target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_62b1065c-758f-587c-a8ba-ad76cded7e5b">25 Mark Sweney, Amazon given €294m in tax credits as European revenues jump to €32bn, The Guardian, 21. April 2020, https://www.theguardian.com/technology/2020/apr/21/amazon-given-294m-in-tax-credits-as-european-revenues-jump-to-32bn
26 26 Fair Tax Mark, Tax gap of Silicon Six over $100 billion so far this decade, 2. Dezember 2019, https://fairtaxmark.net/tax-gap-of-silicon-six-over-100-billion-so-far-this-decade/
27 27 Thomas Claburn, Silicon Valley Scrooges sidestep debt to society through tax avoidance to the tune of $100bn, The Register, 4. Dezember 2019, https://www.theregister.com/2019/12/04/silicon_valley_tax_sidestep/
28 28 Institute of Taxation and Economic Policy (ITEP), Corporate Tax Avoidance Remains Rampant Under New Tax Law, 11. April 2019, https://itep.org/notadime/
29 29 Europäische Kommision, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat, 21. September 2017, https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/communication_taxation_digital_single_market_de.pdf
4 Der neue Feudalismus
Noch ist nicht das letzte Wort darüber gesprochen, ob die Digitalwirtschaft letztlich Arbeitsplätze schafft oder vernichtet. Wie viele andere Themen in diesem Buch ist auch dieses komplex, nuanciert und polarisierend. Bis heute tragen digitale Technologien zur Expansion vieler Industriezweige bei, und haben doch auch einige Unternehmen auf den Kopf gestellt. Obwohl man noch nicht so genau weiß, wie die Bemessungsgrundlage aussehen soll, haben sie unterm Strich wahrscheinlich mehr Arbeitsplätze generiert. Ob dies noch der Wahrheit entsprechen wird, wenn die Automatisierung durch künstliche Intelligenz über alle Branchen hinweg zunimmt, steht auf einem anderen Blatt. So oder so, es wäre falsch, sich einfach nur die reinen Beschäftigungszahlen anzusehen.
Verfechter der digitalen Technologien argumentieren gerne, dass sich die Informationsrevolution nicht von anderen Revolutionen in der Geschichte unterscheidet. Sicherlich kann man Parallelen zur industriellen Revolution ziehen, beispielsweise mit dem Argument, dass auch sie durch kompromisslose Innovation neue Arbeitsplätze schuf und dafür andere vernichtete. Neu ist jedoch das Ausmaß, in dem Tech-Unternehmen, und insbesondere Einhörner, Arbeitsmethoden und das Finanzgefüge sowie das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verändert haben. Die industrielle Revolution hat den Weg geebnet für eine neue Mittelschicht und den allgemeinen Wohlstand angehoben. Die technologische Revolution dagegen höhlt die Mittelschicht weiter aus und heizt die Einkommensungleichheit mehr als jemals zuvor in der modernen Geschichte an. Und egal was Führungskräfte der Tech-Branche, Risikokapitalgeber und ihre Investoren behaupten, diese Zugeständnisse sind keinesfalls eine unvermeidliche Folge des Fortschritts.
Auswirkung der technologischen Disruption auf die Menschen
Um die Andersartigkeit der gegenwärtigen Revolution zu verstehen, muss man mit dem grundlegenden Ethos der Tech-Industrie beginnen: der Zerschlagung von trägen Dinosauriern mit ihren Altlasten an gewachsenen Strukturen und überholten Prozessen – durch mehr Effizienz, mehr Möglichkeiten, und das zu niedrigeren Kosten. Und um es klar zu sagen: Aufgeblähte Dinosaurier, die schlechte Qualität und schlechten Service zu hohen Preisen liefern, verdienen jegliche Zerschlagung.
Im Kampf um die Vorrangstellung identifizierte die Tech-Branche jedoch schon sehr früh Lohnkosten als einen der größten Effizienz-Killer ihrer Wettbewerber. Deshalb meidet sie Gewerkschaften um jeden Preis. Viele Start-ups vergüten geleistete Arbeit in einer Mischung aus niedrigen Gehältern und Aktienoptionen, die vielleicht irgendwann einen signifikanten Wert erreichen – oder auch nicht. Die Idee der Rente wurde (zumindest in den Vereinigten Staaten) auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt. Und der weit verbreitete Einsatz von Leiharbeitern, (Schein-)Selbständigen und anderen Vertretern der Gig Economy ohne jede soziale Absicherung stützte das Geschäftsmodell vieler Tech-Riesen.
In der Frühphase des Technologie-Booms war es leicht, sich von all den neuen Spielzeugen blenden und ablenken zu lassen, die wir bekamen. Und von all den frischgebackenen Millionären, von denen einige ehemalige Sekretärinnen und Kantinen-Mitarbeiter waren, die das Glück hatten, zur richtigen Zeit von der richtigen Tech-Firma eingestellt zu werden. Aber jetzt erleben wir, dass die Rechnungen fällig werden, insbesondere im Hinblick auf die sogenannte Gig-Economy.
Uber beispielsweise ist ein Unternehmen, das eng mit willkommener Disruption in Verbindung gebracht wird. Schätzungen nach finden mittlerweile etwa 75 Prozent der Landbeförderungen von Geschäftsreisenden über sogenannte Mitfahrer-Apps statt.1 Wenig überraschend entzog dies vielen traditionellen Taxifahrern, Minicab-Fahrern und Chauffeur-Diensten die Existenzgrundlage, als Uber, Lyft und andere Dienste quasi wie Pilze aus dem Boden schossen und sich steigender Beliebtheit erfreuen. Ja, natürlich war die Taxibranche der alten Schule kein Hort der Tugend, insbesondere in den großen Metropolen wie New York City und Chicago. Sie war berüchtigt für ihre Korruption und den schlechten Kundenservice und bedurfte dringend einer Transformation. Doch die Einführung der disruptiven, digitalen Technologie in Form von Smartphone-fähigen Taxi-Apps hatte katastrophale Auswirkungen auf die Beschäftigten der etablierten Branche. 2018 konnten in New York die Selbstmorde von mindestens sechs Taxifahrern innerhalb eines halben Jahres auf den sinkenden Wert der Taximedaillons und die dadurch erodierenden Einnahmen zurückgeführt werden. Zumindest teilweise kann das mit der steigenden Beliebtheit der Mitfahrer-Apps begründet werden.2
Im Februar 2018 erschoss sich ein 61-jähriger Taxifahrer vor dem Rathaus in Lower Manhattan.3 Stunden zuvor hatte Doug Schifter in einem Facebook-Beitrag seine bedrohliche finanzielle Situation beschrieben. Er führte aus, dass er manchmal mehr als 100 Stunden pro Woche arbeiten musste, um über die Runden zu kommen. Schifter warf Politikern vor, zugelassen zu haben, dass die Straßen der Stadt mit Uber-Autos überflutet wurden, was sich nicht zuletzt auch negativ auf das Verkehrsaufkommen auswirkte.
Ich werde nie vergessen, wie zwei meiner bei Uber arbeitenden Freunde reagierten, als ich beim Abendessen ihre Meinung wissen wollte über diese Selbstmorde und die Arbeitsbedingungen der Uber-Fahrer, die allmählich öffentlich bekannt wurden: »Das ist sehr traurig, aber das ist der Preis für den Fortschritt. Das Taxigewerbe braucht eine Disruption und wir zwingen die Leute ja nicht, für uns zu fahren.« Leider musste ich im Laufe der Jahre so viele Variationen dieser Worte hören, als Flucht vor jeder Verantwortung und Rechtfertigung von Schmerz im Namen des technologischen Fortschritts. Ich habe das so oft und von Mitarbeitern so vieler verschiedener Tech-Firmen gehört, dass ich mich nicht mehr an alle erinnern kann.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Gig-Economy zig Millionen neue Arbeitsmöglichkeiten, zusätzliche Einnahmequellen und dringend benötigte Flexibilität geschaffen hat. In Entwicklungsländern kann das auch vorteilhaft sein, wie zum Beispiel in Indien. Laut der Zeitschrift Foreign Policy führte sie zu »gestiegenen Einkommen, mehr Arbeitsplätzen, weniger Korruption