Ralph Goldschmidt

Shake your Life


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oder? Und wenn ich Sie so anschaue, dann tippe ich darauf, dass Ihre Frau kein Besen ist. Reine Erfahrungssache. In Ihrer Brieftasche ist ein Bild von einem supersüßen Mädchen, höchstens drei Jahre alt. Ich tippe, das ist Ihre Tochter. So, und jetzt will ich von Ihnen wissen: Warum in aller Welt hängen Sie zum wiederholten Male nach Feierabend in einer – zugegebenermaßen äußerst stilvollen – Bar herum und schauen trübe in Ihren Longdrink, anstatt mit Siebenmeilenstiefeln nach Hause zu hüpfen, Ihrer Tochter eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen und dann Ihre Frau glücklich zu machen? Hand aufs Herz!«

      Ich bleibe kurz stehen und beobachte, wie sich seine Rüstung in Einzelteile auflöst und zu Boden scheppert. Er schaut mich entgeistert an, seine ganze Selbstsicherheit scheint verflogen, er holt Luft und … sagt nichts. Schluckt. Ich drehe mich um, greife zum Kühler und denke: Scheiße, Bruno, zu direkt, der geht jetzt. Warum kannst du auch nicht die Schnauze halten!

      Während ich noch innerlich mein latentes Helfersyndrom verfluche, räuspert sich Mr. Wodka. »Also …«

      Ich drehe mich zu ihm, schaue ihm gerade in die Augen und sage: »Entschuldige, Mann, ich wollte Ihnen nicht …«

      »Schon gut. Nein, ist okay.« Er umfasst sein Longdrinkglas mit beiden Händen, als wäre es sein Sicherungsseil in der Felswand. »Also, ehrlich gesagt, habe ich einfach noch keinen Bock, nach Hause zu gehen.«

      »Wieso das denn?«

      »Keine Ahnung, ich blick da selbst nicht so ganz durch. Meine Frau ist toll. Aber … ich weiß nicht. Ich check’s selber nicht richtig.«

      »Ihnen geht’s scheiße, oder?«

      Er schaut mich jetzt an wie ein Hund, dessen Herrchen ihn beim Zerfetzen von Frauchens Strümpfen erwischt.

      »Ähm, ich weiß nicht, wie’s mir geht. Ich weiß nur, dass es nicht so ist, wie es sein soll.«

      »Inwiefern?«

      »Na, ja. Früher hat mir das alles Spaß gemacht. Aber seit einer Weile quäle ich mich morgens nur noch aus dem Bett und habe überhaupt keine Lust, zur Arbeit zu fahren. Den ganzen Tag gibt es dort Druck von oben. Verkaufszahlen, Kundenzufriedenheitsquote, Responsezeiten, alle möglichen Kennzahlen, es wird irgendwie immer mehr. Dann schwierige Mitarbeiter, Umstrukturierungen. Am Abend bin ich nur noch platt. Keine Energie mehr für die Kinder. Meine Frau ist dann auch anstrengend. Wenn ich nach Hause komme, wollen irgendwie alle was von mir. Und keiner fragt, was ich will. Kann ich noch mal einen Drink haben, bitte?«

      »Klar.« Ich räume sein leeres Glas ab. »Erzählen Sie weiter.«

      Dann erzählt er von seiner Frau, die tatsächlich super aussehen muss. Sie verstehen sich gut. Sie ist seine zweite Frau, hat einen neunjährigen Sohn mit in die Ehe gebracht, gemeinsam haben sie die kleine Tochter, deren Bild ich gesehen hatte. Allen geht es gut, der Alltag ist bestens organisiert. Sie ist stolz auf ihn und seinen beruflichen Erfolg. Sie fährt einen schicken BMW. Trägt Designerklamotten. Genießt ihren Status und zeigt ihn gerne. Urlaub machen sie im Robinson-Club. Überall erzählt sie, was für ein toller Hecht er doch ist. Alle denken: Wie toll so eine Patchworkfamilie funktionieren kann.

      Aber wenn er sich fragt, ob er lieber kommt oder lieber geht, merkt er: Im Moment geht er weder gerne zur Arbeit noch kommt er gerne heim. Er fragt sich, was das kleinere Übel von beiden ist.

      Zu Hause wie im Büro ist es einfach nur anstrengend. Immer muss er sein Image aufrechterhalten, den starken Mann spielen. Dabei ist er einfach nur müde. Saumüde. Auf dem besten Weg, in den Club der Smiling Depressives aufgenommen zu werden. Er würde sich so gerne mal wieder gut fühlen, Spaß haben, Energie spüren.

      »Und woran liegt das? Sie müssten doch eigentlich auf Wolke sieben schweben. Ich meine, Sie haben doch alles, was man so haben will, oder? Aber trotzdem scheint Ihnen was zu fehlen. Also: Was ist es?«

      »Das ist es ja!« Jetzt bekommt er wieder diesen harten Ausdruck im Gesicht. »Ich habe keine Ahnung! Ich habe kein Problem, weißt du … äh, wissen Sie!«

      »Schon okay, ich heiße Bruno.« Ich gebe ihm die Hand.

      »Victor. Angenehm.« Er zieht einen Mundwinkel hoch, wieder ganz der Lässige. Das hat er echt gut drauf.

      Ich lege den Pfeil auf, spanne den Bogen, ziele und: »Also, woran liegt’s? Redet ihr nicht miteinander? Geht’s ums Geld? Um Status? Traust du dich nicht mit ihr zu streiten? Klappt’s nicht in der Kiste? Hast du den falschen Job? Traust du dich nicht ihn zu ändern?«

      Jetzt hält er die Luft an. Treffer, versenkt.

      Des Geldes wegen

      kriseln viele Beziehungen. Das Thema birgt riesiges Konfliktpotenzial und ist einer der häufigsten Gründe für Krach. Er hält es zusammen, sie gibt es aus. Oder umgekehrt. Sie liebt Statussymbole – Dior-Kette, Yohji-Yamamoto-Kleid, Christian-Louboutin-Pumps, Cayenne Turbo, Haus am See, Kitzbühel, Trakehnerhengst, Golfclub … – er könnte auch gut und gerne darauf verzichten. Oder umgekehrt. Sie braucht Sicherheit durch gut angelegtes Vermögen. Ihm wäre es nicht wichtig. Oder umgekehrt.

      Noch schlimmer aber, als über Geld zu streiten, ist es, wenn darüber geschwiegen wird. Denn Geld ist zwar wichtig, aber nicht in Bezug auf unser Glück. Jedenfalls nicht in den Einkommensregionen von Victor Wodka. Mit anderen Worten: Sie können mit Geld glücklich sein oder ohne. Ganz egal. Eine der schlimmsten Fallen unserer Zeit ist die Vorstellung, eines Tages, wenn genügend Geld da ist, um diesen oder jenen Traum zu verwirklichen, glücklich zu sein. Entweder Sie sind auch ohne das viele Geld glücklich und zufrieden gewesen, dann haben Sie gute Chancen, auch weiterhin glücklich und zufrieden zu sein, wenn Sie mehr davon haben. Oder Sie waren es nicht, dann tendieren Ihre Chancen gegen null, glücklich und zufrieden zu sein, wenn Sie eines Tages steinreich geworden sind.

      Geld kann auch keine Beziehung aufrechterhalten oder retten. Die Liebe und Zuneigung, Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit des Partners kann man nicht mit Geld und schönen Dingen kaufen. Nicht auf Dauer.

      Die Realität ist aber: Paare nehmen sich gemeinsame Projekte vor, die mit Geld zu tun haben. Das Traumhaus zum Beispiel. Da laufen Bausparverträge und rauben den tapferen Sparern im Alltag die Luft zum Atmen, damit eines Tages das frei stehende Haus gebaut werden kann, von dem schon Zeichnungen und Grundrisse existieren. Oder die Einrichtung. Das Ledersofa, die Küche, das Bad auf Kredit gehören in zehn Jahren nicht mehr der Bank, sondern dem Ehepaar.

      Die fehlende Entwicklung im Innern wird kompensiert im Außen.

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      »Schatz, die Hubers haben einen Mercedes gekauft. Die M-Klasse, du weißt schon.«

      »Na und?«

      »Was na und! Ich mein ja bloß!«

      Die gemeinsame Wunscherfüllung funktioniert über Geld. Der eine finanziert, der andere organisiert. So gibt es auch immer ein gemeinsames Gesprächsthema. Wenn das Projekt vorbei ist, steht das Paar genau da, wo es vorher stand. Dann muss ein neues Projekt her. Aber die Beziehung ist wie vorher. Es gibt keine Entwicklung von innen heraus. Die fehlende Entwicklung im Innern wird kompensiert im Außen.

      Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Gemeinsame Projekte sind nicht schlecht. Sie sind gut. Aber man muss sich bewusst machen, welches Projekt welchen Zweck erfüllt, und darüber reden, was das alles wirklich bedeutet. Offen reden.

      Sonst läuft das so wie bei den meisten Paaren: Hauptsache, wir haben was zu tun. Dann müssen wir nicht darüber nachdenken, was eigentlich alles schiefläuft zwischen uns. Wenn Ihnen das irgendwie bekannt vorkommt, sollten Sie mal eine Projektpause einlegen!

      Geld ist auch ein Aphrodisiakum, Geld macht Männer sexy. Das können Sie finden, wie Sie wollen, es ist so! Wieso? Weil Geld Sicherheit bietet. Das ist der Versorgeraspekt, der seit Millionen von Jahren unbewusst und ganz schlicht funktioniert. Heutzutage noch wichtiger ist aber etwas anderes: Die meisten Menschen definieren sich über Geld, ordnen