eine maßgebliche Starthilfe für die Karrieren ehrgeiziger junger Wissenschaftler. Dennoch hat der Hockeyschläger diesen und anderen Herausforderungen standgehalten. Zwei Jahrzehnte der Forschung von Dutzenden unabhängigen Teams, die mit unterschiedlichen Daten und Methoden gearbeitet haben, haben unsere Ergebnisse immer wieder bestätigt. Es gibt inzwischen eine regelrechte Hockey-Liga von Studien, die nicht nur unsere ursprüngliche Schlussfolgerung bestätigen – dass die jüngste Erwärmung im vergangenen Jahrtausend beispiellos ist –, sondern sie sogar auf mindestens die letzten zwei Jahrtausende und vielleicht sogar auf die letzten zwanzigtausend Jahre oder noch länger ausgeweitet haben.25 Unser zentrales Forschungsergebnis hat sich im Laufe der Zeit und nicht zuletzt durch die Hinterfragung seitens skeptischer Wissenschaftler bewährt. Infolgedessen ist die Hockeyschläger-Kurve mittlerweile Teil des Wissenschaftskonsensus. Die fortgeführten wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und erweiterten Erkenntnisse haben zusätzlichen Kontext geschaffen, also einen Zusammenhang zu anderem Hintergrundwissen hergestellt. So funktioniert Wissenschaft.
Das bedeutet aber keineswegs, dass die Bemühungen, den Hockeyschläger zu diskreditieren, aufgehört haben. Und hier müssen wir deutlich zwischen der Welt der Wissenschaft und der Welt der Politik unterscheiden. Erstere wird von einem sich selbst korrigierenden Apparat, von dem Sagan so wortgewandt sprach, angetrieben, bei dem wissenschaftliche Erkenntnisse stets einer angemessenen Überprüfung und einer (weitgehend) redlichen Auseinandersetzung unterzogen werden. Letztere gehorcht keinen solchen Regeln. Der Hockeyschläger wird in den konservativen Medien weiterhin mit Hilfe einer zynischen und unaufrichtigen Falschdarstellung von Fakten angegriffen.26 In der heutigen Welt der Politik geht – so scheint es – fast alles. Realität und Logik sind längst über Bord geworfen und durch ideologische und programmatisch motivierte »alternative Fakten« ersetzt worden.
Vor fast zwei Jahrzehnten hat Sagan in seinem Buch The Demon Haunted World (Die von Dämonen heimgesuchte Welt) die Welt, in der wir heute leben, mit einer gewissen Beklemmung vorausgesagt:
»Ich habe eine Vorahnung von einem Amerika meiner Kinder oder Enkelkinder, in der die Vereinigten Staaten eine Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft sind, während fast alle verarbeitenden Industrien in andere Länder abgewandert sind; in dem gewaltige technologische Befugnisse in den Händen einiger weniger liegen und niemand, der das öffentliche Interesse vertritt, die Probleme überhaupt erfassen kann; in dem die Menschen die Fähigkeit verloren haben, ihre eigenen Tagesablauf selbstständig zu bestimmen oder Autoritäten in Frage stellen zu können; in dem während wir in unsere Kristallglaskugeln blicken und nervös unsere Horoskope konsultieren, unsere Kritikfähigkeit schwindet und wir nicht mehr in der Lage sind, zwischen dem, was sich gut anfühlt, und dem, was wahr ist, zu unterscheiden, fast ohne es zu merken, dass wir in Aberglauben und Dunkelheit abgleiten.«27
Sagans Ängste haben sich im Zusammenhang mit den Klimakriegen zweifellos bewahrheitet, wenn sie nicht sogar innerhalb unseres gesellschaftlichen Diskurses in den Vordergrund gerückt sind. Und es gibt wohl kein besseres Beispiel für diese krankhafte Entwicklung als den von der fossilen Brennstoffindustrie fabrizierten Pseudoskandal, der als »Climategate« bezeichnet wurde – sozusagen ein letzter Atemzug des »harten Kerns« der Klimawandelleugner.
Climategate – ein letzter Atemzug?
In einem jüngeren Pendant der berüchtigten Watergate-Affäre von 1972, die den US-Präsidenten Nixon zu Fall brachte, brachen Hacker mit Verbindungen nach Russland und WikiLeaks in einen Mail-Server ein. Sie veröffentlichten gestohlene E-Mails im Zuge einer massiven, sorgfältig orchestrierten Desinformationskampagne, mit der Absicht, den Kurs der amerikanischen Politik zu beeinflussen.28
Es wäre nicht verwunderlich, wenn Sie jetzt denken, dass ich von der Komplizenschaft zwischen Russland und der Trump-Kampagne um die US-Präsidentschaftswahlen von 2016 spreche, ein Skandal, der inzwischen auch als Russiagate bezeichnet wurde. Aber keineswegs. Ich spreche von der Affäre vom November 2009, die unter dem Namen Climategate bekannt werden sollte.
Die Befürworter des Klimaschutzes sahen die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen im Dezember 2009 als eine Chance für sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen. Als Nachfolgekonferenz von Rio und Kyoto war Kopenhagen für die Klimaschützer ein Quell großer Hoffnung. In der Tat wurde die Konferenz von vielen deshalb auch als Hopenhagen bezeichnet. Mit der wachsenden öffentlichen Erkenntnis bezüglich der Klimabedrohung und dank einer immer größeren Gewissheit über die Auswirkungen des Klimawandels – die beispiellose Katastrophe des Hurrikans Katrina war den US-Amerikanern noch frisch im Gedächtnis – und nicht zuletzt auch dank Al Gores überaus erfolgreicher Dokumentation Eine unbequeme Wahrheit schien es, als ob wir die Kurve kriegen könnten. Vielleicht war die Welt endlich bereit, in Sachen Klima zu handeln.
Die Kräfte der Leugnung und Verzögerung sollten jedoch erneut intervenieren und in den Wochen vor dem Gipfel einen fingierten »Skandal« inszenieren. Sogar der Name, den sie erfolgreich mit der Affäre verbanden – »Climategate« – war das Werk einer sorgfältig ausgearbeiteten Mär, die der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern in einer gemeinsamen Anstrengung von Interessenvertretern der fossilen Brennstoffindustrie, bezahlten Kampfhunden und konservativen Medien aufgezwungen wurde. Tausende von E-Mails zwischen Klimawissenschaftlern auf der ganzen Welt, mich eingeschlossen, wurden im Spätsommer jenes Jahres vom Server einer britischen Universität gestohlen. Einzelne Bruchstücke der Mails wurden von den Klimaveränderungsleugnern manipuliert und neu arrangiert sowie aus dem Zusammenhang gerissen, um sowohl die Wissenschaft als auch die Wissenschaftler in einem falschen Licht erscheinen zu lassen.29
Es dauerte nicht lange, bis die Klimaveränderungsleugner die Mails durchkämmt und in ein durchsuchbares Archiv überführt hatten. Indem sie einzelne Wörter und Phrasen aus dem Zusammenhang gerissen hatten, um die ursprüngliche Bedeutung zu verzerren, behaupteten sie, sie hätten den »rauchenden Colt« gefunden, der den Klimawandel als einen ausgeklügelten Schwindel entlarvt habe. Begriffe, die in ihrem ursprünglichen Kontext völlig harmlos waren – beispielsweise das Wort »Trick«, mit dem Mathematiker und Wissenschaftler eine geschickte Abkürzung zur Lösung eines Problems bezeichnen – wurden herausgezogen und absichtlich falsch interpretiert.
Klimaveränderungsleugner nutzten diese Falschdarstellungen, um zu behaupten, dass Wissenschaftler ihre Studien fälschten und sich an einem ausgeklügelten Plan beteiligten, um die Öffentlichkeit zu täuschen! Den Koch-Brüdern nahestehende Frontorganisationen und von der Industrie finanzierte Kritiker wollten, dass die Öffentlichkeit der Klimawissenschaft misstraut, indem sie die Klimaforscher selbst verdächtigten. Rechte Medien – vor allem das Medienimperium Murdoch, zu dem auch Fox News und das Wall Street Journal gehören, und Verschwörungserzählungen fördernde, rechte Kommentarseiten wie der Drudge Report, Breitbart »News« und der Radiomoderator Rush Limbaugh dienten als Megafon für diese empörenden Unwahrheiten und füllten den Äther, die Fernsehbildschirme und das Internet mit falschen Anschuldigungen, Verleumdungen und Anspielungen.
Rechtsextreme Politiker schlossen sich dem Kampfgeschehen an. James Inhofe, der bekanntlich die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für den Klimawandel als »Schwindel« abgetan hatte, begrüßte, ohne Ironie, die echte Täuschung, die Climategate war. Auf der Grundlage der unter diesem Begriff verbreiteten Behauptungen forderte er gar die strafrechtliche Verfolgung von siebzehn Klimawissenschaftlern, darunter Susan Solomon, der mit der »Presidential Medal of Science« ausgezeichneten US-amerikanischen Atmosphärenchemikerin des MIT, Michael Oppenheimer, dem Professor für Geowissenschaften der Princeton University und Kevin Trenberth vom US-amerikanischen Forschungsinstitut National Center for Atmospheric Research. Und ja, es war mir eine Ehre, ebenfalls auf dieser Liste zu stehen.
Zwei Jahre später hatten je nach Zählweise etwa ein Dutzend verschiedene Untersuchungen in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien die Wissenschaftler entlastet. Es gab keine Datenfälschung, keinen Versuch, die Öffentlichkeit über den Klimawandel in die Irre zu führen. Das einzige Fehlverhalten, das festgestellt wurde, war von vornherein der kriminelle Diebstahl der E-Mails – ein weiterer herber Fall von Ironie, wenn man bedenkt, dass es im Watergate-Skandal, dem Ursprung des »-gate«-Suffixes, um den Diebstahl von Dokumenten ging, nicht um deren Inhalt.30
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