Ralph Goldschmidt

Shake your Life


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      »Hmhm. Was willst du denn genau von ihr?«

      »Ich will, dass sie zu mir steht. Auch mit weniger Geld.«

      »Voll ins Schwarze. Was noch?«

      »Ja, und da ist noch … hm. Weißt du, meine Exfrau hat zwar immer so viel gelabert, aber im Bett war sie ’ne echte Granate. Und sie war eine ehrliche Haut. Wir waren viel enger, viel vertrauter, haben mehr miteinander geteilt, hatten mehr Spaß miteinander. Ich wünsche sie mir nicht zurück, echt nicht. Aber wenn meine Frau heute ein bisschen offener wäre …

      Früher ging bei uns auch ab und zu mal die Post ab. Sie ist ja keine Nonne. Aber seit die Kinder da sind, passiert nicht mehr so viel. Mit Überredungskunst klappt’s ab und zu, aber ich will schon mehr als sie. Und auch mal anders.«

      Seine Augenringe sind irgendwie noch dunkler geworden. Seine Mundwinkel haben einen bitteren Zug, wenn er redet.

      »Sag’s ihr.«

      »Ja, ich weiß.«

      »Sag ihr, was du von ihr willst.«

      »Ja, Mann!«

      »Mach dir nicht in die Hose. Du musst für dich einstehen. Ich schätze, sie wartet darauf. Aber sie wird nicht ewig warten.«

      Kannst du deinen Anspruch an dich selbst jederzeit und in jeder Situation einlösen?

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      »Aber mal ganz ehrlich, Bruno.« Er beugt sich ein Stück vor und schiebt sein leeres Glas zur Seite. »Kannst du denn immer tun, was du für sinnvoll erachtest? Kannst du deinen Anspruch an dich selbst jederzeit und in jeder Situation einlösen?«

      Ich zögere, werfe mein Handtuch über die Schulter und stütze mich mit beiden Händen auf die Spüle. »Hm, ich bin nicht Superman, habe ich das schon erwähnt? Aber ich glaube schon, dass ich Ernst mache.«

      Victor dreht die leeren Handflächen nach oben: »Und? Beweise? Belege? Beispiele?«

      Er prüft mich. Natürlich meint er damit eigentlich sich selbst, er prüft mich stellvertretend, denn ganz offensichtlich will er auch so langsam Ernst machen.

      »Okay, Hohes Gericht, verehrte Geschworenen«, ich richte mich auf und hebe eine Hand. »Ich habe letzten Monat einen Auftrag abgelehnt. Obwohl ich den Umsatz gut hätte gebrauchen können. Es ging um eine Veranstaltung für Führungskräfte, ich sollte einen Vortrag halten. Thema: Balance im Leben. Mein Paradethema. Meine Zielgruppe. Gutes Geld. Termin passte. Alles bestens. Aber …«

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      »Aber?« Victor zieht die Augenbrauen hoch und neigt seinen Kopf leicht nach vorne.

      »Aber im Gespräch mit dem Auftraggeber kam für mich klar heraus: Im Prinzip wollte er seine Leute nur benutzen. In Wahrheit hatte er kein Interesse an ihnen. Er hatte kein echtes Anliegen, wollte mit meinem Vortrag nur eine Bespaßung liefern, um für gute Stimmung zu sorgen. Mein Vortrag sollte nichts bewirken. Ob mein Vortrag dem Publikum helfen würde, künftig mit Druck besser umzugehen, war ihm wurscht. Im Gegenteil. Eigentlich wollte er, dass seine Leute gnadenlos Gas geben und Geld reinholen, der Rest war egal. Aber es wirkt ja immerhin sozial, wenn er ihnen für viel Geld einen Typen vorsetzt, der ihnen Tipps gibt, wie sie alles unter einen Hut kriegen und rundum glücklich werden. Ich sollte sozusagen als Pausenclown engagiert werden. Eine Alibi-Veranstaltung. Also …«

      »Also?«

      »Also habe ich ihn gebeten, den Betrag, den er für mein Honorar eingeplant hatte, für einen echten Clown auszugeben oder einem wohltätigen Zweck zu spenden. Ich habe ihm gesagt, dass ich lieber zu Hause vor einer Wand reden würde, als zu seiner Veranstaltung zu kommen.«

      »Oh, wow!«

      »Jawohl. Allerdings ist das nun auch nicht sooo heldenhaft, oder? Ja, es hat ein bisschen Mut erfordert und es war auch Mist, weil die Kohle flöten ging. Seinem Anspruch gerecht zu werden, hat eben manchmal seinen Preis. Manchmal hat man den Mumm, ihn zu bezahlen, manchmal nicht …«

      Seinem Anspruch gerecht zu werden, hat eben manchmal seinen Preis.

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      »Doch, doch, ich glaube, du bist doch Superman.« Victor grinst, langt über den Tresen und gibt mir einen Klaps auf die Schulter.

      Danke, sollte das wohl heißen. »Gern geschehen«, sage ich. »Noch einen Drink?«

      »Nee, lass mal. Ich geh nach Hause.« Er legt einen Schein auf den Tresen.

      Ich vermute, ich werde ihn jetzt eine Weile nicht mehr sehen. Das finde ich schade.

      »Hm, tu mir einen Gefallen, ja?«

      »Ja?«

      »Bitte komm eines Tages mal vorbei und erzähl mir, wie es ausgegangen ist. Okay?«

      »Okay, Sportsfreund.« Er gibt mir die Hand wie ein Kumpel, lacht, nimmt seine Jacke und geht.

      Die zwei Mädels, die gerade zur Tür hereinkommen, treten einen Schritt zur Seite, machen ihm Platz, er grinst sie an, sie bekommen riesige Augen, schauen ihm auf den Hintern, sobald er an ihnen vorbei ist, und kichern los, sobald er durch die Tür ist. Sie halten sich beim Lachen die Hand vor den Mund und benehmen sich wie die Schulmädchen. Was für ein lässiger Typ!

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