und Unterhaltungsmöglichkeiten wohnen. »Das Ergebnis ist natürlich ein unglaublicher Druck auf Immobilien, die Preise schossen durch die Decke«, sagt Professor Walker von der UC Berkeley. »Also wurden Menschen verdrängt, und die Vermieter sprangen auf den Zug auf … Zehntausende von Menschen in San Francisco und Oakland wurden in die Randgebiete vertrieben, sie wurden verdrängt durch den Markt und durch Vermieter, die an ihrer Tür hämmerten.«
Laut Hancock zeigen die Daten des Silicon Valley Index, dass zum ersten Mal seit 1995 mehr Menschen die Region verlassen haben als zugezogen sind. Geringverdiener werden dabei immer weiter in ländliche Gebiete hinausgetrieben. »Das sind Menschen, die gerne teilhaben würden am wirtschaftlichen Leben, die es sich aber schlichtweg nicht leisten können. Sie müssen immer weiter aufs Land gehen, um bezahlbaren Wohnraum zu finden. Sie ziehen in die entlegensten Gegenden [des Valleys], in Agrargebiete, und sie pendeln pro Richtung mehr als 90 Minuten. In unserer Region gibt es derzeit etwa 100 000 davon. Das Ergebnis sind schädliche Nebeneffekte: mehr Kohlenstoffemissionen in unserer Atmosphäre, der schlimmste Verkehrsstau der Nation, eine nahezu nicht mehr vorhandene Lebensqualität.«
Die unmittelbare Konsequenz der explodierenden Immobilienpreise und Mieten ist eine Bevölkerungsverschiebung, bei der tausende afroamerikanische und Latino-Haushalte verdrängt wurden. Laut Urban Displacement Project6 der Berkeley Universität von Kalifornien geht das zu einem gewissen Teil auf das Konto gutverdienender High-Tech-Arbeitskräfte. Die Folge ist eine »erneute Segregation« in der Bucht, sagt Anna Cash, bis vor kurzem Programmdirektorin des Projekts. »Als in vielen Stadtteilen die Immobilienpreise in die Höhe schossen, mussten viele Person of Color mit niedrigen Einkommen diese Beschäftigungszentren verlassen. Sie mussten in Gegenden ziehen, in denen zwar die Mieten niedriger waren, es aber auch an der umliegenden Infrastruktur mangelte.« Dies laufe auf eine »Armutsspirale« hinaus und führe zu »einem gestörten sozialen Gefüge«.
Abb. 3.1: Einkommensungerechtigkeit nach Ethnien
Quelle: Silicon Valley Institute of Regional Studies
Hancock beschreibt, wie die Gentrifizierung einen Dominoeffekt bei Familien und bei jedem Einzelnen verursacht. Derjenige, der das Geld verdient, muss länger zur Arbeit pendeln und gleichzeitig sind die Kinder gezwungen, die Schule zu wechseln, sagt Lupe Arreola, Geschäftsführerin von Tenants Together in San Francisco, einem landesweiten Bündnis lokaler Mieterorganisationen. Die Konsequenz ist, dass die persönlichen sozialen Netzwerke geschwächt werden oder ganz zerbrechen und an anderen, oft unbekannten Orten neu aufgebaut werden müssen. »Die Menschen müssen sich in Gemeinschaften neu integrieren, in denen sie an anderer Stelle möglicherweise schon lange gelebt haben«, sagt sie. »Sie werden bei jedem Umzug aufs Neue entwurzelt.«
Jetzt, da auch die Mittelschicht zunehmend unter Druck gerät, greift sie zu ihren Tastaturen und stimmt dafür ab, dass sich das Blatt wieder zum Guten wendet. Im Oktober 2019 setzte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom den Gesetzesentwurf AB1482 in Kraft. Das als »Mieterschutzgesetz 2019« bekannte Gesetz begrenzt für das nächste Jahrzehnt die jährlich mögliche Mietsteigerung auf 5 Prozent zuzüglich der Inflationsrate. Darüber hinaus werden Mieter vor grundlosen Zwangsräumungen geschützt. Schätzungen zufolge werden landesweit 2,4 Millionen Haushalte von der neuen Mietpreisbremse profitieren.7
Doch Arreola klingt frustiert. »Wir hätten diesen Nachdruck schon an den Tag legen müssen, als Menschen mit niedrigem Einkommen und die Arbeiterklasse betroffen waren«, sagt sie reumütig, »anstatt so lange zu warten, bis ganze Familien in Autos leben müssen.«
»Wir wissen, dass unsere Verantwortung zu helfen mit Wohnraum beginnt«
Mietsteigerungen, Zwangsräumungen, wachsende Ungleichheiten – das beispiellose Wachstum der Tech-Industrie im Silicon Valley hat diese Herausforderungen massiv verschärft und diese festgefahrenen Probleme überdeutlich ans Licht gebracht. In Städten wie Seattle und Stadtteilen wie Venice Beach in Los Angeles spielte die Tech-Branche eine ähnliche Rolle. Dennoch wäre es unfair, die Schuld allein »Big Tech« zuzuschieben. Die Themen hätten nicht diese Schärfe erreicht ohne die Fehlentscheidungen bei der Flächennutzung, ohne die fragwürdige Wohnungspolitik und ohne die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die jahrzehntelang von den Kommunalverwaltungen getroffen wurden. In einem im Juli 2019 von der Consulting-Firma McKinsey veröffentlichten Artikel heißt es: »Von 1999 bis 2014 erlaubte die kommunale Verwaltung der Bay Area, dass 61 000 weniger Sozialwohnungen für Geringverdiener gebaut wurden, als eigentlich vom Bezirk angeraten waren. Durch den Druck des Immobilienmarktes ging San Francisco ein beträchtlicher Teil des bestehenden bezahlbaren Wohnbestandes verloren: Für jeweils zwei bezahlbare Wohneinheiten, die neu gebaut wurden, verlor die Stadt mehr als eine aus ihrem Bestand, da die Einheiten dauerhaft aus der Mietpreisbindung genommen wurden.«8 Ebenso verstehe ich zwar den Ärger über die Pendlerbusse für die Mitarbeiter der Tech-Giganten, die zum Symbol für die Immobilienkrise und die Kluft zwischen Arm und Reich wurden, aber ich bezweifle, dass die meisten dieser Busse existieren würden, würde die Region über ein umfangreiches öffentliches Verkehrsnetz verfügen. Und in einem Bericht der SFMTA (öffentlicher Nahverkehr in San Francisco) von 2015 heißt es, dass die Pendlerbusse die Straßen der Region um rund 7 Millionen Auto-Kilometer pro Monat entlasten, die ansonsten von privaten Fahrzeugen gefahren worden wären.9
Bisher haben zumindest zwei Giganten im Valley indirekt ihre Rolle in der Immobilienkrise akzeptiert und beträchtliche Summen zugesagt, um die Situation vor ihrer eigenen Haustür zu entschärfen. In einem vorsichtig formulierten Blog-Beitrag mit dem Titel »1 Milliarde Dollar für 20 000 Wohneinheiten in der Bay Area«, der im Juni 2019 veröffentlicht wurde, schrieb Google-CEO Sundar Pichai:10 »Als Teil unseres Engagements, eine hilfsbereite Firma zu werden, wissen wir, dass unsere Verantwortung zu helfen mit Wohnraum beginnt … Das Fehlen neuer Angebote in Verbindung mit den steigenden Lebenshaltungskosten führte zu einem gravierenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum für langjährige Einwohner mit mittlerem und niedrigem Einkommen«, fuhr Pichai fort. »Da Google in der gesamten Bay Area wächst … haben wir in die Entwicklung von neuem Wohnraum investiert, der den Bedürfnissen dieser Bevölkerungsgruppen entspricht.« Anschließend kündigte er »eine zusätzliche« Investition von 1 Milliarde Dollar in den Wohnungsbau in der Bay Area an, mit der mindestens 15 000 neue Wohneinheiten für alle Einkommensgruppen gebaut werden sollen. Pichai fuhr fort, dass Google außerdem einen Investitionsfonds in Höhe von 250 Millionen Dollar einrichten werde, »um Anreize für Bauträger zu schaffen, mindestens 5000 bezahlbare Wohneinheiten auf den gesamten Immobilienmarkt zu bringen«. Das Unternehmen kündigte darüber hinaus an, über Google.org weitere 50 Millionen Dollar in Form von Zuschüssen an gemeinnützige Organisationen in den Bereichen Obdachlosigkeit und Gentrifizierung zu vergeben. All das bedeutet, dass Big Tech ihren entscheidenden Anteil an der Krise anerkennt.
Apple ging in seinen philanthropischen Bemühungen sogar noch weiter. In einer im November 201911 veröffentlichten Pressemitteilung gab das Unternehmen bekannt, es werde 2,5 Milliarden Dollar zur Bekämpfung der kalifornischen Immobilienkrise bereitstellen. Es hörte sich fast wie eine Regierungsinitiative an, als Apple einen Investitionsfonds für bezahlbaren Wohnraum in Höhe von 1 Milliarde Dollar ankündigte. Dieser Fond solle unter anderem dem Land »eine offene Kreditlinie für die Erschließung und den Bau zusätzlichen Wohnraums für sehr einkommensschwache bis einkommensschwache Menschen« bieten. Eine weitere Milliarde Dollar gehe in einen Hypothekenhilfsfonds für Erstkäufer von Wohneigentum, der »angehenden Eigenheimbesitzern Finanzierungs- und Anzahlungshilfen« bieten