Fridtjof Nansen

In Nacht und Eis


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hatte.

      Am 25. August vermerkte ich in meinem Tagebuch, dass wir am Nachmittag sieben Inseln (später Scott-Hansen-Inseln benannt) sichteten, hohe, felsige Inseln mit steilen Abhängen, sogar mit kleinen Gletschern und Schneefeldern. Die Felsen zeigten deutliche Spuren der Erosion durch Eis und Schnee.

      Am Morgen des 26. August fuhren wir an einer Inselgruppe vorüber, und zwischen den Klippen sah ich zwei andere, die ich nach dem berühmten englischen Admiral und Präsidenten der Royal Geographical Society Clements-Markham-Inseln nannte. Dann Land oder Inseln weiter nach Norden, die Ringnes-Inseln, nach dem Mitglied des Expeditionskomitees so genannt; noch mehr waren in Nordosten zu sehen. Um 5 Uhr nachmittags wendeten wir vor zwei großen Inseln, zwischen denen wir Untiefen vermuteten. Die Inseln waren abgerundet wie die früheren, aber ziemlich hoch; ich nannte sie nach dem verdienten norwegischen Meteorologen Mohn-Inseln.

      Ich glaube, dies zeigt genügend, von welcher Art diese Küste ist. Ihre Felseninseln kann man freilich nicht mit den norwegischen Schären vergleichen, sie sind aber schwerlich an anderen als gletscherbedeckten Küsten zu finden und sie bestärken mich in der Ansicht, dass auch an diesem Teil der Erde die Eiszeit geherrscht hat.

      Nachdem wir eine Menge neuer Inseln und Holme passiert hatten, kamen wir am 29. August an der Taimyr-Insel entlang in offenes Fahrwasser und dampften bei stillem Wetter durch den Sund in nordöstlicher Richtung. Um 6 Uhr nachmittags sah ich von der Tonne aus vor uns festes Eis. Es hielt uns auf und erstreckte sich bis zu den Inseln draußen. Auf dem Eis lagen allerorten bärtige Seehunde (Phoca barbata) und außerdem ein Walross. Wir hielten auf die Eiskante zu, um zu vertäuen; aber die »Fram« hatte »Totwasser« (Dødvand) und wollte fast nicht vom Fleck, obwohl die Maschine mit voller Kraft arbeitete. Es ging so langsam, dass ich im Boot vorausruderte, um Seehunde zu schießen. Mittlerweile glitt die »Fram« nur langsam bis zur Eiskante.

      Weiter kamen wir im Augenblick nicht. Freilich trennten uns nur ein paar Meilen festes Eis von dem wahrscheinlich offenen Taimyr-Meer, aber dieses Eis zu durchbrechen war unmöglich, es war zu stark und Öffnungen fanden sich nirgends.

      Hier, wo Nordenskiöld auf seiner berühmten Fahrt am 18. August 1878 durchgekommen war, ohne die geringsten Hindernisse anzutreffen, hier sollten unsere Hoffnungen vielleicht schon scheitern, wenigstens für dieses Jahr? Dass das Eis jetzt noch schmolz, ehe der Winter hereinbrach, war undenkbar. Das Einzige, was uns retten konnte, war ein tüchtiger Südweststurm. Eine geringe Hoffnung setzte ich noch darauf, dass Nordenskiölds Taimyr-Sund weiter im Süden offen war und wir die »Fram« dort hindurchzwängten, obschon Nordenskiöld ausdrücklich bemerkt: »Der Sund war zu seicht, um ihn mit größeren Fahrzeugen zu passieren.«

      Der östliche Teil der Taimyr-Halbinsel ist ein verhältnismäßig hohes, gebirgiges Land, aber mit einem niedrigen, ebenen Streifen zwischen den Bergen und der See. Am 14. September stand die »Fram« nahe an der Küste zwischen dem Chatanga- und dem Anabara-Fluss.

      Am 15. September kamen wir in gutes offenes, aber seichtes Wasser von 12–13 Meter Tiefe. Wir hörten im Osten das Getöse der Wogen; in dieser Richtung musste also offenes Wasser sein. Offenbar wirkte hier schon der Lena-Strom mit seiner mächtigen Masse warmen Wassers. Die See war bräunlich und augenscheinlich mit schlammigem Flusswasser vermischt; auch der Salzgehalt war gering.

      Das Eis gibt mir hier ziemlich viel zu raten auf. Wie in aller Welt geht es zu, dass es nicht durch die Strömung, die von dieser Küste nach Norden geht, nordwärts getrieben wird? Das Eis ist so hart und dick und sieht aus, als sei es mehrere Jahre alt. Kommt es von Osten her oder treibt es sich hier rundherum in der See zwischen der nordwärts gehenden Strömung der Lena und der Taimyr-Halbinsel? Ich kann es noch nicht sagen, jedenfalls unterscheidet sich dieses Eis von dem dünnen, einjährigen Eis, das wir bis jetzt im Karischen Meer und westlich von Kap Tscheljuskin gesehen haben.

      Sonnabend, 16. September. Wir halten nach dem Kompass einen nordöstlichen Kurs durch offenes Wasser ein und sind ziemlich weit nach Norden gekommen, sehen aber kein Eis. Der Himmel ist nach Norden hin dunkel. Es ist verhältnismäßig warm, fast +2°C. Wir haben die Strömung gegen uns.

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      Am nächsten Tag trafen wir Eis an und hielten etwas südlich, um davon freizukommen. Ich fürchtete schon, dass wir nicht so weit gelangten, wie ich gehofft hatte. Aber in meinen Aufzeichnungen für den 18. September steht:

      »Ein herrlicher Tag. Richteten den Kurs nordwärts, westlich von der Bjelkoff-Insel. Offene See, schöner Wind aus Westen, guter Fortgang, Wetter klar. Nachmittags etwas Sonnenschein.«

      »Nun kommt der entscheidende Augenblick. Um 12 Uhr 15 Minuten nehmen wir den Kurs missweisend Nord zu Ost. Jetzt muss sich zeigen, ob meine Theorie, auf der die ganze Expedition beruht, richtig ist: ob wir nördlich von hier eine nach Norden gerichtete Strömung finden!

      Bis jetzt ist alles besser gegangen, als ich erwartet habe. Wir stehen auf 75°30’ n.Br. und haben im Norden und Westen noch offenes Wasser und dunklen Himmel.

      Abends wurde voraus und über dem Steuerbordbug am Himmel der Widerschein von Eis sichtbar. Gegen 7 Uhr glaubte ich Eis zu sehen, das jedoch in so regelmäßigen Linien aufstieg, dass es mehr Ähnlichkeit mit Land hatte; es war aber zu dunkel, um genau zu unterscheiden. Es konnte die Bjelkoff-Insel sein, und ein großer, heller Fleck weiter nach Osten wäre dann der Widerschein der schneebedeckten Kotelnyj-Insel gewesen.

      Gern wäre ich hier angelaufen, einmal, um etwas von dieser interessanten Insel zu sehen, zum andern, um den Proviant zu untersuchen, der, wie wir wussten, von Baron von Toll dort für uns niedergelegt war. Aber die Zeit war kostbar und nach Norden hin schien die See offen vor uns zu liegen. Die Aussichten waren glänzend und wir segelten stetig nach Norden, neugierig, was der nächste Tag uns bringen würde, Enttäuschung oder Hoffnung. Wenn alles gut ging, würden wir Sannikoff-Land erreichen, ein Gebiet, das noch kein Mensch betreten hatte.

      Es war ein seltsames Gefühl, so in dunkler Nacht nach unbekannten Ländern zu fahren, über ein offenes, wogendes Meer, das noch kein Schiff, kein Boot getragen. Wir glaubten in Gewässern Hunderte von Meilen südlicher zu schwimmen, so mild war es.«

      Dienstag, 19. September. Noch nie habe ich eine so herrliche Segelfahrt gemacht. Weiter geht es nach Norden, stetig nach Norden mit gutem Wind, so schnell Dampf und Segel uns führen, und auf offener See, Meile auf Meile, Wache um Wache durch diese unbekannten Gebiete. Fast könnte man sagen: Es wird freier und immer freier von Eis! Wie lange wird dies dauern? Immer, wenn man auf der Brücke auf und ab schreitet, wendet sich das Auge nach Norden, blickt es in die Zukunft. Und voraus ist stets derselbe dunkle Himmel, der offenes Wasser anzeigt.

      Mein Plan bestand die Probe. Seit dem 6. September war uns das Glück zur Seite. Wir sahen »nichts als reines Wasser«, wie Hendriksen mir jedes Mal aus der Tonne antwortete, wenn ich ihn anrief. Als er später am Ruder stand und ich auf der Brücke, sagte er plötzlich: »Zu Haus in Norwegen glauben sie jetzt kaum, dass wir in freiem Wasser gerade auf den Pol lossegeln!«

      Und ich würde es selbst nicht geglaubt haben, wenn mir jemand das noch vor vierzehn Tagen gesagt hätte. Alle meine Erwägungen über die Frage des offenen Sibirischen Meeres wurden bestätigt und das machte mich glücklich; denn nur selten erweisen sich die Eingebungen der Menschen als so richtig.

      Nach keiner Richtung hin stand der Widerschein von Eis am Himmel, nicht einmal jetzt am Abend! Wir sahen den Tag über kein Land, aber wir hatten den ganzen Vormittag Nebel und dickes Wetter, sodass wir mit halber Kraft fuhren, weil wir irgendwo aufzustoßen fürchteten. Wir waren jetzt beinahe auf 77° n.Br. Wie lange wird das so weitergehen? Ich würde mich freuen, wenn wir 78° erreichten; allein Sverdrup ist weniger leicht befriedigt, er sagt: über 80°, vielleicht 84° oder 85°. Er spricht sogar ernsthaft von dem offenen Polarmeer, von dem er einmal gelesen hat, und kommt immer wieder darauf zurück, obwohl ich ihn auslache.

      Fast muss ich mich fragen, ob ich nicht träume. Man muss gegen den Strom gekämpft haben, um zu wissen, was es bedeutet, mit dem Strom zu fahren.

      Lebendiges ist hier kaum zu sehen. Heute beobachtete ich in der Ferne einen Alk und später eine Seemöwe. Als