lagern ist wahrscheinlich ein Glücksspiel.
Als Trader treibt man Handel. Man muss sein kaufmännisches Risiko festlegen – den maximalen Geldbetrag, den man mit einem einzelnen Handelsgeschäft riskieren will. Dafür gibt es genauso wenig einen üblichen Dollarbetrag, wie es kein übliches Geschäft gibt. Welches Risiko für einen Geschäftsmann akzeptabel ist, hängt in erster Linie von der Größe des Trading-Depots ab. Zudem hängt es von der Trading-Methode und von der persönlichen Schmerztoleranz ab.
Das Konzept des unternehmerischen Risikos verändert die Art, wie man mit seinem Geld umgeht (siehe Kapitel 9, „Risikomanagement“). Das absolute Maximum, das ein Trader mit einem einzelnen Trade riskieren sollte, beträgt zwei Prozent des Kapitals in seinem Depot. Hat man beispielsweise 30.000 Dollar im Depot, sollte man höchstens 600 Dollar pro Trade riskieren, und wenn man 10.000 Dollar hat, sollte man höchstens 200 Dollar riskieren. Wenn Ihr Depot klein ist, beschränken Sie sich darauf, mit weniger Aktien, mit weniger teuren Futures oder mit Mini-Kontrakten zu handeln. Wenn Sie einen attraktiven Trade sehen, aber der Logik zufolge ein Stoppkurs so platziert werden müsste, dass mehr als zwei Prozent des Depotbestands auf dem Spiel stünden, dann lassen Sie diesen Trade bleiben. Man kann natürlich weniger riskieren, darf aber nie mehr riskieren. Man muss Risiken über zwei Prozent pro Trade genauso meiden, wie ein Alkoholiker Kneipen meidet.
Ein Trader, der die hohen Gebühren einem Broker und die Slippage einem Parketthändler in die Schuhe schiebt, gibt die Kontrolle über sein Trading-Leben ab. Versuchen Sie, beide gering zu halten, übernehmen Sie aber auch für beide die Verantwortung. Wenn man einschließlich Gebühren und Slippage auch nur einen Dollar mehr als sein unternehmerisches Risiko verliert, ist man ein Verlierer.
Führen Sie ordentliche Aufzeichnungen über Ihr Trading? Schlechte Aufzeichnungen sind ein sicheres Anzeichen für Glücksspiel. Ein guter Geschäftsmann führt gute Aufzeichnungen. Die Trading-Buchhaltung muss Datum und Preis jedes Einstiegs und Ausstiegs angeben, die Slippage, die Gebühren, die Stoppkurse, alle Anpassungen von Stoppkursen, Gründe für den Einstieg, Ziele für den Ausstieg, den maximalen Buchgewinn, den maximalen Buchverlust nach Erreichen eines Stoppkurses sowie alle etwaigen anderen Angaben, die notwendig sein können, um den Trade auch später, in der Zukunft, noch vollständig zu verstehen.
Es gehört zum üblichen Geschäftsgang, dass man aus einem Trade im Rahmen seines geschäftlichen Risikos aussteigt. Da feilscht man nicht, man wartet keinen weiteren Tick ab und hofft nicht, dass sich etwas ändert. Einen Dollar mehr zu verlieren als das festgelegte kaufmännische Risiko ist wie wenn man sich betrinkt, sich auf eine Prügelei einlässt, einem auf dem Heimweg schlecht wird und man morgens im Rinnstein aufwacht. Man würde ja nie wollen, dass einem das passiert.
Einsames Meeting
Wenn man ein AA-Meeting besucht, trifft man auf Menschen, die seit Jahren keinen Alkohol mehr getrunken haben, sich nun hinstellen und sagen: „Hallo, ich heiße Soundso und bin Alkoholiker.“ Warum bezeichnen sie sich nach Jahren der Abstinenz immer noch als Alkoholiker? Weil sie, wenn sie glauben würden, sie hätten den Alkoholismus besiegt, wieder trinken würden. Wenn jemand meint, er sei kein Alkoholiker mehr, darf er ja einen trinken, dann noch einen – und landet vielleicht wieder in der Gosse. Ein Mensch, der trocken bleiben will, muss bedenken, dass er sein restliches Leben lang Alkoholiker bleiben wird.
Es käme Tradern zugute, wenn sie ihre eigene Selbsthilfe-Organisation hätten – ich würde sie als Anonyme Verlierer bezeichnen. Warum nicht Anonyme Trader? Weil ein drastischer Name die Aufmerksamkeit auf die selbstzerstörerischen Neigungen lenkt. Die Anonymen Alkoholiker nennen sich ja auch nicht Anonyme Trinker. Wenn man sich als Verlierer bezeichnet, konzentriert man sich auf die Vermeidung von Verlusten.
Einige Trader argumentieren gegen das ihrer Meinung nach „negative Denken“ in „Anonyme Verlierer“. Eine Rentnerin aus Texas – eine höchst erfolgreiche Traderin – hat ihre Methode beschrieben. Sie ist sehr gläubig, betet jeden Morgen und fährt dann in ein Büro, in dem sie aktiv tradet. Jedes Mal, wenn die Märkte beginnen, gegen sie zu laufen, begrenzt sie sehr schnell ihre Verluste, weil es Gott nicht gefallen würde, wenn sie sein Geld verlieren würde. Ich fand unsere Methoden sehr ähnlich. Das Ziel ist es, Verluste anhand einer objektiven, externen Regel zu begrenzen.
Innerhalb des unternehmerischen Risikos zu traden ist, wie ohne Alkohol zu leben. Ein Trader muss genauso eingestehen, dass er ein Verlierer ist, wie ein Trinker eingestehen muss, dass er Alkoholiker ist. Erst dann kann er seine Reise zur Genesung antreten.
Deshalb schlage ich vor, sich jeden Morgen vor dem Trading zu sagen: „Guten Morgen, ich heiße Soundso und bin ein Verlierer. Es steckt in mir, dass ich meinem Depot schweren finanziellen Schaden zufüge.“ Das ist wie bei einer AA-Sitzung – der Verstand bleibt auf die Grundprinzipien konzentriert. Selbst wenn man am heutigen Tag an den Märkten Tausende Dollar verdient hat, sagt man morgen früh: „Guten Morgen, ich heiße Soundso und bin ein Verlierer.“
Ein Freund von mir hat einmal scherzhaft gesagt: „Wenn ich mich morgens vor den Bildschirm setze, sage ich: ‚Ich heiße John und ich werde euch die Kehle aufschlitzen.‘“ Dieses Denken erzeugt Anspannung. Das Denken nach dem Motto der „Anonymen Verlierer“ erzeugt hingegen Klarheit. Ein Trader, der sich abgeklärt und entspannt fühlt, kann sich auf die Suche nach den besten und sichersten Trades konzentrieren. Wenn ein Nüchterner und ein Betrunkener um die Wette laufen, weiß man, wer mit höherer Wahrscheinlichkeit gewinnt. Gelegentlich mag auch ein Betrunkener gewinnen, aber derjenige, auf den man wetten sollte, ist der Nüchterne. Man will in diesem Rennen der Nüchterne sein.
Menschen finden aus verschiedenen Lebenslagen und Gesellschaftsschichten zum Trading und bringen ihr jeweiliges geistiges Gepäck mit. Viele stellen fest, dass sie Geld verlieren, wenn sie am Markt genauso handeln wie im täglichen Leben. Vor allen Dingen hängen Erfolg und Misserfolg von der Fähigkeit ab, eher den Intellekt einzusetzen als emotional zu handeln. Ein Trader, der sich überschwänglich freut, wenn er gewinnt, und den es deprimiert, wenn er verliert, ist den Bewegungen des Marktes ausgeliefert und kann kein Kapital ansammeln.
Um an der Börse zu den Gewinnern zu gehören, muss man mit kühlem Kopf verantwortungsvoll handeln. Der Schmerz des Verlustes veranlasst die Menschen, nach Zaubermethoden zu suchen. Gleichzeitig verwerfen sie vieles, das in ihrem beruflichen oder geschäftlichen Umfeld von Nutzen ist.
Wie ein Ozean
Der Markt ist wie ein Ozean – er steigt und fällt unabhängig von dem, was man sich wünscht. Man mag Freude empfinden, wenn man eine Aktie kauft und sie dann explosionsartig steigt. Man mag in Furcht zerfließen, wenn man short geht, aber der Markt steigt, sodass das Kapital mit jedem Uptick zusammenschmilzt. Aber diese Gefühle haben nichts mit dem Markt zu tun – sie existieren nur in einem selbst.
Der Markt weiß ja nicht, dass es uns gibt. Man kann nichts tun, um ihn zu beeinflussen. Dem Ozean ist das Wohlergehen eines Menschen egal, aber er ist auch nicht darauf aus, ihn zu schädigen. Das Einzige, was man unter Kontrolle hat, ist das eigene Verhalten.
Ein Seemann kann den Ozean nicht beherrschen, aber er kann sich selbst beherrschen. Er kann Strömungen und das Wettergeschehen studieren, die richtigen Techniken der Seefahrt lernen und Erfahrungen sammeln. Er kann lernen, wann man auslaufen und wann man im Hafen bleiben sollte. Ein erfolgreicher Seemann nutzt seine Intelligenz.
Ein Ozean kann von Nutzen sein – man kann darin fischen und seine Oberfläche nutzen, um zu anderen Inseln zu gelangen. Ein Ozean kann auch gefährlich sein – man kann darin ertrinken. Je rationaler der Ansatz, umso wahrscheinlicher bekommt man, was man will. Wenn man hingegen seine Gefühle auslebt, kann man sich nicht auf die Gegebenheiten des Ozeans konzentrieren.
Ein Trader muss Trends und Trendwenden