hinzunehmen. Denn unverhoffte Ereignisse, Moskitos, Begegnungen mit Tieren, Pannen – alles das macht doch das aus, was diese Reise vom gemütlichen Sitzen auf der Couch im heimischen Wohnzimmer unterscheidet und sie zum unvergesslichen Abenteuer werden lässt.
Es passiert alles in seinem Kopf. Er ist derjenige, der seine Reise zum Erlebnis oder zum Desaster werden lässt. Perfektion blockiert unsere positive Empfindungskraft. Er kann die Reise noch so gut organisiert und alle Eventualitäten berücksichtigt haben: Es werden Situationen auftreten, die seine perfekte Planung zu Makulatur werden lassen. Es müssen keine großen Geschehnisse sein, es reichen Kleinigkeiten, die ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Und schon sind sie da – die Unzufriedenheit, der Frust, die Selbstzweifel: »Warum habe ich das nicht berücksichtigt, wie konnte ich das nur übersehen, wieso bin ich nicht vorher darauf gekommen?« Die Fesseln des Perfektionismus ziehen sich immer fester und enger um ihn zusammen.
Eine gute Vorbereitung, eine durchdachte Planung und eine realistische Einschätzung möglicher Probleme und Risiken sind nicht gleichbedeutend mit Perfektionismus; diese Dinge sind bei einer solchen Reise mehr als angebracht. Sich Gedanken zu machen, welche Impfungen notwendig sind, welche Orte besucht werden sollten, was man gern erleben will, sich ein möglichst klares Bild von den Erlebnissen zu machen, die man sich erhofft – all dies ist mehr als sinnvoll. Mithilfe der Planung und Organisation der Reise eine beglückende Vorfreude zu durchleben, ist durchaus erstrebenswert. Wir wissen aus der positiven Glücksforschung, dass allein schon durch die Gedanken an unerwartet schöne Momente das so wichtige Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Dies sorgt für ein kurzes, aber explosionsartiges Glücksgefühl. Wir erfahren also schon durch die Gedanken an die schönen Situationen wahrhaftiges Glück. Auf diese Weise macht uns die Reise gleich mehrfach glücklich. Dies funktioniert jedoch nur dann, wenn wir den Blick vor allem auf die schönen Aussichten und Möglichkeiten richten und es vermeiden, dass durch übermäßiges Perfektionsstreben nur die negativen Aspekte Einzug in unsere Gedanken halten.
Perfekte Lösungen ohne Perfektion
Als ich vor einigen Jahren im Bereich Softwarevertrieb tätig war, wurde in einer Firma eine Schnittstelle zu einer Internetplattform benötigt. Der Kunde hatte auf der Plattform Daten erfasst, und diese Daten sollten automatisiert in unsere Software übernommen werden, damit diese nicht doppelt erfasst werden müssen. Eine solche Schnittstelle existierte bisher nicht, jede Eingabe musste mühselig in der Verwaltung erneut eingegeben werden. Auch Wettbewerber hatten diese Funktion nicht im Angebot. Aus dem Vertrieb habe ich diese Anforderung an die Entwicklung weitergegeben und um Einschätzung einer Umsetzung gebeten. Die Entwicklungsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass es zwei Möglichkeiten zur Lösung gab. Die erste Lösung stellte eine recht einfache dar, die überdies schnell und kostengünstig umgesetzt werden konnte, ein einfaches Bildschirmauslesen. Sie wies allerdings den Nachteil auf, dass die Datenqualität nicht perfekt war. Es konnten nur nahezu alle Daten übertragen werden, jedoch eben nicht alle. Der Kunde musste Kleinigkeiten nacharbeiten.
Die zweite Lösung war um ein Vielfaches aufwendiger. Es handelte sich um eine offizielle Schnittstelle, die durch den Anbieter der Internetplattform zur Verfügung gestellt wurde. Mit dieser konnten die Daten als Datei an uns übermittelt werden. Diese Lösung war in der Umsetzung deutlich schwieriger, denn es waren umfangreiche Abstimmungen und Gespräche erforderlich. Dieser Weg hatte den Vorteil, dass die Datenqualität hervorragend war. Der Anwender musste fast nichts mehr ändern oder korrigieren, sodass dies für den Kunden die bequemere Variante darstellte.
Ich fasse zusammen: Die erste Variante wäre sehr schnell umsetzbar gewesen. Die zweite benötigte ein Vielfaches an Zeit. Die Entwicklungsabteilung war der Meinung, dass man es »richtig« machen müsse. Der Kunde entschied sich somit für die zweite Variante, für die perfektere. Die Entwicklung der Schnittstelle wurde fest eingeplant. Aufgrund des Aufwandes wurde die Entwicklung allerdings immer wieder verschoben, andere Dinge wurden vorgezogen. Das führte dazu, dass die Übernahme nach fast zwei Jahren immer noch nicht möglich war. Darum konnten nicht genügend neue Kunden gewonnen werden. Bestehende Kunden waren unzufrieden und sprangen ab.
Hätte sich der Kunde für den einfacheren Weg entschieden, wäre zwar die Qualität der Datenlieferung nicht so perfekt gewesen, das Unternehmen hätte aber neue Kunden gewinnen und die bestehenden zufriedenstellen können. Für den Kunden wäre es ein großer Fortschritt gewesen, zumindest den größten Teil der Daten übernehmen zu können. Die komfortablere – und quasi perfekte – Variante hätte der Kunde immer noch zu einem späteren Zeitpunkt erstellen können. Der Mehraufwand wäre überschaubar und angesichts des zu erwarteten Mehrwerts akzeptabel gewesen. Eine Win-win-Situation wäre entstanden, wenn man bereit gewesen wäre, sich der perfekt(er)en Lösung Schritt für Schritt anzunähern.
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Perfektion besteht nicht immer in der perfekten Lösung. Zuweilen ist der nicht ganz so perfekte Weg der bessere.
Nimm dir Zeit zum Nachdenken
Die große Herausforderung im Umgang mit der Perfektion ist, herauszufinden, wo die Grenze zwischen einem zu perfektionistischen Vorgehen und einem Vorgehen verläuft, bei dem es darum geht, die Dinge ordentlich und vernünftig voranzubringen. Es handelt sich oft um eine Gratwanderung, die jedoch den Unterschied ausmacht, der darüber entscheidet, ob wir erfolgreich sind oder nicht.
Wo verläuft bei deinem nächsten wichtigen Projekt diese Grenze?
Das Pareto-Prinzip und die Perfektion
Über die sogenannte 80-20-Regel ist mittlerweile so viel geschrieben worden, dass ich es mir erspare, die Hintergründe im Detail zu erläutern. Auch ich habe bereits in anderen Büchern ausführlich darüber geschrieben. Wem das Prinzip und die Entstehungsgeschichte noch nicht genau bekannt sind, der findet die entsprechenden Erläuterungen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Paretoprinzip. Für diejenigen, die das Prinzip überhaupt noch nicht kennen, erläutere ich kurz, was damit gemeint ist. Bei dem Prinzip geht es, vereinfacht ausgedrückt, darum, dass man mit 20 Prozent des Aufwands 80 Prozent der Leistung schafft. Für die restlichen 20 Prozent benötigt man 80 Prozent der Zeit.
Wir haben also nach 20 Prozent der Zeit bereits 80 Prozent unserer Leistung erbracht. Das Prinzip verdeutlicht anschaulich, dass wir den größten Teil unserer Zeit dafür einsetzen, um an Feinheiten zu feilen, obwohl die Arbeit doch schon mit 20 Prozent des Aufwands fast erledigt ist. Darum frage ich mich:
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Wie oft eigentlich ist das 80-Prozent-Feintuning für die Erbringung der Leistung und die ordentliche Erledigung einer Aufgabe wirklich erforderlich?
Ist es immer notwendig, zu feilen, zu optimieren, zu verbessern – nur um eine weitere Steigerung von 20 Prozent zu erreichen, für die aber ein immenser Aufwand betrieben werden muss? Ist es an dieser Stelle nicht angebracht – ja, zuweilen sogar intelligenter –, den Mut zur Lücke aufzubringen? Aber stopp: Eine 20-Prozent-Lücke? Ist das nicht doch etwas viel?
Dass Perfektionismus Leistungsstärke verhindern kann, ist bereits deutlich geworden. Allerdings bin ich auch der Auffassung, dass gute Qualität und ordentliches Arbeiten Voraussetzungen für Glückserfüllung und Leistungsstärke sind. Die 80 Prozent, die wir für die Feinarbeit benötigen, sind daher nicht zu vernachlässigen, sie sind wichtiger Bestandteil unserer Aufgabe. Es ist erforderlich, unsere Aufgaben sorgfältig auszuführen und die Kraft aufzubringen, ein Vorhaben mit guter Qualität zu Ende zu führen. Zur Steigerung des Selbstbewusstseins benötigen wir eine ordentliche Leistung, ein gewisses Maß an Anstrengung und Einsetzungskraft. Wir brauchen das Gefühl, dass wir etwas vollbracht haben, etwas, das zur Anerkennung führt und uns selbst innerlich erfüllt. Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, dass wir uns vor Augen halten, dass das Feintuning den größten Teil unserer Zeit in Anspruch nimmt. Darum ist es zielführend,