Olaf Nägele

Goettle und der Kaiser von Biberach


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worden waren. Die Liebherr-Arena, den Stadionneubau vor den Toren Biberachs, der 20.000 Zuschauer fasste, hatte er aus Protest nie betreten. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der 1. FC Oberschwaben in der obersten Spielklasse ankommen würde.

      »Saubande, elendige«, resümierte Andreas Goettle und legte die Zeitung zusammen. Er nahm einen Schluck von seinem bereits erkalteten Milchkaffee und sah Renate Münzenmaier zu, wie sie die Post sortierte.

      »Isch was G’scheids dabei?«, fragte er angesichts des mürrischen Ausdrucks seiner Haushälterin.

      »Awa, bloß Rechnunga ond Werbung«, grummelte sie und rückte einem weiteren Umschlag mit dem Brieföffner zu Leibe. Einen Moment sah sie hoch, dann brannte sich ihr Blick fest auf Goettles Hemd. »Och noi, Herr Pfarrer, Sie hen ja immer no des Hemd an, des Sie geschdern mit dem Oi versaut hen. Sie sen doch ein Allmachtsschlamper.«

      Goettle erhob mahnend einen Finger und setzte eine finstere Miene auf. »Versündiget Se sich net, Frau Münzenmaier. So schwätzt man nicht mit sei’m Vorgesetzten. Außerdem isch des mei Lieblingshemmad.«

      »Was isch denn an dem so b’sonders? Die sen doch älle schwarz.«

      »Aber des isch halt a besonders Schwarz. So leuchtend.«

      »A leuchtendes Schwarz. Jetzt sen Se no so guad. Se gebet jetzt des Hemmad her, des kommt in d’ Wäsch. So könnet Se doch koi Beicht abnehma.«

      Die Haushälterin hatte sich neben ihm aufgebaut und die Hände in die Hüfte gestemmt. Goettle war klar, dass sie keine Ruhe geben würde.

      Widerwillig und umständlich widmete er sich der Knopfleiste. Er streifte das Textilstück ab und überreichte es der streng blickenden Ordnungskraft.

      »Ihr Wille geschehe, alter Plog’goischd.«

      Renate Münzenmaier nahm ihm das Hemd ab und blickte zum Fenster hinaus. »Sie solltet sich was azieha. Do kommt scho Ihre beschde Sünderin.« Goettle sah, wie sich Joanna auf hochhackigen, grell rosafarbenen Pumps, in sehr kurzen Shorts und einem schulterfreien Top der Kirche näherte.

      »I möcht mol wissa, was des Menschle älleweil zum beichta hot. Die isch jo jede Woch do.«

      Goettle errötete ein wenig und winkte ab. Joanna war eine junge Frau, die bereit war, alles dafür zu tun, um ihren Traum zu verwirklichen. Sie wollte ins Showgeschäft, egal wie. Da kam so einiges an Verstößen gegen die Zehn Gebote zusammen. Aber die junge Brasilianerin war auch eine gottesfürchtige Person und erleichterte das Gewissen regelmäßig durch ihre Beichte. Kann sein, dass sie auch zu Goettle eine besondere Beziehung hatte, da er sie auch verstand, wenn sie portugiesisch mit ihm sprach.

      »Des was die beichtet, des kennet Sie alles net, Frau Münzenmaier. Ond i glaub, des isch au ganz guad so.«

      Er verließ die Küche, um sich aus dem Schrank im Schlafzimmer ein neues Hemd zu holen, zog es an, streifte sich sein Priestergewand über und verließ das Haus in Richtung Kirche.

      7

      »Wie geht es dir?«, schnarrte es aus dem Telefonhörer.

      Greta Gerber erstarrte. Seine Stimme genügte, um sie unverzüglich in den Gefühlssumpf zu stoßen, dem sie so mühsam entkommen war.

      »Was willst du?«, erwiderte sie scharf. Sie war wütend. Wie konnte er es wagen, im Büro anzurufen? Was erdreistete er sich, sich noch einmal in ihr Leben zu drängen, nachdem er den knallharten Schnitt vollzogen hatte?

      »Ich vermisse dich. Ich muss dich sehen.«

      Er sagte es so zärtlich, dass ihr ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Sie vermisste ihn auch, aber wusste, dass sie besser beraten war, ihm das nicht zu zeigen. Richards Problem war, dass er Entscheidungen traf und sie kurz danach widerrief. Daran würde sich nie etwas ändern, das war ihr im letzten Jahr immer wieder schmerzhaft in Erinnerung gerufen worden.

      »Was ist? Lässt dich deine Frau wieder mal nicht ran? Hat sie endlich erkannt, was für ein Drecksack du bist?«, fauchte sie ihn an.

      Greta senkte die Stimme und legte eine Hand um die Muschel des Telefons. Kollege Schneider sah herüber und grinste frech. Für einen Moment hatte sie vergessen, dass sie nicht allein im Raum war, zudem mit einem Menschen, den sie nicht besonders gut kannte. Sie senkte die Stimme und wandte sich wieder ihrem Gesprächspartner zu.

      »Lass mich in Ruhe, hörst du?«

      »Wir können doch noch mal über alles reden.«

      »Sag nicht reden, wenn du vögeln meinst. Ich will weder das eine noch das andere. Um genau zu sein: Ich will dich nie, nie, nie mehr wiedersehen.«

      Sie knallte den Hörer auf die Gabel und schlug mit der Faust auf den Tisch. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Dass sie bereitstand wie eine läufige Hündin, wenn er nur mit dem Schwanz wedelte? Wie viel räumliche Distanz musste denn noch zwischen ihm und ihr liegen, damit er sie endlich in Frieden ließ? Noch einmal ließ sie die Faust auf den Schreibtisch krachen.

      »Guten Morgen, Frau Gerber. Wenn Sie mit der rabiaten Behandlung des Arbeitsplatzes fertig sind, würde ich gern mal mit Ihnen über die Sache Seitz sprechen. Sind Sie schon ein Stück weitergekommen?«

      Kriminalrat Seidel, Leiter des Kriminalkommissariats Biberach, war hinter sie getreten und sah seine neue Mitarbeiterin über die Ränder seiner Brille an. Seine Stirn hatte er in Falten gelegt, was bei ihm ein untrügliches Zeichen des Missfallens war. Greta bemerkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Zu peinlich, dass ihr neuer Chef die emotionale Entgleisung am Telefon mitbekommen hatte.

      Sie sortierte die Unterlagen aus der Akte Seitz und schüttelte den Kopf. Die bisherige Ermittlung hatte noch keine neuen Anhaltspunkte ergeben.

      In die Villa von Kurt Seitz im Panoramaweg war eingebrochen worden. Außer ein bisschen Kleingeld war nichts entwendet worden, der Schaden belief sich auf wenige Hundert Euro. Wesentlich brisanter war jedoch die Entdeckung, dass auch eine Pistole, die Seitz als Mitglied des Schützenvereins besitzen dufte, aus dem Waffenschrank fehlte. Und das wiederum konnte bedeuten, dass der nun bewaffnete Täter vorhatte, weitere Schandtaten zu begehen. Die unausgesprochene Mahnung ihres Vorgesetzten zur Eile war also durchaus berechtigt, fand Greta.

      »Wir warten noch auf den Abschlussbericht der Spurensicherung«, antwortete sie. »Wir haben am Tatort Blut gefunden, das höchstwahrscheinlich von dem Einbrecher stammt. Er hat sich offenbar verletzt, als er die Scheibe eingeschlagen hat. Vielleicht haben wir jemanden im Datenbestand, auf den die DNA passt.«

      Seidel schob seine Brille nach oben und schnaubte. »Gut, aber beeilen Sie sich. Mir wird ganz flau bei dem Gedanken, dass in unserer Stadt ein Bewaffneter sein Unwesen treibt. Wir müssen ihn unbedingt dingfest machen, bevor etwas passiert.«

      Greta hätte gern erwidert, dass nicht zwingend davon ausgegangen werden konnte, dass sich der Täter noch in der Stadt aufhielt, aber sie kam nicht mehr dazu. Der Vorgesetzte verschwand so schnell durch die Tür, wie er aufgetaucht war.

      Sie nahm sich die Akte und besah sich die Fotos, die die Spurensicherung vom Tatort gemacht hatte. Der Einbrecher war ziemlich plump vorgegangen. Er hatte eine Fensterscheibe mit einem Stein eingeworfen, den Hebel umgelegt und sich so Zutritt zur Villa verschafft. Ein paar Schränke waren durchwühlt und die Haushaltskasse geleert worden, in der sich laut Seitz’ Aussage 200 Euro befunden hatten. Relativ zielstrebig schien er zu den Waffenschränken geschritten zu sein. Den massiven Holzmöbeln hatte er heftig mit einer Axt oder einem Beil zugesetzt. Aus dem einen hatte er eine kleinkalibrige Pistole entnommen und aus dem anderen die Munition dazu. Offenbar hatte er gewusst, dass Waffe und Munition getrennt aufbewahrt werden müssen.

      Dennoch: Ein Profi war das nicht, dachte Greta.

      Für diese Vermutung sprach, dass er sämtliche wertvollen Gegenstände in der Villa unberührt gelassen hatte. Die Pokale, die Medaillen, eine Münzsammlung, die auf dem freien Markt einige Tausend Euro eingebracht hätte – alles befand sich noch an den angestammten Plätzen. Und es war relativ eindeutig, dass sich der Täter in dem Haus der Familie