dieses Buches durch Ihren eigenen Prozess begleiten, damit es Ihnen und Ihren Kindern im Alltag besser geht. Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Sammlung all jener Methoden, Inputs und Tipps, die sich in meiner jahrelangen Tätigkeit bewährt haben. Sie werden bei der Lektüre keine Ratschläge erhalten, denn die Lösung, die für Sie und Ihre Familie passt, liegt in Ihnen – und ich kenne Ihre Lösung nicht. Deshalb nenne ich dieses Buch auch keinen Erziehungsratgeber. In der Erziehung gibt es im engeren Sinne kein richtig oder falsch. Es gibt lediglich passend und machbar bzw. unpassend und nicht umsetzbar. Um herauszufinden, was passt und machbar ist, müssen Sie sich nur täglich ein wenig mit sich selbst und den eigenen Gedanken und Gefühlen auseinandersetzen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß auf Ihrem individuellen Erkundungsweg zu sich und dadurch auch näher zu Ihrem Kind!
Csilla Kenessey Landös
Einleitung
Beginnen wir mit der guten Nachricht
Entwicklung findet statt – ob wir das wollen oder nicht. Mir ist seit Längerem kein erwachsener Mensch mehr aufgefallen, der sich an der Kasse auf den Boden wirft, weil er keinen Kaugummi gekauft bekommt. Also: Wir alle haben bereits viel gelernt und lernen und entwickeln uns von Tag zu Tag weiter. Dies gilt auch für unsere Kinder. Das ist eine gute Nachricht, bedeutet jedoch auch, dass Sie sich tagtäglich auf die Expedition begeben müssen, Ihr Kind neu kennenzulernen!
Nun wissen wir also, dass Entwicklung kontinuierlich stattfindet. Weshalb zeigen wir uns dann immer wieder ungeduldig und verständnislos? Weil wir meinen, dieser und jener Schritt sollten bereits möglich sein. Aber, ganz nach dem Motto »Nur, weil ich am Gras ziehe, wächst es nicht schneller« gilt es, das individuelle Tempo des Kindes anzuerkennen. Wie gelingt uns das? Indem wir beobachten. Wir überlegen uns, was der nächste Entwicklungsschritt ist, den das Kind bewältigen muss, und wie wir es darin unterstützen können. Wichtig ist zu wissen: Gewisse Entwicklungsschritte erfordern, dass wir die eigene Komfortzone verlassen. Das bedeutet weiter, dass gewisse Erfahrungen nicht ohne Verletzungen stattfinden werden. Mit dem Blick auf das Kind gilt es also zu beachten, wie es einen konstruktiven Umgang mit Verletzungen erlernen kann.
Jeder Mensch, der ausreichend gestärkt ist und sich nicht so leicht in der Persönlichkeit bedroht fühlt, kann lernen, mit emotionalen Verletzungen umzugehen.
Misslungene Lösungsversuche
Haben Sie mehrfach, das heißt öfters als dreimal, eine Intervention versucht und das gewünschte Ziel nicht erreicht, so können Sie diese »Lösung« fallenlassen und die Energien, die Sie da reingesteckt haben, bei sich behalten. Nichts zu tun wirkt manchmal Wunder!
Notieren Sie sich, welche Verhaltensweisen Ihrerseits nicht zum erwünschten Ziel geführt haben, und nehmen Sie sich vor, auf dieses spezifische Verhalten zu verzichten. Sie würden lediglich das Misslingen zementieren, was für keinen der Beteiligten eine lösungsorientierte Strategie darstellt.
Im Idealfall gelingt es Ihnen, Ihren Einsatz positiv anzuerkennen und das »Scheitern« lediglich als eine Lektion aufzufassen – eine Lektion, die Sie lehrt, in dieser Situation nicht mehr so zu reagieren. Dies ist eine wertvolle Erfahrung.
Manchmal ist Nichtstun und Abwarten genau das Richtige!
Zum Umgang mit diesem Arbeitsbuch
Erfolge stellen sich oft leichter ein, wenn man sie nach einem gewissen Plan verfolgt. Die 16 Kapitel dieses Buches werden Ihnen zu jeweils einem Thema allgemeines Fachwissen kurz und prägnant vermitteln. Diese Inhalte sollen Sie anregen, sich anschließend eigene Gedanken dazu zu machen, die Sie jeweils in dem Abschnitt »Weiterführende Gedanken und Beobachtungen« eintragen können.
Es ist sinnvoll, sich während einer Woche nur mit einem Thema zu beschäftigen, damit die Erkenntnisse aus einem Kapitel nicht sofort wieder mit Neuem überschrieben werden. Deshalb ist jedes Kapitel einer Woche zugeordnet und mit jeweils 7 Tagebuchseiten für Ihre Notizen versehen.
Auf den folgenden Seiten haben Sie nun die Möglichkeit, pro Kapitel die vorgegebenen Fragen für die jeweilige Woche jeden Tag kurz zu beantworten. Das Ziel dieser Fragen ist, Sie in Ihrem eigenen Bewusstwerden zu unterstützen und zu begleiten. Wahrscheinlich werden Sie über die Wochen hinweg Zusammenhänge entdecken, die Ihnen bis jetzt noch nicht so klar waren. Und je mehr Klarheit Sie mit sich erleben, desto klarer können Sie Ihre eigenen Grenzen setzen – und somit sich selbst ernst nehmen.
»Es gibt zwei Tage im Leben, an welchen Du nichts ändern kannst: gestern und morgen.«
Dalai Lama
1. Woche
GANZ AM ANFANG
Wenn wir den Homo sapiens als Tier betrachten – und ich erlaube mir hier diesen Vergleich –, so kommen unsere Kinder gut zwei Jahre zu früh auf die Welt. In der Tierwelt muss ein Neugeborenes nach wenigen Minuten aufstehen und mit der Herde mitziehen können. Wir hingegen müssen unsere neugeborenen »Babys« pflegen, wärmen, ernähren und behüten. Wir müssen ihnen ein Umfeld schaffen, das dem jeweiligen Entwicklungsstand gerecht wird und genug Herausforderung ohne Überforderung bietet. Wir müssen uns darum kümmern, dass unser Baby sich in den ersten drei Jahren gesund entwickelt, damit es anschließend in seinem Tempo mit der »Herde«, also der Familie, mithalten kann.
Die Welt des Neugeborenen
Luis Angel Diaz schreibt in seinem Buch Das intelligente Bewusstsein der Zellen1 sehr treffend:
»Die ursprüngliche Ausstrahlung des Babys (…) ist formbar wie Ton, bevor er gebrannt wird. Das Kleinkind passt sich an jeden äußeren Stimulus an, beispielsweise an die Erlebnisse mit der Familie oder mit Menschen aus seiner Umgebung. Alles beginnt im Mutterleib. Es gibt keine innigere Beziehung als die mit der Mutter, bevor wir auf die Welt kommen. Wir haben uns in den neun Monaten aufgehoben und beschützt gefühlt – besonders, wenn wir ein Wunschkind waren. (…)
Der Fötus spürt und erlebt alles, was die Mutter erlebt. Wie könnte es auch anders sein, befindet er sich doch in ihrem Energiefeld. Es ist tatsächlich so, dass in dieser primären und entscheidenden Phase des Lernens die emotionalen Muster und Verhaltensweisen zugrunde gelegt werden, die der heranwachsende Fötus in seinem späteren Leben entwickeln wird. (…)
Pränatale Psychologen betonen, dass der ›Schwerpunkt‹ der Persönlichkeit im Mutterleib geformt wird. Nicht nur das, was die Mutter einatmet, isst oder trinkt, sondern auch ihre Gedanken und Emotionen werden vom Baby im Mutterleib aufgenommen. (…)
Überall wird das Baby unweigerlich mit der Erfahrung der Trennung konfrontiert. (…)
Eigentlich versuchen wir unbewusst, unser vorgeburtliches Erlebnis bedingungsloser Liebe und Freude später wieder zu aktivieren, etwas, das uns allein schon aufgrund der Tatsache zusteht, dass wir auf die Welt gekommen sind« (S. 41 ff.).
Ist es möglich, dass Sie als Mutter/als Vater diese Erfahrung der bedingungslosen Liebe mit Ihrem Kind aufbauen und dadurch wieder erleben wollen?
Die Realität des Kindes
In seinem Buch Der Neurochirurg, der sein Herz vergessen hatte2 schreibt James Doty:
»Jeder von uns entscheidet, was wir im