichkeitsspezifischen Motiven eines Menschen beschreibt auch das Schnittmengenmodell von Motivation und Wille nach Hugo M. Kehr (2009) näher. Es entsteht danach intrinsische Motivation, wenn implizite Motive und explizite Ziele übereinstimmen:

      • Implizite Motive bezeichnen stabile Prägungen, die uns antreiben und unsere Wahrnehmung beeinflussen. Oft nehmen wir diese als ein undeutliches »Bauchgefühl« wahr. In der Regel sind uns diese Motive nicht bewusst, sondern werden durch unser individuelles genetisches Erbe und unsere Erfahrungen in der frühen Kindheit geprägt.

      • Explizite Ziele werden oft extern vorgegeben oder bewusst gesteckt. Sie sind durch sozialen Einfluss, Normen und Werte geprägt, da Ziele das Ergebnis unserer eigenen Erwartungen und der Erwartungen anderer sind.

      Der Grad der Überschneidung drückt dabei aus, wie stark die Motive und Ziele eines Menschen übereinstimmen. In der Schnittmenge aus impliziten Motiven und expliziten Zielen sind wir intrinsisch motiviert – wir erledigen also eine Aufgabe, weil sie uns Spaß macht und wir das mit ihr verfolgte Ziel erreichen wollen. Bewegt man sich innerhalb dieser Schnittmenge, benötigt man keine besondere Willenskraft, um die Aufgabe zu erledigen und verfällt eventuell sogar in einen »Flow«. Wir nennen diese Fläche »Sweet-Spot«. Der Sweet-Spot ist eine besonders effektive Zone. Wenn sich etwas im Sweet-Spot befindet, hat es die optimale Wirkung. In Sportarten wie Tennis oder Golf ist es zum Beispiel der optimale Treffpunkt am Schläger. Mit wenig Kraft wird ein idealer Schlag ausgeübt.

      Es gilt also:

       Ein Verhalten kostet am wenigsten Kraft, wenn implizite Motive und explizite Ziele übereinstimmen.

       Beispiel

      Das implizite Motiv eines Mitarbeiters ist es, Kontakt zu Menschen zu haben und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wenn er das explizite Ziel hat, ein Projektteam zusammenzustellen und mit ihnen gemeinsam eine Aufgabe zu bewältigen, wird es ihm mit großer Wahrscheinlichkeit sehr leichtfallen, das Ziel zu erreichen.

      In diesem Beispiel gab es eine sehr große Schnittmenge, einen großen Sweet-Spot von impliziten Motiven und expliziten Zielen.

      Im Gegensatz dazu ist es aber auch möglich, dass implizite Motive und explizite Ziele stark voneinander abweichen. Dies kann zum einen daran liegen, dass die Menschen ihre inneren Motive gar nicht kennen und sich Ziele wählen oder ihnen zustimmen, die nicht zu ihrer Persönlichkeit passen. Zum anderen ist es auch möglich, dass sie ihre Motive zwar kennen, sich jedoch bei der Auswahl ihrer Ziele von anderen Erwägungen leiten lassen.

       Beispiel

      Wenn ein Mitarbeiter ein Projektteam zusammenstellen soll, der durch den Kontakt zu Menschen und die Zusammenarbeit mit ihnen nicht motiviert wird, sondern lieber alleine arbeitet, wird es ihm natürlich möglich sein, aber eher schwerfallen, dieses Ziel zu erreichen.

      Immer dann, wenn derartige Diskrepanzen zwischen den Motiven und Zielen eines Menschen bestehen, kann das Ziel nur mit viel Willenskraft, »Volition«, erreicht werden. Bestehen diese Diskrepanzen über lange Zeit, kann es zu starken inneren Konflikten und physischen wie psychischen Problemen kommen.

       Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg?

      Bestimmt haben auch Sie schon einmal von Kollegen oder Freunden den Rat gehört: »Wenn du es wirklich willst, schaffst du es auch!« Das mag zwar kurzfristig stimmen, langfristig ist man jedoch in der Regel erfolgreicher, wenn die inneren Motive mit den gesetzten Zielen übereinstimmen. Die wahre Weisheit liegt also nicht in »Selbstüberlistung« und darin, nach der Maxime des »eisernen Willens« vorzugehen, sondern darin, gemäß der individuellen Motive zu handeln.

      Was bedeuten diese Ausführungen zu den allgemeingültigen Faktoren, die das menschliche Verhalten bedingen, nun für die Mitarbeiterführung? Zentral ist die Erkenntnis:

       Die Motivation eines Mitarbeiters kann gesteigert werden, wenn die gesetzten Ziele mit den individuellen Motiven des Mitarbeiters übereinstimmen.

      Somit sollte in der Mitarbeiterführung zwar immer das Können, Dürfen und Wollen eines Mitarbeiters berücksichtigt werden. Den Ansatz- und Schwerpunkt der motivorientierten Führung stellt hingegen allein das Wollen dar. Auch wenn das Wollen eines Mitarbeiters durch seinen Vorgesetzten nur indirekt beeinflusst werden kann, ist es dennoch die Grundlage dafür, mit wie viel Energieaufwand und wie erfolgreich er die übertragenen Aufgaben erfüllen kann.

       Ziel der motivationsorientierten Führung ist es, dem Mitarbeiter durch passgenaue Handlungs- und Kommunikationsmaßnahmen eine Plattform zu bieten, auf der die innere Motivation mit den vorgegebenen Zielen weitestgehend abgestimmt (worden) ist. So kann ein Mitarbeiter durch das Ausleben seiner Motive wie im »Flow« seine vorgegebenen Ziele erreichen.

      Wie sind Motive erkennbar?

      Um motivorientiert zu führen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Motivation eines Mitarbeiters zu erkennen – nur auf dieser Basis können individuelle Handlungs- und Kommunikationsmaßnahmen entwickelt und angewendet werden. Doch wo ist dabei anzusetzen, wie ist die Motivation eines Menschen erkennbar? Die wissenschaftliche Motivationsforschung setzt sich schon seit Jahrzehnten mit dieser Fragestellung auseinander. In den folgenden Abschnitten möchten wir Ihnen verschiedene Ansätze der Motivationsforschung vorstellen, ihre praktische Anwendbarkeit diskutieren und Ihnen abschließend mit der Theorie der 16 Lebensmotive nach Prof. Steven Reiss einen entsprechenden Weg aufzeigen, wie die individuelle Motivation eines Menschen erkennbar gemacht werden kann.

       Bedürfnispyramide nach Maslow

      Eine der ersten Motivationstheorien überhaupt entwickelte Abraham Maslow 1943 mit seiner Bedürfnispyramide, die auch heute noch als Grundlage in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Motivation verwendet wird. Darin geht er von einer hierarchischen Anordnung menschlicher Bedürfnisse aus und differenziert die Motivation eines Menschen in fünf unterschiedliche Motivklassen, die aufeinander aufbauen: