auf »H2H« (Human to Human) zu setzen, und andererseits dem Fakt Rechnung zu tragen, dass es immer weniger »B2B versus B2C« heißt, sondern B2P, wie ich es nenne: »Business to Purchaser«.
Die Unterscheidung zwischen privatem und Business-Kunden wird immer stärker obsolet, denn auch der Business-Kunde, der Einkäufer im Unternehmen, der Firmenverhandler hat mindestens in seinem digital-geprägten Leben als Privatmensch alle Tricks, Tools und Optionen erlernt, um genau denselben »digitalen Komfort«, den er als smarter Kunde gewohnt ist, auch in seiner geschäftlichen Einkäuferrolle zu erwarten, ja, mehr und mehr als selbstverständlich vorauszusetzen! Aus der Kundenperspektive – und nur diese ist in der Welt der Client Centricity entscheidend – macht der Kunde beim »Purchasing« keine Unterscheidung mehr.
Hintergrund
Customer Centricity: Wird manchmal auch als Client Centricity, oder, im Deutschen, als Kundenzentrierung bezeichnet. Gemeint ist damit mehr als »nur« ein Vertriebskonzept, das die Kundenorientierung bzw. den Kundennutzen in den Vordergrund stellt, gemeint ist eine ganze Firmenkultur, eine Philosophie, die sich vollständig um die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden dreht. Damit wird der gesamte Unternehmenszweck und werden alle Abteilungen (also nicht nur Vertrieb und Marketing) und Prozesse im Unternehmen aus der Perspektive des individuellen Kunden gedacht, Wünsche und Erwartungen des Kunden werden zum Leitbild. (
Customer Journey: Die sogenannte »Kundenreise« bildet den (virtuellen) Weg ab, den ein (potenzieller) Interessent von der ersten Information (z. B. Werbung, Empfehlung durch andere Kunden etc.) über den ersten Kontakt mit einem Angebot oder Unternehmen bis zum letztendlichen Kauf und darüber hinaus dem Service zurücklegt. Die Customer Journey wird klassischerweise in die Phasen: Bewusstseinsweckung (für ein Produkt), Interessensverstärkung für jenes Produkt, Kaufwunschphase, konkrete Kaufabsicht und Kauf unterteilt. In jeder dieser Phasen erlebt der potenzielle Kunde das Unternehmen und das Produkt bzw. die Leistung an verschiedenen Berührungspunkten – sogenannten Touch Points –, an denen seine Erfahrung, seine »Experience« möglichst positiv sein soll. (
Customer Experience: Diese »Kundenerfahrung« wird als die Gesamtheit aller Eindrücke verstanden, die ein Kunde entlang seiner »Customer Journey« mit einem Unternehmen oder Angebot sammelt. Die Customer Experience so positiv wie möglich zu gestalten, zielt weniger auf den direkten Kaufabschluss ab, sondern vor allem auf die Herstellung von Kundenzufriedenheit, positive Bekanntheit einer Marke und kundenseitige Weitergabe (Rezensionen, Testimonials, Empfehlungen) von hervorragenden Erfahrungen mit Unternehmen, Produkt oder Dienstleistung sowie Service. Damit zielt das Customer Experience Management auf den Aufbau einer emotionalen Bindung des Kunden an Unternehmen oder Produkt.
Vertriebsperspektive: Wie adressieren wir den »B2P«?
Auch die obige Studie von Gebhardt und Handschuh bestätigt meinen Ansatz, dass die früher eher getrennt zu betrachtenden Strukturen B2B (Vertrieb an Unternehmen) und B2C (Verkauf an Privatpersonen) in Art und Abwicklung immer stärker zusammenwachsen. Das konstatiert ebenfalls eine Studie von Roland Berger (2015, S. 4): »Neue digitale Player – meist aus dem B2C-Geschäft – beanspruchen schon Teile des B2B-Vertriebs für sich. Sie nutzen ihre Erfahrungen im Kundenhandling und operieren mit eigenen Geschäftsmodellen, zum Beispiel als Online-Only-Distributoren (Alibaba) oder als Aggregatoren von Angeboten (z. B. ›Wer liefert was?‹).«
… womit wir wieder bei der Plattform-Ökonomie wären – und diese bestärkt einzig den Ansatz »Business to Purchaser«. Vergiss also den Unterschied zwischen B2C- und B2B-Kunde – oder vielmehr: Nimm das Beste von beiden Ansätzen, denn sie verschmelzen im B2P-Kunden, im »digitalen Purchaser«.
Was funktioniert künftig noch?
Meines Erachtens wird es in naher Zukunft im Wesentlichen nur noch zwei wirklich funktionierende Vertriebsausrichtungen nach außen geben:
1.Digital-to-digital-Vertrieb, also der digitalisierte oder digital vermittelte Verkauf an ebenso digital aufgestellte Einkäufer. Ganze Einkaufsabteilungen in großen Unternehmen stellen sich derzeit bereits als »Digital Procurement« auf. Hier geht es bei Weitem nicht (mehr) nur um Fast Moving Goods, mittlerweile werden umfangreiche Bedarfe an Zulieferung so abgewickelt.
2.Hybrid-Vertrieb, also vertriebliche Maßnahmen, die das Internet und die reale Welt verbinden (Mixed Reality). Schrittmacher hierbei ist der digitale Kunde, der sowohl offline als auch online präsent ist und also hybrid handelt. Hierbei bleibt der Faktor Mensch absolut erfolgskritisch; Vertrieb wird also noch persönlicher, noch menschlicher und noch individueller (vgl. Binckebanck / Buhr, 2017). Die letzte Entscheidung fällt dabei oft im menschlichen Kontakt Human to Human, worauf wir in Kapitel 4 noch einmal ausführlicher eingehen werden.
1.Stichwort »B2P«, Business to Purchaser: Wie sieht eure Strategie aus, den digitalen »Purchaser«, der zwar für ein Unternehmen agiert (also einkauft oder beauftragt), aber Komfort-Ansprüche an digitale Rund-um-Versorgung wie ein Internet-verwöhnter Endkunde hat, zufriedenzustellen?
2.Wie unterstützt dein Unternehmen Vertriebsmitarbeiter beim Human-to-Human-Ansatz? Habt ihr dafür nur konventionelle Lösungen?
3.Könnt ihr »no frills«-Lösungen nutzen? Welche Produkte lassen sich beispielsweise stärker automatisiert vertreiben, und bei welchen ist der Hebel im Human-to-Human-Ansatz künftig viel größer?
Lösungsansätze für die digitale Transformation nach innen
Alles, was du im Vertrieb (künftig) tust, unterliegt der digitalen Transformation – und zwar nach innen und nach außen. Die digitale Transformation nach außen fokussiert auf die Handlungs- und Kommunikationsprozesse in Richtung Kunde; das haben wir oben schon betrachtet und das zieht sich im Folgenden durch das ganze Buch.
Die digitale Transformation nach innen fokussiert auf interne Prozesse und Kommunikationswege. Ein funktionierendes CRM (Customer-Relation-Management-System), gegebenenfalls als Cloud-Lösung, SEO und SEA, responsive Website etc. sind heute Standard im Vertrieb. Die Welt ist schnell, transparent und weniger hierarchisch geworden. Mit Blick auf die nächsten Generationen, die in die Unternehmen kommen (Generation Y und Generation Z, s. u.) stellen wir fest, dass in den Unternehmen eine neue, digital geprägte Kultur einzieht. Neue Kompetenzen und neue Ansprüche. Neue mitmenschliche Umgangsformen und virtuelle Kommunikationsformen. Besonders spannend dürfte auch sein, Cross-Generation-Teams zusammenzustellen, zu entwickeln und zu führen. Hier wird es künftig immer mehr darum gehen, schlanke Projektmentalität in den Unternehmen zu etablieren. Aufgaben werden also für einen klaren, eher kurzen Zeitraum verteilt und in agiler Weise mit klaren Zielen umgesetzt.
Hintergrund
Gen Y / Generation Y: Mit Generation Y – auch Millennials oder »Generation Why« genannt – wird die Bevölkerungskohorte der zwischen 1980 bis zu den späten 1990ern Geborenen bezeichnet. Die Nachfolgegeneration der Baby Boomers und der Generation X, die erst im Laufe ihres Lebens in die digitale Welt gewachsen sind, ist bereits in die frühe Zeit der Digitalisierung, der Internetverbreitung und der privaten