Johannes Cassianus

Sieben Bücher über die Menschwerdung Christi


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voll Thränen, Bekenntniß und Jammer geschrieben, damit nemlich, wo früher seine Verirrung offenkundig war, jetzt auch seine Besserung bekannt würde und Ebendieselben, welche vorher Zeugen seines Irrthums gewesen waren, jetzt auch Zeugen seiner Änderung wären.

       5. Er bestätigt nach dem Beispiele des Leporius, daß eine öffentliche Sünde durch ein öffentliches Bekenntniß getilgt werden müsse, und zeigt zugleich aus dessen Darstellung, wie man von der Menschwerdung des Wortes denken müsse .

      

      Aus seinem Bekenntnisse oder vielmehr aus seiner thränenvollen Klage haben wir geglaubt, Einiges einreihen zu sollen, aus dem doppelten Grunde: daß die Besserung Jener sowohl uns zum Zeugniß als auch Denen, welche wanken, zum Beispiele sei, und daß keine Scham sie abhalte, die Besserung Derjenigen nachzuahmen, deren Irrthum zu folgen sie sich nicht schämten. Mögen sie so, wie sie an gleicher Krankheit litten, auch durch das gleiche Mittel geheilt werden. Nachdem also Jener die Verkehrtheit seiner Meinung erkannt und das Licht des Glaubens gesehen hatte, begann er in seinem Schreiben an die gallischen Bischöfe so: „Was ich, o meine verehrungswürdigen Herren und gottseligsten Priester, bei mir zuerst anklagen soll, weiß ich nicht, und was ich an mir zuerst entschuldigen soll, finde ich nicht. So hat Unerfahrenheit und Hochmuth, so thörichte Einfalt und schädliche Sicherheit, Eifer ohne Mäßigung, so hat, um mich wahrer auszudrücken, ein schwacher Glaube, der sich selbst verminderte, ja so hat all Das, was ich zugleich in mich aufnahm, in mir gelebt, daß es ebenso Verwirrung war, so Vielem und Mächtigem zugleich zu gehorchen, als es für mich ein wunderbares Glück ist, daß Solches aus dem Gemüthe wieder weichen konnte.“ Bald nach Diesem fügt er bei: „Wenn wir also diese Macht Gottes durchaus nicht erfassen, und wenn wir, gleich als scheine sonst Gott auf zu Niedriges einzuwirken, nach der Weisheit unseres Sinnes und Verstandes den Menschen so mit Gott geboren sein lassen, daß wir getrennt Das, was Gottes ist, nur Gott zuschreiben und Das, was dem Menschen gehört, nur diesem zurechnen, so führen wir offenbar in der Trinität eine vierte Person ein und beginnen, aus dem einen Gott-Sohn nicht einen, sondern zwei Christus zu machen, was Christus selbst, unser Herr und Gott, fern von uns halten möge. So bekennen wir also, daß unser Herr und Gott Christus Jesus, der einzige Sohn Gottes, der für sich geboren wurde vor der Zeit aus dem Vater, für uns in der Zeit vom hl. Geiste aus Maria der immerwährenden Jungfrau Mensch geworden und als Gott geboren sei. Indem wir so beide Naturen, die des Fleisches und des Wortes bekennen, nehmen wir immer mit frommer Glaubenstreue einen und denselben unzertrennlichen Gott und Menschen an und sagen, daß von der Zeit der Menschwerdung an Alles, was dem Gotte eigenthümlich war, so auf den Menschen übergegangen sei, daß Alles, was zum Menschen gehörte, auf Gott kam. Es ist also das Wort Fleisch geworden nicht in dem Sinne, daß es durch irgend eine Veränderung oder Wandelbarkeit angefangen hätte zu sein, was es nicht war, sondern daß durch die Kraft der göttlichen Anordnung das Wort des Vaters, ohne ihn je zu verlassen, sich würdigte, wahrhaft Mensch zu werden, und der Eingeborene Fleisch wurde nach jenem verborgenen Geheimnisse, das nur er kennt; denn uns gehört das Glauben, ihm das Wissen. Und so ist nun Gott, das Wort, indem es Alles annahm, was des Menschen ist, Mensch, und der angenommene Mensch kann, da er alles erhielt, was Gottes ist, nichts Anderes sein als Gott. Aber deßhalb, weil er fleischgeworden und vermischt12 genannt wird, darf man keine Verringerung seines Wesens annehmen; denn Gott weiß, ohne Abbruch zu leiden, sich zu vermischen und dennoch in Wahrheit vermischt zu werden; er weiß, Etwas so anzunehmen, daß ihm dadurch keine Vermehrung zuwächst, wie er auch sich selbst ganz so einzugießen weiß, daß kein Verlust eintritt. Wir wollen also nicht nach unserm schwachen Verstande den sichtbaren Erfahrungsbeweisen gemäß unsern Schluß machen, wie über gleiche, sich gegenseitig vereinigende Geschöpfe, und nicht glauben, daß Gott und Mensch so verbunden wären und durch einen solchen Zusammenguß des Fleisches und Wortes irgend ein Körper geworden seien. Ferne sei von uns ein solcher Glaube, daß wir meinen, die zwei Naturen seien durch eine Art Verschmelzung zu einer Wesenheit geworden; denn eine solche Vermischung wäre ein Abbruch für beide Theile. Denn Gott, der erfassend, aber nicht umfaßbar ist, durchdringend, aber nicht durchdringlich, erfüllend, nicht erfüllbar, der überall zugleich ganz ist und überallhin verbreitet, hat sich in seiner Macht durch Eingießung barmherzig mit der menschlichen Natur vermischt.“ Etwas später heißt es: „Es wird also recht eigentlich für uns aus dem hl. Geiste und Maria der immerwährenden Jungfrau geboren der Gottmensch Christus Jesus, der Sohn Gottes. Und so werde Wort und Fleisch gegenseitig Eins, daß sie, während jede Substanz in ihrer natürlichen Vollkommenheit bleibt, ohne Nachtheil für sich der Menschheit das Göttliche mittheilen und der Gottheit das Menschliche. Nicht ist also der Eine Gott, und ein Anderer der Mensch, sondern Ebenderselbe ist Gott, der auch Mensch ist; und andererseits ist derjenige Mensch, der auch Gott genannt wird und wirklich ist, Jesus Christus der einzige Sohn Gottes. Deßhalb müssen wir voll Glauben immer darauf sehen, daß wir nicht läugnen, unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, der wahre Gott, der nach unserm Bekenntniß immer mit dem Vater und dem Vater gleich war vor aller Zeit, sei von dem Augenblicke der Fleischannahme an Gottmensch geworden. Auch dürfen wir nicht glauben, daß er wie durch Stufen und Zeitabschnitte zum Gotte geworden sei und einen andern Stand vor der Auferstehung gehabt habe, einen andern nachher, sondern immer dieselbe Fülle und Kraft.“ Ebenso heißt es bald darauf: „Aber weil das göttliche Wort durch gnädige Annahme der Menschennatur zum Menschen herabstieg und durch die Aufnahme Gottes der Mensch zum Worte emporstieg, so ist der ganze Gott-Wort ein ganzer Mensch geworden. Nicht Gott Vater nemlich ist Mensch geworden und nicht der hl. Geist, sondern der Eingeborene des Vaters und deßhalb ist eine Person des Fleisches und Wortes anzunehmen, so daß wir treu ohne jeden Zweifel glauben, ein- und derselbe Sohn Gottes, immer untheilbar, der auch in den Tagen seines Fleisches „der Riese von zwei Naturen“ genannt wurde,13 habe wahrhaft immer Alles gethan, was zum Menschen gehört, und wahrhaft immer besessen, was Gottes ist. So wurde er auch gekreuzigt gemäß seiner Schwäche und lebt durch die Kraft Gottes.“

       6. Die übereinstimmende Lehre der Katholiken ist als der rechte Glaube anzunehmen .

      

      Dieses sein Bekenntniß nun, also den Glauben aller Katholiken haben denn auch alle Bischöfe Afrikas, von wo aus er schrieb, und alle Bischöfe Galliens, an welche er schrieb, gebilligt. Und überhaupt gab es noch Keinen, welchem dieser Glaube mißfiel, ohne daß er sich gegen die Gläubigkeit versündigt hätte, da es doch wohl offen gestandene Gottlosigkeit ist, die bewährte Gottesverehrung zu verwerfen. Es müßte nun eigentlich zur Widerlegung der Häresie schon die allgemeine Übereinstimmung hinreichen, weil ja das Ansehen Aller die Wahrheit unzweifelhaft macht und ein vollkommener Beweisgrund da ist, wo Niemand widerspricht, so daß, wenn Jemand anders zu meinen sucht, gleich im ersten Augenblick nicht seine Behauptung zu hören, sondern seine Verkehrtheit zu verwerfen ist, weil Derjenige schon im Voraus das Urtheil der Verdammung mit sich bringt, welcher die allgemeine Entscheidung angreift, und der kein Recht auf Gehör besitzt, welcher das von Allen Bestimmte zerstört. Denn wenn einmal die Wahrheit von Allen bekräftigt ist, so muß, was immer dagegen andringt, gerade deßhalb sogleich als falsch erkannt werden, weil es (jener) Wahrheit widerspricht. Und so gehört es sich also, daß für einen Solchen zum Urtheil der Verwerfung schon allein hinreiche, von der Entscheidung der Wahrheit abgewichen zu sein. Weil aber eine vernünftige Besprechung ja nicht gegen die Vernunft ist und immer eine hin- und hergeschwungene Wahrheit mehr glänzt; weil es ferner besser ist, wenn Irrende durch heilsame Unterredung gebessert, als wenn sie durch strenge Verurtheilung gestraft werden; so müssen wir, so viel an uns liegt, mit Gottes Hilfe die alte Häresie an den neuen Häretikern heilen, damit sie durch heilige Barmherzigkeit die Gesundheit erlangen und so lieber das Heilmittel ein Zeugniß für den heiligen Glauben ablege, als die Verurtheilung ein Beispiel gerechter Strenge. Möge nur die Wahrheit selbst der Unterredung und Darlegung, welche über sie unternommen wird, beistehen und dem menschlichen Irrthum mit jener Liebe helfen, in welcher Gott sich herabließ, zu den Menschen zu kommen, der ja ganz besonders dazu auf Erden und in Menschennatur geboren werden wollte, damit das Irrige fortan keinen Platz mehr habe.

      Zweites Buch