werden könnten. … Sobald die Auswirkungen nachweisbar sind, sind sie möglicherweise nicht mehr umkehrbar.«
Viele Leser vermuten jetzt vielleicht, dass diese prophetischen Worte von Al Gore stammen, als er Mitte der 1990er Jahre eindringlich vor einer Klimakatastrophe warnte. Aber nein, sie stammen von James F. Black, der in den 70er Jahren leitender Wissenschaftler beim fossilen Brennstoffgiganten ExxonMobil war.1 Das Erschreckende daran: Anstatt die Warnungen der eigenen Wissenschaftler zu beherzigen, führten ExxonMobil und andere Stakeholder der Öl- und Kohleindustrie in den folgenden Jahrzehnten PR-Kampagnen durch. In diesen stellten sie die wissenschaftlichen Belege in Frage und taten alles in ihrer Macht stehende, um politische Maßnahmen zur Verminderung von Treibhausgasemissionen zu blockieren.
Infolgedessen hat sich unser Planet gefährlich erwärmt. Noch immer ergreifen wir nicht die erforderlichen Maßnahmen, um die größte globale Krise abzuwenden, mit der wir jemals konfrontiert waren. Wir befinden uns quasi in einer Art Kriegszustand, aber bevor wir einschreiten, sollten wir uns mit der Mentalität des Gegners befassen. Welche Taktiken lassen sich heute als die treibenden Kräfte für Klimaleugnung und Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen feststellen? Wie können wir gegen diesen gestaltwandelnden Leviathan vorgehen? Oder ist es bereits zu spät? Können wir einen katastrophalen globalen Klimawandel überhaupt noch abwenden? Das sind alles Fragen, auf die wir Antworten verdienen. Dieses Buch bietet sie.
Ein Blick zurück zeigt, dass das ursprüngliche Drehbuch für die Wissenschaftsleugnung und das Ausbremsen von Maßnahmen bereits vor fast einem Jahrhundert geschrieben wurde. Die fossile Brennstoffindustrie orientierte sich dabei an einer besonders üblen Vorlage.2 Das Motto der Waffenlobby – »Es sind nicht Gewehre, die Menschen töten, sondern Menschen« – stammt aus den 1920er Jahren. Als Lehrbuchbeispiel für gefährliche Ablenkungsmanöver leitet es die Aufmerksamkeit weg von dem Problem des leichten Zugangs zu Angriffswaffen und hin zu anderen angeblichen an Massenerschießungen beteiligten Faktoren – wie psychische Erkrankungen oder Gewaltdarstellung in den Medien.
Die Tabakindustrie verfolgte einen ähnlichen Kurs. Sie versuchte, den Zusammenhang zwischen Zigaretten und Lungenkrebs zu diskreditieren, obwohl ihre eigenen internen Forschungen aus den 1950er Jahren das tödliche Suchtpotential ihres Produkts belegten. »Doubt is our Product« (Zweifel ist unser Produkt) hieß es in einem internen Memo des Tabakunternehmens Brown & Williamson.
Passend dazu gab es in den 1970s Jahren auch einmal einen als »weinender Indianer« bekannt gewordenen Werbespot, an den sich einige Leser vielleicht erinnern können. Dabei machte ein weinerlicher Indianer namens Iron Eyes Cody die Zuschauer auf die Verschandelung der Landschaft durch unachtsam weggeworfene Flaschen und Dosen aufmerksam. Aber der Schein trog. Wie sich herausstellte, war die Anzeige das Kernstück einer massiven Ablenkungskampagne der Getränkeindustrie, die uns allen durch die Betonung individueller Verantwortung den Schwarzen Peter zuschieben wollte. Das Ziel: Aufrufe zu kollektivem Handeln und staatlicher Regulierung von Unternehmen zu untergraben. Infolgedessen macht uns die globale Umweltbedrohung durch Plastikmüll heute immer noch und sogar stärker denn je zu schaffen. Sie hat inzwischen solche Ausmaße erreicht, dass Kunststoffabfälle bis in die tiefsten Tiefen der Weltmeere vorgedrungen sind.
Last but not least haben die milliardenschweren Plutokraten der fossilen Brennstoffindustrie – Männer, die aufgrund ihres Reichtums politische Macht ausüben – wie die Gebrüder Koch, Robert Mercer und Richard Mellon Scaife, gemeinsam mit Unternehmen wie ExxonMobil seit Ende der 1980er Jahre Milliarden Dollar in eine Desinformationskampagne gesteckt, um die Wissenschaft hinter dem vom Menschen verursachten Klimawandel zu diskreditieren. Die Tatsache, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe klimarelevante Auswirkungen hat, galt es zu verleumden. Diese Leugnung der Wissenschaft hatte selbst dann noch höchste Priorität, als das Wissenschaftlerteam von ExxonMobil zu dem Schluss kam, dass die Auswirkungen der fortgesetzten Nutzung fossiler Brennstoffe einen »verheerenden« Klimawandel nach sich ziehen könnte.
Und die Wissenschaftler hatten recht. Jahrzehnte später, ein »Verdienst« der Kampagne, bekommen wir die verheerenden Auswirkungen des ungebremsten Klimawandels zu spüren. Tagtäglich flimmern entsprechende Meldungen über die Fernsehschirme und sind in allen Nachrichten- und Social-Media-Kanälen zu sehen. Überflutungen an den Küsten, Hitzewellen mit einhergehenden Dürreperioden, verheerende Überschwemmungen und nie dagewesene Waldbrände: das sind die Auswirkungen des gefährlichen Klimawandels, mit denen wir leider immer vertrauter werden.
Infolgedessen können die Leugner und Bremser – Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie, rechtslastige Plutokraten und ölfinanzierte Regierungen, die weiterhin von unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen profitieren – nicht mehr behaupten, dass alles in Ordnung ist und dabei keine Miene verziehen. Die völlige Leugnung der objektiven Beweise für den Klimawandel ist einfach nicht mehr glaubwürdig. So sind sie zu einer weicheren Form der Leugnung übergegangen, während sie das Öl am Fließen und die fossilen Brennstoffe am Brennen halten. Sie führen längst eine mehrgleisige Offensive auf der Grundlage von Täuschung, Ablenkung und Verzögerung. Das ist der neue Klimakrieg, und der Planet gerät mehr und mehr auf die Verliererstraße.
Inspiriert von den Taktiken der Waffenlobby, der Tabakindustrie und der Getränkehersteller haben die Klimafeinde eine meisterhafte Ablenkungskampagne inszeniert, die darauf abzielt, die Verantwortung von Unternehmen auf Einzelpersonen abzuwälzen. Persönliches Handeln, von der »Veganisierung« bis hin zur Flugscham, wird immer öfter als vorrangige Lösung für die Klimakrise angepriesen. Auch wenn solche Maßnahmen sinnvoll sind, befreit eine Ausrichtung auf ausschließlich freiwillige Maßnahmen Regierungen von ihrer Verantwortung, umweltverschmutzende Konzerne zur Rechenschaft zu ziehen. Eine kürzlich durchgeführte Studie legte sogar nahe, dass die Befürwortung dringend erforderlicher klimapolitischer Maßnahmen untergraben werden kann, wenn kleine Schritte im eigenen Verhalten zu stark in den Vordergrund gestellt werden.3 Für Unternehmen wie ExxonMobil, Shell und BP, die weiterhin tagtäglich Rekordgewinne einfahren, ist es äußerst bequem, dass wir weiter, um den ehemaligen Präsidenten George W. Bush zu zitieren, »süchtig nach fossilen Brennstoffen« bleiben.
Eine solche Kampagne verlagert das Problem und bietet den Klimafeinden die Gelegenheit, einen Keil in die Umweltbewegung zu treiben. Dabei nutzen sie geschickt eine bereits bestehende Kluft innerhalb der Klimaschutzbewegung aus. Sie versuchen einen Zwist zu provozieren zwischen Menschen, die sich stärker auf individuelles Handeln konzentrieren, und Menschen, die gemeinsames Vorgehen und politische Maßnahmen betonen. Die Klimafeinde setzen dabei Cyberwaffen ein, die im Zuge der US-Präsidentschaftswahlen 2016 verfeinert wurden: Bots, Trolle sowie die Manipulation in sozialen Medien und Internet-Suchmaschinen. Es ist die gleiche Taktik, die uns mit Donald Trump einen Klimawandelleugner als US-Präsidenten beschert hat. Böswilligkeit, Hass, Eifersucht, Furcht, Wut, übertriebener Glaubenseifer – die Umwelt belastende Großunternehmen und ihre Verbündeten haben sich diese primitiven Impulse des Reptiliengehirns zunutze gemacht, indem sie versuchen, Zwietracht innerhalb der Klimabewegung und gleichzeitig Angst und Empörung auf Seiten ihrer »Basis«, den unzufriedenen Rechten, zu säen.
In der Zwischenzeit haben sich diese Kräfte der Untätigkeit wirklich effektiven Maßnahmen zur Regulierung oder Bepreisung von Kohlenstoffemissionen widersetzt. Sie haben tragfähige Alternativen wie Erneuerbare Energien angegriffen und stattdessen trügerische Lösungen verteidigt – wie etwa Kohleverbrennung mit Kohlenstoffabscheidung oder unbewiesene und potenziell gefährliche Geoengineering-Pläne, die eine massive Manipulation unserer planetaren Umwelt mit sich bringen. Hypothetische, zukünftige »Innovationen«, so wird argumentiert, werden uns irgendwie retten, sodass aktuell kein Bedarf an politischen Maßnahmen bestehe. Wir können einfach für ein paar Dollar Risikomanagement betreiben, während wir weiterhin die Umwelt verschmutzen.
Durch die Abschaffung klimafreundlicher Richtlinien der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) – wie etwa: Widerrufung des unter Obama eingeführten Clean Power Plan (mit dem der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase im Energiesektor bis 2030 um 32 Prozent im Vergleich zu 2005 verringert werden sollte), Rücknahme von Schadstoffregulierungen, Erteilung neuer Genehmigungen von Öl- und Gaspipelines, direkter finanzieller Unterstützungen der in Schwierigkeiten geratenen Kohleindustrie