Marion Demme-Zech

Mörderisches aus dem Saarland


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nur aus Gefälligkeit oder Verlegenheit, ein kleines, verlorenes Grinsen ab. Am liebsten würde Anneliese im Erdboden versinken.

      »Mensch, Doro! Am besten hältst du einfach mal den Rand!«, springt endlich Ursel ihrer Freundin bei und stellt sich demonstrativ mit in die Hüften gestemmten Armen vor Doro.

      »Ach ja, Spaß haben die zwei angegrauten Ömchen schon als Kinder nicht verstanden«, klärt die falsche Schlange Edmund auf und dreht sich pikiert um. Selbstredend ohne den Busfahrer aus ihrem festen Griff zu entlassen.

      Das Schauspiel hat vorerst ein Ende. Herr Lohfeld ergreift das Wort und die Gruppe konzentriert sich wieder auf die Führung. Er berichtet Näheres zum Regierungsbunker, den sie durch einen langen Gang erreichen. »Diese Bunkeranlage, in der wir uns gerade befinden, wurde zwischen 1952 und 1955 unter dem einstigen saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann – bekannt als Joho – errichtet. Die Arbeiten fanden damals unter strengster Geheimhaltung statt.« Gegenwärtig sehen sich alle ehrfürchtig um. Die Gruppe steht in einem imposanten, aus Ziegelsteinen gemauerten Raum.

      »Um die Bauaktivitäten möglichst unauffällig vonstattengehen zu lassen, errichtete man zur gleichen Zeit das über uns liegende Schlossberghotel. Nachdem Joho 1955 zurückgetreten und das Saarland am 1. Januar 1957 als Bundesland Deutschland eingegliedert worden war, fanden die Arbeiten ihr Ende – der Bunker wurde weder fertiggestellt noch jemals genutzt.«

      Der Weg führt die Gruppe durch weitere eindrucksvolle Höhlenräume, bis sie schließlich am Ausgang ankommt.

      »Gleich oben am Bus, unterhalb der Schlossbergruine, habe ich einen Imbiss für uns vorbereitet: Kaffee, Kuchen und Klappschmierchen«, kündigt Heidrun an, nachdem sie sich im Namen aller bei Herrn Lohfeld für die erstklassige Führung und die Engelsgeduld bei all den Fragen und Anmerkungen bedankt hat. Dass hiermit vermutlich die vielen Kommentare Doros gemeint waren, die auch die anderen Landfrauen allmählich die Nerven verlieren ließen, registriert Doro nicht.

      »Meinen Frankfurter Kranz musst du einfach probieren, Edmund«, plappert sie, während sie Heidrun wie einer Bediensteten am Kassenhäuschen den Helm in die Hände drückt. »Nimm dir bloß kein Stück von der Donauwelle, die ist von Anneliesel.« Doro ist nicht zu bremsen und jedermann bekommt ihre Stänkerei mit. »Wenn du wüsstest, wie es da zu Hause aussieht, seit der Hans tot ist. Wo man hinsieht Hundehaare. Wer da reingeht, muss gut achtgeben, dass er nicht todsterbenskrank herauskommt.«

      In Anneliese brodelt es. Aber wie schon ihr Leben lang reicht all die Wut nicht aus, um Doro endlich die Meinung zu sagen. »Diese dumme Pute«, grummelt sie nur leise, und da spürt sie ihn. Diesen zarten Tropfen auf ihrer Stirn – und es werden mehr. Es dauert ein paar Augenblicke, dann zeigen sich auch auf den Pflastersteinen am Boden erste dunkelgraue Punkte.

      »Komisch, eben war es noch wolkenlos«, sagt Heidrun und schaut zum Himmel. In der Ferne grummelt es. »Mädels, wir sollten uns beeilen.«

      »Den darf ich mir doch bestimmt mal ausleihen«, behauptet eine helle, wohlbekannte Stimme neben Anneliese, und bevor sie sich versieht, ist er auch schon weg – ihr Schirm. »Du willst doch bestimmt nicht, dass sich unser lieber Herr Busfahrer einen Schnupfen einfängt.«

      »He, warte …«, versucht Anneliese, Doro zu bremsen. Aber sie ist schon auf und davon.

      So jedenfalls passiert es, dass die ganze Frauentruppe an diesem Mittag trotz bester Wettervorhersage durch einen Sturzregen läuft. Die Wasserwelle von Anneliese wird geflutet und sie ist bis auf die Unterhosen nass, als sie später im Bus sitzt. Selbst das ist die Sache wert gewesen, sagt sie sich, und auch Ursel neben ihr sieht zwar ein wenig mitgenommen, aber nicht unbedingt unzufrieden aus.

      Bis der Krankenwagen eintraf, vergingen keine zehn Minuten. Die Gruppe entschied sich gemeinschaftlich, aufgrund des unerfreulichen Zwischenfalls mit Doro, den Termin bei der Brauerei ins Wasser fallen zu lassen.

      »Das werden wir noch dieses Jahr nachholen«, verspricht Heidrun gerade den Frauen. Jede versteht das. Nach dem Ereignis von eben wäre alles andere völlig unpassend.

      Keine der Anwesenden hätte wohl vermutet, dass ein harmloser Schirm ein solches Unglück herbeiführen kann. Dass der Blitz ausgerechnet in die Stockspitze von Annelieses Schirm eingeschlagen ist, war reines Pech. Dass ihn Doro in diesem Moment in der Hand hielt, könnte ein Nivellierungsversuch des Schicksals gewesen sein – wer weiß das schon.

      Die Damen im Bus sind immer noch aufgewühlt, insbesondere Ursel. »Das hätte dich treffen können, und was dann gewesen wäre, darüber will ich gar nicht nachdenken.«

      Das will Anneliese auch nicht. Gegenwärtig ist sie sich nicht so recht sicher, ob sie sich über die eben erlebten Ereignisse eher freuen soll oder doch vielmehr betroffen sein müsste.

      Als Heidrun im Gang an ihr vorbeiläuft, sagt sie: »Du Heide, ich hätte da eine Bitte. Hast du vielleicht noch ein Gläschen Sekt? Durch das Hin und Her eben habe ich es mit dem Kreislauf.«

      Heidrun überlegt. Wahrscheinlich ist sie sich nicht sicher, ob es nach diesem Vorkommnis angebracht ist, eine Flasche Sekt zu entkorken.

      »Na ja, wenn es wegen dem Kreislauf ist, kann ich wohl kaum Nein sagen«, entscheidet die Vorsitzende schließlich. Und Ursel fügt ein bisschen kleinlaut hinzu: »Nicht, dass ihr das jetzt falsch versteht, Mädels, aber mit meinem Kreislauf sieht es auch übel aus. Am besten ist wohl, Heide, du bringst gleich die ganze Flasche.«

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