Frank Schulz-Nieswandt

Kommunale Pflegepolitik


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soziale und kulturelle Herkunft, politische Nationalität, Hautfarbe, Alter, Religion, sofern diese die Idee der Rechtsstaatlichkeit und der universalen Grundrechte teilt etc.) sowie eine entsprechende Normalisierung der Teilhabe selbstbestimmter Menschen mit Merkmalen, die zur sozialen Ausgrenzung führen: Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Behinderungen, Armut, Arbeitslosigkeit, Alter, traumatisierenden Gewalt- und/oder Fluchterfahrungen etc. Diese Inklusionsidee ist grundrechtstheoretisch fundiert und zentriert sich um die Würde des Menschen in seiner Personalität. Sie widmet sich dem Homo patiens190 in seiner besonderen Vulnerabilität (so im Fall der Kindheit, der Frauen und des hohen Alters oder in besonderen Lebenslagen wie die des Lebens z. B. mit Behinderungen). Die Vulnerabilität gehört zur Lehre von der conditio humana, dass das endliche Wesen des Menschen unsicher (Kontingenz) ist. Aus dem klassischen Mythos (Prometheus, Orpheus und Eurydike, Odysseus) wird bereits deutlich: Der Mensch altert, sein Sein ist ein Sein zum Tode hin (Martin Heidegger191), er muss immer schwer arbeiten als Ausdruck seines Sorge-Daseins, er wird krank, gebrechlich, erleidet Verlust und stirbt sodann. Sein Leben(svollzug) ist immer geprägt von Risiken. Er ist gefährdet. Vulnerabilität ist im engeren Sinne ein psychologisches Konstrukt, das gut im Kontext der Wechselwirkung von Person und Umwelt verstanden werden kann (Transaktionalismus). Mit der Analyse der Umwelt öffnet sich das Konstrukt aber auch der Soziologie und wird auch in rechtlicher Hinsicht (vor allem mit Blick auf Grundrechtsverletzungen) Naturrecht der Würde. In einem weiteren, anthropologisch orientierten Blick wird es in der philosophischen und theologischen Anthropologie diskutiert und gehört zur Lehre der conditio humana und verweist auf ontologische Grundüberlegungen zum menschlichen Dasein. In sozialpolitisch relevanter empirischer Hinsicht zählen Konzepte der Resilienz und der Kohärenz zur Modellierung der Bewältigung von Vulnerabilität. In trans-individueller Sicht zählen dazu aber auch Settings wie soziale Selbsthilfegruppen (social self-help groups) als Mutualitätsgebilde (mutual aid groups). Das Sozialpolitikverständnis der Inklusionsidee orientiert sich entsprechend am Capability-Ansatz.

      Sodann lautet Artikel 1 (Freiheit, Gleichheit, Solidarität): »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind« (kantianisch und allgemein im Lichte der Aufklärungsphilosophie gedacht) »mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität« (damit im Sinne der Wertekonstellation von 1789 die mehrfach betonte Freiheit und Gleichheit durch die Solidarität ergänzend) »begegnen.«

      Artikel 25 betont (erneut die Ebene der Sozialpolitik als Teil der Gesellschaftspolitik betretend) das »Recht auf Wohlfahrt«: »Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust der eigenen Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.«

      Wichtig ist sodann die Rahmung dieser Rechtsphilosophie in einem personalistischen Sinne, da es nicht um eine Welt des Individualismus geht. Artikel 29 betont die »Grundpflichten« aller Menschen: »1) Jeder Mensch hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein« (quasi in einem transzendentalen Sinne) »die freie und volle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit möglich ist.« Und »2) Jeder Mensch ist bei der Ausübung der eigenen Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer« (hier analog zum Art. 2 GG) »zu sichern und den gerechten Anforderungen der Moral« (wohl das Sittengesetz von Kant meinend, da die Grenze der Freiheit von Ego in dem gleichen Grundrecht von Alter Ego fundiert ist, Freiheit auf Kosten dritter im Sinne negativer Externalitäten also zu unterbinden sind) »der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.« Das Sittengesetz fordert: Tue nichts, von dem Du willst, dass man es Dir antut: Eine uralte Vorläufer-Figur des Sittengesetzes von Kant. Im Alltag: Versetze Dich doch mal in meine Lage, um zu verstehen, was Du mir antust! Sieh’ es doch mal mit meinen Augen! Du bist ein Narzisst, ein sozialer Autist! Selbstverliebt, unsensibel! Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel ist gefragt. Dann wird Selbstveränderung (Selbsttranszendenz) möglich. Das Sittengesetz in der Tradition von Immanuel Kant (1724–1804) ist psychologisch und soziologisch im Lichte empathiefundierter sozialer Interaktion reformulierbar: Handle so, dass Du in die Maxime deines Handelns auch dann noch einwilligen kannst, wenn Du dich in die Rolle derer versetzt, die von deinem Handeln betroffen sind (Pareto-Rawls-Lösungen). Als »goldene Regel« ist dieses Sittengesetz als normative Grammatik sozialen Miteinanders und der dialogischen Begegnung im zwischenmenschlichen Bereich in einer archaischen Frühform seit der »Achsenzeit« der hochkulturellen Weltreligionen bekannt. Hintergrund des Sittengesetzes ist der kategorische Imperativ bei Kant: Der Mensch sei immer nur Selbstzweck, nie Mittel zum Zweck im Sinne einer Instrumentalisierung für Dritte.

      Dies Alles wird im vorliegenden Essay radikale Folgen zeitigen für die Auslegung der kommunalen Daseinsvorsorge des Art. 28 GG (mitunter gerade auch in Bezug auf die dramatischen Verwerfungen in ländlichen Räumen angesichts der Norm der »Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Raum« in Art. 72 GG), auch hier in einem europarechtlichen Rechtshorizont gestärkt durch das Grundrecht auf freien Zugang zu sozialen Dienstleistungen im Art. 36 der Grundrechtscharta, primärrechtlich verankert im EUV sowie in den AEUV. Diese Sakralität der personalen Würde ist besonders der Sprachatmosphäre192 und der Argumentationsarchitektur der für uns verbindlichen Grundrechtskonventionen der UN anzumerken.

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