Marion Demme-Zech

Mörderisches aus dem Saarland


Скачать книгу

Svenja Lorentz. Exakt die Dame, nach der Regine Ausschau hält.

      »Regine Spangenberger! Eine Person«, sagt sie zu dem Herrn an der Museumskasse, bei dem sie sich für die Führung anmeldet. Er trägt ihren Namen in die Liste ein. Dass sie dem Angestellten ihren Mädchennamen genannt hat, bereitet Regine Unwohlsein, aber die kleine Lüge muss sein, wenn ihr Plan aufgehen soll.

      »Acht Euro macht das. Mit Karte?«, erkundigt sich der Herr an der Kasse.

      »Nein!«, antwortet Regine lauter, als sie eigentlich will. »Bar, bitte. Ich zahle bar.« Sie öffnet ihr Portemonnaie und legt ihm einen Zehn-Euro-Schein auf den Tresen. »Stimmt so.«

      »Danke sehr. Am Samstag um 10 Uhr am Torhaus geht es los«, informiert sie der Museumsmitarbeiter und reicht ihr haufenweise Informationsmaterial. Bei seinem letzten Satz, auf den sie gern verzichtet hätte, werden Regines Lippen schmal. »Freuen Sie sich auf den Tag. Die Svenja Lorentz, das ist unsere Beste. Sie macht die Führung immer erstklassig!« Seine Augen strahlen bei diesen Worten.

      »Danke«, sagt Regine, steckt die Unterlagen in ihre Handtasche und geht. Dem Anschein nach macht Svenja so einiges super, ergänzt sie den letzten Satz des Museumsmitarbeiters in Gedanken. Zugegeben, sie kann den Tag der Führung kaum mehr erwarten. Nicht, weil sie sich so sehr darauf freuen würde, sondern um das Unvermeidliche möglichst schnell hinter sich zu bringen. Aber sie muss wohl oder übel geduldig sein, zumal vorher noch einige Dinge zu regeln sind.

      Verständlicherweise erzählt Regine Sebastian in den folgenden Tagen nichts von dem Termin. Das fällt ihr leicht. Gemeinhin redet ihr Mann nur selten mit ihr, und wenn es doch zu einem Wortwechsel kommt, so trägt er ihr höchstens eine Reihe von Erledigungen auf. Ansonsten schweigen sich die beiden weitgehend an, denn von Regines, wie er es nennt, »steinzeitlichen Ansichten« will Sebastian in aller Regel nichts wissen oder hören. Wenn sie es in der Vergangenheit trotzdem einmal versucht hat, hat es meist eine Menge Ärger gegeben, sodass Regine mit der Zeit jeglichen Vorstoß aufgegeben hat. Hauptsächlich Magnus zuliebe hat sie die Fassade einer intakten Familie über all die Jahre aufrechterhalten, was zuweilen nicht leicht war. Nachdem das Intermezzo mit Monique, der dunkelhaarigen Austauschstudentin aus Lyon, im Frühjahr ein plötzliches Ende gefunden hatte, war ihr Mann wieder zu Hause eingezogen. Realistisch betrachtet hat sich damit allerdings nur wenig geändert.

      Erst freute sich Regine, als Sebastian von einem Tag auf den anderen mit den beiden Koffern – denselben, mit denen er zwei Monate zuvor gegangen war – vor der Tür stand. Seine Rückkehr machte ihr Hoffnung: Die ganze Familie wieder unter einem Dach vereint, so wie früher. Vielleicht, sagte sie sich, vielleicht bereute er es, sie verlassen zu haben, und hatte den Vorsatz, sich zu ändern und mehr auf sie und ihre Wünsche einzugehen. Statt ihm also Vorwürfe zu machen, wie es wohl die meisten Frauen an ihrer Stelle getan hätten, half sie ihm ohne viele Worte beim Auspacken der Koffer. Sogar einige der Hemden bügelte sie an jenem Abend frisch auf. Entweder hatte Monique wenig Ahnung vom Bügeln, sagte sich Regine dabei, oder sie hatte Sebastian gezwungen, die leidige Angelegenheit selbst zu übernehmen – derart zerknitterte Ärmel waren Regine jedenfalls noch nie unter die Augen gekommen.

      Ihre Hoffnungen hinsichtlich Sebastians Rückkehr bewahrheiteten sich nicht. Erfreulich war es zu keiner Zeit mit ihrem Mann gewesen, richtig höllisch wurde es allerdings für Regine, als sie vor einigen Wochen nicht umhinkam festzustellen, dass Sebastian erneut begann, sich seltsam zu verhalten. Ein weiteres Mal spulte er das komplette Programm ab, das er bei all seinen Affären kaum variierte: Geheimniskrämereien, unausweichliche Termine nach Feierabend und ständige Telefonate im Bad. Das alles zusammen war derart eindeutig, dass es fast beleidigend von ihrem Mann war, anzunehmen, sie und Magnus würden nichts davon mitbekommen.

      Abermals handelte es sich um ein Techtelmechtel mit einem Mädchen, das, über den Daumen gepeilt, halb so alt wie Sebastian war. Einmal, nach einem Termin bei Tietze-Meiermann, wagte Regine einen Vorstoß, als sie ihm im Schlafzimmer die Kleidung für den kommenden Tag herauslegte. Sie sprach Sebastian unverblümt auf ihren Verdacht an. »Hast du eine Affäre?«, fragte sie geradeheraus.

      Die Gesichtsfarbe ihres Mannes änderte sich von einem Moment auf den nächsten. »Was geht dich das an?«

      »Das geht mich natürlich etwas an als deine Frau«, hielt Regine mit einer großen Portion Mut dagegen.

      »Ach, du und deine spießigen Ansichten. Sei einfach mal ein wenig toleranter«, forderte Sebastian und blieb ihr die Antwort schuldig.

      »Ich bin tolerant«, antwortete sie.

      Dieser Einwand brachte das Fass zum Überlaufen. Ihr Mann rastete völlig aus. »Regine, ich bin kein kleines Kind mehr«, brüllte er los und riss die gesamten Hemden, Anzüge und Hosen aus dem Kleiderschrank, um sie ihr vor die Füße zu werfen. »Mach du deine Arbeit und misch dich nie wieder in mein Leben ein.«

      Das Geschrei ließ Magnus hellhörig werden, der gleich darauf in der Tür erschien und fragte, ob alles in Ordnung sei.

      »Nichts ist in Ordnung«, donnerte Sebastian ohne Rücksicht weiter. »Deine Mutter und ihre verstaubte Auffassung vom Leben machen mich wahnsinnig! Das erträgt kein Mensch!« Daraufhin stellte er sich mit erhobenem Zeigefinger vor Regine und sagte etwas, das sie umgehend den Vorstoß bereuen ließ. »Weißt du was? Ich ziehe wieder aus! Du bist krank – maßlos eifersüchtig. Mit dir kann es niemand aushalten und deswegen nehme ich den Kleinen auch mit! Das kann man keinem Kind zumuten.«

      Regine entschuldigte sich augenblicklich. Sie sagte, das alles sei völlig unüberlegt und dreist von ihr gewesen. Ein großer Fehler. Fast bettelte sie ihn an. Sebastian verließ an dem Abend das Haus, kam erst spät zurück und schwieg sich die nächsten Tage aus. Aber immerhin, er blieb und damit auch Magnus. Kein Sterbenswörtchen kam Regine in den Monaten danach mehr zum Thema Affäre über die Lippen, sogar als die Tatsachen kaum noch zu übersehen waren.

      Zumindest eine Sache musste sie Sebastian zugutehalten, er traf sich immer heimlich mit den Mädchen. Regine bekam sie nie zu Gesicht, Magnus schon gar nicht, und ihr Mann war blauäugig genug, anzunehmen, dass damit die Angelegenheit für alle geklärt wäre.

      Womöglich wäre es noch lange so weitergegangen, hätte Frau Tietze-Meiermann Regine nicht das Ultimatum gesetzt. 14 Tage. Sie hat Frau Tietze-Meiermann ihr Wort gegeben, sich in dieser Zeit zur Wehr zu setzen und etwas zu unternehmen. Aber wenn es schon sein musste, dann bitte auf ihre Weise, sagte Regine sich.

      Bei allem Ärger hat sie wenigstens in einer Hinsicht riesengroßes Glück, denkt Regine, als sie von Bliesbruck-Reinheim zurückkehrt: Sie hat Magnus, und der ist seinem Vater nicht im Mindesten ähnlich. Er ist ein netter, hilfsbereiter Junge, mittlerweile zwölf und was technische Fragen angeht ein raffinierter Bursche.

      Es ist nicht schwer, ihn zu überreden, dass er ihr im Umgang mit den modernen Medien ein wenig unter die Arme greift. Regine und er handeln ein einfaches Tauschgeschäft aus: eine Gefälligkeit gegen die andere. Magnus führt Regine in die Welt des Internets ein, zeigt ihr, wie man Textnachrichten am Handy verfasst, welche Emoticons angesagt sind und was »lol« zu bedeuten hat. Für ihn natürlich ein Kinderspiel. Im Gegenzug steht Regine ihrem Sohn bei seinen Problemen zur Seite. Sie wird seinem Vater nicht verraten, dass Magnus die von Sebastian angestrebte Laufbahn als Pianist weit früher als erwartet beenden würde. Der Anruf beim Klavierlehrer macht Regine zugegeben sogar Spaß. Ebenso wie Magnus, der neben ihr steht. Er hält sich den Bauch vor Lachen, während sie Herrn Schwarz ihr Angebot erläutert.

      »Guten Tag Herr Schwarz«, plappert Regine direkt los. »Ich hätte Ihnen einen Vorschlag zu machen. Ich würde Ihnen anbieten, den Unterricht sozusagen im Sinne des guten Zwecks weiterzubezahlen, und Sie hingegen müssten zukünftig gar nichts mehr tun. Was halten Sie davon, Herr Schwarz?«

      »Sie wollen keine Musikstunden mehr und mich trotzdem dafür bezahlen?«, erkundigt er sich skeptisch. So ganz kann er das wohl nicht glauben.

      »Korrekt!«, erwidert sie und zwinkert Magnus zu.

      »Nun gut«, sagt Herr Schwarz stutzig, aber auch mit etwas Freude in der Stimme. »Wenn Sie das unbedingt wollen, dann komme ich Ihrem Wunsch natürlich nach.«

      Weder