A. F. Morland

Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane


Скачать книгу

dass du hier in München viermal rechts abbiegen musst, sind wir wieder zu Hause, das finde ich albern.“

      Nun gab Walter lächelnd zu, dass er das Ziel sehr wohl kannte, es ihr aber nicht verraten würde.

      „Worauf soll ich mich denn dann freuen?“, fragte Yvonne.

      Walter zuckte die Schultern. „Einfach auf zwei wunderschöne Tage mit mir.“ Sie fuhren nach Trier und wohnten in einem Hotel direkt an der Mosel, machten einen Bummel durch die Stadt und

      besichtigten deren Wahrzeichen, ein imposantes altes Bauwerk aus der Römerzeit, die Porta Nigra.

      Selbstverständlich tranken sie golden funkelnden und köstlich schmeckenden Moselwein, und später liebten sie sich dann mit glühender Leidenschaft bis weit nach Mitternacht, immer und immer wieder.

      Sie konnten einfach nicht genug voneinander bekommen. Es war himmlisch, in Walters Armen zu liegen und sich völlig zu vergessen. Walter machte Yvonne so glücklich, dass sie weinte.

      „Tränen?“, fragte er überrascht.

      „Lass mich“, flüsterte Yvonne. „Ich bin dumm.“

      „Du bist nicht dumm“, widersprach Walter.

      „Aber natürlich bin ich es.“

      Walter küsste ihre Nasenspitze. Sein Herz schlug noch immer schneller als normalerweise. „Ich könnte keine dumme Frau lieben.“

      Yvonne kicherte. „Was ist denn das für eine seltsame Logik?“

      „Außerdem bist du Ärztin, eine sehr gute sogar.“

      „Die weint, wenn sie glücklich ist – und das ist eben dumm“, untermauerte Yvonne ihre Behauptung.

      Er küsste ihren Hals. Ein angenehmes Prickeln durchlief sie. „Wie gefällt dir Trier?“

      „Eine Stadt, die man gesehen haben muss.“

      „Bist du mit meiner Routenwahl zufrieden?“, erkundigte sich Walter.

      „Absolut. Und wie geht es morgen weiter? Fahren wir nach Luxemburg?“

      „Nein“, antwortete Walter.

      „Frankreich?“, fragte Yvonne.

      „Auch nicht.“

      Sie gab noch nicht auf. „Holland?“, fragte sie.

      Walter schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Wir bleiben im wunderschönen Deutschland. Mehr wird nicht verraten.“ Er gab ihr einen langen, innigen Kuss. „Gute Nacht, Liebes.“

      „Gute Nacht, Liebster.“

      Er drehte sich auf den Rücken. Es war dunkel und still im Raum.

      „Walter.“

      „Ja, Yvonne?“

      „Ich habe Angst“, flüsterte Yvonne.

      Er drehte sich wieder zu ihr. „Angst wovor?“

      „Ich bin so unbeschreiblich glücklich mit dir.“

      „Und wovor fürchtest du dich?“, wollte Walter wissen.

      „Dass dieses Glück eines Tages zerplatzt wie eine Seifenblase“, sagte sie gepresst.

      Er griff nach ihrer Hand und drückte sie fest. „Das wird es nicht. Du weißt doch, wie sehr ich dich liebe.“

      „Manchmal beschert das Leben den Menschen sehr hässliche Dinge – vor allem dann, wenn sie am Gipfel des Glücks stehen –, als mache es ihm Freude, die Glücklichsten unter ihnen fallen zu sehen.“

      Walter lachte leise. „He, hat die Porta Nigra auf dich abgefärbt?“

      „Wieso?“, fragte sie verwirrt.

      „Weil du so grauenvoll schwarzsiehst.“

      16

      An diesem Abend war es für Dr. Kayser sehr spät geworden. Ein Anruf hatte ihn in der Praxis erreicht. Ja, er war am Samstagabend in seiner Praxis gewesen, weil Solveig Abel ihn versetzt hatte.

      „Ein Bus voller Touristen aus Japan hat sich kurzfristig bei uns angemeldet“, hatte sie ihm am Telefon bedauernd erklärt. „In dem Hotel, das ursprünglich für sie vorgesehen gewesen war, hat es kürzlich gebrannt, und die Reparaturarbeiten sind nicht rechtzeitig fertig geworden. Ich weiß noch nicht, wie wir die vielen Leute unterbringen sollen, aber irgendwie wird es schon gehen. Es muss einfach gehen. Es tut mir unendlich leid, dass wir uns nicht sehen können, Sven ...“

      „Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen.“

      „Ach, mir raucht bereits der Kopf“, hatte Solveig gestöhnt.

      „Nimm ein paar Tropfen Baldrian und dreh nicht durch, mein Schatz“, hatte Dr. Kayser seiner Liebsten empfohlen.

      „Wie wirst du den Abend nun verbringen?“

      „Es gibt so vieles in der Praxis aufzuarbeiten ...“

      „Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, Sven.“

      „Brauchst du nicht zu haben“, hatte der Grünwalder Arzt erwidert. „Wir sehen uns eben, wenn die Japaner wieder weg sind. Sie haben wohl kaum vor, sich fix bei dir einzunisten und bei der Regierung um Asyl anzusuchen.“

      „Nein, morgen fahren sie nach Österreich weiter.“

      „Na also, dann verschieben wir unser Rendezvous eben auf morgen.“

      „Du bist der liebste, netteste und verständnisvollste Mann, den ich kenne.“

      Sven hatte gelacht. „Deshalb bist du auch so rasend in mich verliebt.“

      „O ja, das bin ich, das bin ich wirklich.“

      „Viel Spaß mit den Japanern. Sayonara“, hatte Sven schmunzelnd gesagt und aufgelegt. Dann hatte er sich von der Wohnung in die Praxis begeben, sich an seinen Schreibtisch gesetzt und mit den Aufräumarbeiten begonnen, die auch einmal erledigt werden mussten.

      Irgendwann hatte ihn dann dieser Anruf erreicht. „Herr Doktor!“ Eine schrille Frauenstimme. „Dem Himmel sei Dank, dass ich Sie erreiche ...“

      „Frau Kramreiter?“, hatte Dr. Kayser auf gut Glück gefragt.

      „Ja“, hatte Herta Kramreiter aufgeregt gesagt. „Können Sie sofort kommen?“

      „Was ist passiert?“

      „Mein Mann, mein Albert ... Er hat auf einmal so furchtbare Schmerzen ... Er sagt, erhält das nicht aus!“

      „Was hat er zu Abend gegessen?“, hatte Sven Kayser wissen wollen.

      „Reibekuchen mit Apfelmus.“

      „Wo hat er die Schmerzen? In der Brust?“, hatte sich der Grünwalder Arzt erkundigt.

      „Nein, im Unterleib. Albert geht die Wände hoch, Herr Doktor, bitte, kommen Sie ganz schnell.“

      „Bin schon unterwegs, Frau Kramreiter.“ Sven hatte seine Bereitschaftstasche geholt und das Haus verlassen.

      Albert