und vieles mehr.
Persönlichkeit entwickeln
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich also die Anforderungen an Führungskräfte von der reinen Beherrschung der fachlichen Kompetenzen in den Bereich der kontinuierlichen Persönlichkeitsentwicklung verlagert. Comelli und Rosenstiel zitieren treffend einen Unternehmer in einer Diskussion über die Besetzung von Führungspositionen: »Wollen wir eigentlich Leute in Vorgesetzten-Positionen haben, die mit sich selbst, ihrer Familie und ihrem eigenen Leben nicht klarkommen? Das heißt doch, kaputten Typen die Zukunft eines Unternehmens anzuvertrauen!« Ganz im Sinne der motivorientierten Führung gilt somit:
Wer andere erfolgreich führen will, muss zuerst sich selbst führen können.
Auf diesen Punkt gehen wir später ausführlicher ein (siehe “Ihre Führungspersönlichkeit – sich selbst erfahren”). Wie oben ausgeführt, ist die Selbstkontroll-Kompetenz jedoch nur ein Teilbereich der Kompetenzanforderungen, die in der heutigen Zeit an eine Führungskraft gestellt werden. Wie können Führungskräfte diesen immensen Anforderungen gerecht werden? In der Führungs- und Managementliteratur werden zahlreiche Ansätze beschrieben, die Vorgesetzte dabei unterstützen sollen, Führung in der Praxis zu meistern.
Verwandlung durch Führen
Der von Bernhard M. Bass und Ronald E. Riggio (2006, 6ff.) entwickelte und in den letzten Jahren verstärkt diskutierte Ansatz der transformationalen Führung versteht Führung als einen Prozess der »Verwandlung« des Geführten. Dieser setzt sich durch den Einfluss des Führenden höhere Ziele und handelt so nicht mehr nur aus reinem Eigeninteresse. Eine transformationale Führungskraft verändert also die Denkweisen und Wünsche des Geführten. Indem sie den ganzen Menschen (emotional) anspricht, weckt sie die Begeisterung des Geführten für neue Werte, Ziele und Aufgaben und macht ihn so zum »Mitunternehmer« bei der gemeinsamen Zielerreichung. Dabei unterscheidet Bass vier Elemente der transformationalen Führung:
• Idealized Influence bzw. Charisma drückt aus, dass der Führende dem Geführten ein Vorbild ist, dem Bewunderung, Respekt und Vertrauen entgegengebracht wird. Der Geführte identifiziert sich mit dem Führenden und seinen ethischen Standards.
• Der Geführte erfährt Inspiration durch (erreichbare) Visionen des Führenden. Dazu ist es Aufgabe des Führenden, durch eine optimistische und enthusiastische Einstellung die Bedeutung und Herausforderung der Arbeit zu vermitteln und den Teamgeist zu fördern. So werden die Ziele und Visionen des Führenden zu gemeinsamen Zielen und Visionen.
• Durch intellektuelle Stimulierung fördert der Führende die Innovativität und Kreativität des Geführten. Der Führende fördert das Umsetzen neuer Ideen, indem er dem Geführten Eigenverantwortung überträgt, ihn selbst zum »Unternehmer im Unternehmen« macht und ihn in Problemlösungsprozesse und das Hinterfragen von Annahmen einbezieht.
• Das vierte Element der individuellen Ansprache beinhaltet, dass der Führende gleichzeitig auch Coach und Mentor des Geführten ist und ihn als ganzen Menschen kennt und akzeptiert. Indem er eine zweiseitige Kommunikation praktiziert und seinem Geführten aktiv zuhört, betrachtet er den Mitarbeiter als Individuum, statt ihn lediglich als Gruppenmitglied zu behandeln. Es gilt: »Gleichbehandlung ist nicht gleiche Behandlung«, denn der Kernpunkt der individuellen Ansprache ist die Akzeptanz von und Arbeit mit Unterschiedlichkeit.
Individuelle Ansprache entscheidend
Welche Erkenntnisse lassen sich daraus für den Führungsalltag ableiten? Eine Studie von Dumdum / Lowe / Avolio (2002) hat gezeigt, dass die Korrelation zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Führungsstil beim vierten Element, der individuellen Ansprache, am höchsten ist. Und das sind für den Führungsalltag besonders deswegen gute Nachrichten, weil Dinge wie Charisma nicht oder kaum erlernbar sind. Individualisiertes Führen, basierend auf der Berücksichtigung von individuellen Bedürfnissen und Motiven, ist hingegen relativ leicht erlern- und umsetzbar.
Modell der situativen Führung
Ein weiteres vielfach gelobtes Modell ist das Modell der situativen Führung nach Hersey / Blanchard. Sie gehen davon aus, dass Führungskräfte sowohl die Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters als auch des gesamten Teams aktiv durch ihr Führungsverhalten und ihren Führungsstil unterstützen können, wobei sie zwischen vier verschiedenen Phasen unterscheiden:
Abb. 5: Modell der situativen Führung nach Hersey / Blanchard
Demnach wird jede Phase dadurch bestimmt, wie viel mitarbeiterbezogenes bzw. unterstützendes Verhalten auf der einen Seite und wie viel aufgabenbezogenes bzw. direktives Verhalten auf der anderen Seite gefordert ist.
• Testphase: Die Testphase ist die Anfangsphase einer Zusammenarbeit – entweder der Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter oder der Zusammenarbeit eines Teams. In dieser Phase ist Lenkung durch die Führungskraft zentral. Der Vorgesetzte sollte vor allem versuchen, Struktur und Kontrolle bereitzustellen. So erfährt der Mitarbeiter die erforderliche Sicherheit und Orientierung, um den Beziehungsaufbau sowie Rollen- und Aufgabenfindung zu meistern.
• Kampfphase: Die Testphase geht fließend in die Kampfphase über, in der um die Verteilung von Macht, Einfluss und Kompetenz gerungen wird. Von der Führungskraft ist vor allen Dingen Training gefordert, worunter Hersey / Blanchard verstehen, den Mitarbeiter bei klar gesetzten Rahmenbedingungen und Zielvorgaben weiterzuqualifizieren. Der Mitarbeiter oder das Team wird in dieser Phase somit zunehmend stärker in Entscheidungsprozesse involviert, die Führungskraft greift jedoch eventuell dirigierend ein und positioniert sich damit auch selbst.
• Orientierungsphase: Die Orientierungsphase setzt ein, wenn der Mitarbeiter bzw. das Team leistungsbereit ist. Durch Unterstützung sollte die Führungskraft in dieser Phase daran arbeiten, dass die vorhandenen Kompetenzen weiter ausgebaut werden. Nur wenn dem Mitarbeiter oder Team eine Anerkennung für das Engagement gegeben und eigenständiges Handeln ermöglicht wird, können vorhandene Stärken optimal eingesetzt werden.
• Verschmelzungsphase: In dieser Phase ist es Aufgabe der Führungskraft, sich auf die Delegation zu konzentrieren. Der Mitarbeiter bzw. das Team hat nun eine Reife erreicht, auf deren Basis die eigenständige Verantwortungsübernahme für Entscheidungen und deren Durchführung übertragen werden kann. Dazu muss die Führungskraft vor allem eine Leistung erbringen: loslassen können.
Der situative Führungsansatz in der Praxis
Wie ist die Auswirkung des situativen Führungsansatzes auf den langfristigen Führungserfolg in der Praxis zu beurteilen? Hersey / Blanchard gehen bei ihren Ausführungen davon aus, dass das »Erfolgsrezept« der Führung vor allem darin besteht, sein Führungsverhalten und seinen Führungsstil an die Situation des Mitarbeiters beziehungsweise des Teams anzupassen. Folgt eine Führungskraft diesem Ansatz, gerät dabei jedoch ein wichtiger Aspekt aus dem Blickfeld: Nicht nur eine Einschätzung der aktuellen Situation bedingt Führungserfolg, sondern vor allem die Berücksichtigung der Individualität eines Mitarbeiters!
Dort setzen Michael Lorenz und Uta Rohrschneider in ihrem Buch Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern hervorragend an. Sie legen ihrem Führungsansatz ein Mitarbeiterportfolio (2008, 57ff.) zugrunde, das auf der Basis der Dimensionen Können und Wollen zwischen vier verschiedenen Mitarbeitertypen unterscheidet:
Abb. 6: Mitarbeiterportfolio nach Lorenz und Rohrschneider
Mitarbeitertypen
Dabei stellt Können alles dar, was ein Mitarbeiter über seine Ausbildung und generellen Erfahrungen gelernt hat, während das Wollen die Einsatzbereitschaft und den