Michael Marcus Thurner

Perry Rhodan 3066: Drangwäsche


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während deiner Drangwäsche«, korrigierte ihn Dou.

      »Dann freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit.«

      »Ja.«

      Die halutische Höflichkeit wirkte befremdlich auf ihn. Sie klang aufgesetzt und machte ihn misstrauisch.

      Dou hatte schon des Öfteren mit Icho Tolot zu tun gehabt und wusste, dass der Haluter seine Worte durchaus ernst meinte. Das Planhirn sorgte für unübertroffene Korrektheit, auch in der bewussten Wahl der Worte.

      »Hattest du schon einmal mit einem Haluter zu tun, der kurz vor dem Vurhatu stand?«

      »Nein. Ziehst du eigentlich in Betracht, in den Suspensionsalkoven zu steigen und die Zeit bis zur Ankunft in der Milchstraße im Dämmerschlaf zu verbringen? Die RAS TSCHUBAI wäre dadurch ein weitaus sichererer Ort.«

      »Matho Thoveno und ich haben über diese Option gesprochen«, meinte Tolot. »Ich stünde in dieser Zeit nicht mehr als Ratgeber und Expeditionsleiter zur Verfügung.«

      »Cascard Holonder ist ein kompetenter Kommandant.«

      »Richtig. Aber ich besitze, bei aller Bescheidenheit, weit mehr Erfahrung als er. Darüber hinaus ist nichts über die Wirkung des Suspensionsalkovens auf die halutische Psyche bekannt, wenn ich in meiner Drangwäsche eingeschränkt werde. Mag sein, dass mir der Aufenthalt in seinem Inneren schadet. Oder dass sich das Aggressionspotenzial aufschaukelt und ich nach der Ankunft in der Milchstraße erst recht Probleme mache.«

      »Wie ist dein Vorschlag? Sollen wir dich in einem Beiboot aussetzen, damit du dich irgendwo zwischen den Sternen austoben kannst?«

      Tolot stand starr da wie ein Monument. Er bewegte sich nicht, atmete nicht. So, als hätte er seine Körperstruktur umgewandelt und wäre gleich darauf verstorben.

      »Verzeih, Onker Dou«, sagte der Haluter nach einer Weile. »Die Lust nach Drangwäsche macht sich deutlicher als sonst bemerkbar. Ich muss dagegen ankämpfen.«

      Dou war kein ängstlicher Epsaler. Doch Tolots Worte ließen sein Herz schneller schlagen. Sollte der Haluter die Kontrolle verlieren, würde er ihn in Stücke reißen.

      »Wir könnten dich in eine Simulationswelt auf Deck 14 versetzen«, nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. »Die Größe der Trainingshallen ist variabel. Es wäre ausreichend Platz, um dir die Illusion zu verschaffen, dass du dich auf einer exotischen Welt bist und dich austobst.«

      »Das würde einerseits wahrscheinlich funktionieren. Aber es würde die Drangwäsche deutlich in die Länge ziehen. ANANSI und Holonder sind nicht damit einverstanden, wenn ich zwei Wochen lang durch Deck 14 toben würde.«

      »Also sollten wir die Reise unterbrechen und dich irgendwo im Nirgendwo aussetzen.«

      »Ich habe einen Vorschlag«, meldete sich ANANSI zu Wort. ANANSI, die allgegenwärtige Semitronik des Schiffs.

      »Und zwar?«, fragte Tolot.

      »Das Hüllensalkrit des Schiffs muss via Hyperschwingungs-Induktoren aufgeladen werden. Die Salkrit-Kristalle erreichen das Ende ihrer Halbwertzeit. Ich habe zwar noch einen Puffer von einigen Millionen Lichtjahren, aber wir könnten diese Zwischenetappe bereits einlegen.«

      Diese Reiseunterbrechung war vor einigen Wochen intern diskutiert worden. Sie mussten die RAS TSCHUBAI in die unmittelbare Nähe einer geeigneten Sonne bringen und via Zapfung den höchstmöglichen Energiefluss für die einmalige Aufladung des Salkrits schaffen.

      Vierzehn Kilogramm der immens wertvollen Hyperkristalle mussten dotiert werden – und dafür wurden zwei Wochen terranischer Zeit veranschlagt.

      »Hast du bereits ein Ziel im Auge?«, fragte Tolot die Bordsemitronik.

      »NGC 1169 bietet sich an. Diese Galaxis hat einen Durchmesser von etwa hundertdreißigtausend Lichtjahren und ist damit deutlich größer als die Milchstraße. Es sollte sich im Halo eine geeignete Sonne für die Zapfung finden lassen.«

      Ein Holo entstand zwischen Dou und Tolot. Es zeigte die nähere Umgebung entlang ihrer Flugroute. Der Reisevektor wies in Richtung Milchstraße, die noch viel zu weit weg war, um mehr als ein winziger weißer Fleck in der Darstellung zu sein, einer von vielen Tausend.

      Das Holo saugte Dou in sich auf. Er glitt tiefer in die Darstellung, die Größenverhältnisse änderten sich. Eine Balkenspiralgalaxis geriet in den Fokus. Ihr Kern leuchtete rot, er wurde von älteren Sternen dominiert. Die Spiralarme hingegen zeigten nebelartige Bänder und Schlieren, die sich nach einem weiteren Vergrößerungssprung als unzählige blaue Gestirne entpuppten.

      »Wir kennen die spezifischen galaktopolitischen Verhältnisse in NGC 1169 nicht«, warnte Dou, nachdem er sich aus den Bildern gelöst hatte. »Ein vierzehntägiger Aufenthalt birgt eine Menge Risiken. Vor allem, falls wir uns tiefer ins Innere der Sterneninsel wagen sollten.«

      »Wir bleiben im Halo, möglichst weit außerhalb der Kernregion«, empfahl Tolot. Und, an ANANSI gerichtet: »Wenn Holonder mit dieser Lösung einverstanden ist, bin ich es auch. Ich werde mir ein Beiboot nehmen und eine Welt suchen, auf der ich mich dem Vurhatu widmen kann.«

      »Wir werden eine Welt suchen«, verbesserte ihn Onker Dou. »Ich habe den Auftrag, dich auf Schritt und Tritt zu begleiten.«

      Tolot blickte ihn aus seinen drei tiefroten Augen an. Viel zu lange und wiederum mit einer Ruhe, die Dou zutiefst beunruhigte.

      »Selbstverständlich«, sagte der Haluter schließlich. »Du bist dir des Risikos bewusst? Selbstbeherrschung fällt mir in meinem Zustand schwer.«

      »Ich werde mich bestmöglich vorbereiten«, sagte Dou mit fester Stimme.

      Er würde ein Fluchtschiff benötigen. Eine kleine Einheit, mit deren Hilfe er so rasch wie möglich so viel Distanz wie möglich zwischen sich und einen randalierenden Icho Tolot bringen konnte.

      Der Haluter wandte sich wieder dem Holo zu. »Ich sehe zumindest eine Protogalaxis und zwei Kleingalaxien, die deutlich näher als NGC 1169 liegen«, sagte er und deutete auf drei kleinere Leuchtflecken. »Sie wären schnell zu erreichen.«

      »Ich weiß«, sagte ANANSI.

      »Aber?«

      Die Semitronik zögerte, wie Dou überrascht feststellte.

      »Ich hatte unmittelbar vor der Neu-Werdung der VECU eine ganz besondere Unterhaltung«, sagte sie schließlich. »Mit Bru Shaupaard.«

      Dou spürte mit einem Mal einen Juckreiz im Nacken. Bru Shaupaard, Cairaner und treuer Vasall der VECU, hatte ein teilweise undurchschaubares Spiel mit ihnen getrieben. Er hatte die RAS TSCHUBAI gefährdet, indem er Splitter der Superintelligenz ins Innere des Schiffs geschmuggelt hatte. Einer der Splitterträger war Icho Tolot gewesen.

      »Red weiter!«, forderte der Haluter die Semitronik auf.

      »Bru Shaupaard war dankbar für unsere Unterstützung und hinterließ uns ein letztes Geschenk. Genauer gesagt: mir.«

      »Und du hast uns über diese Unterhaltung nicht informiert?«, fragte Dou, dessen Juckreiz sich verstärkte.

      »Shaupaards Hinweise waren sehr vage gehalten.«

      »Das ist kein Grund, sie uns zu verheimlichen.«

      »Ich hatte vor, in den nächsten Tagen mit der Schiffsführung darüber zu sprechen. Es geht nämlich um NGC 1169.«

      »Ein wenig präziser, bitte!«, verlangte Tolot.

      »Bru Shaupaard meinte, dass diese Galaxis einmal die Aufmerksamkeit der Cairaner auf sich gezogen habe. Sie wäre eine der Galaxien, die seine Leute in Betracht gezogen hätten. Mehr war er leider nicht bereit zu sagen.«

      »Das ist alles?«, hakte Dou nach.

      »Er gab mir ein Koordinatennetz, das den Außenbereich eines der Spiralarme umfasst. Jenes Arms namens Paliaga, der in Richtung Milchstraße weist.«

      Diese vage räumliche Angabe war ausschließlich für ihn zur Orientierung