Seine Waffen hatte er mitgeführt, und es wunderte ihn, dass man sie ihm nicht schon längst abgenommen hatte. Aber vielleicht bestand keine Möglichkeit, dass Wächter sein Gefängnis betraten, solange die wurmartige Kreatur in Bewegung war.
Langsam zog er den Handstrahler und richtete ihn auf die Öffnung.
Die Scheibe klappte zurück.
Rhodan behielt die Nerven. Noch nicht schießen ...
Zunächst brauchte er Informationen. Es brachte nichts, einen Gegner auszuschalten, solange er die Aussichten auf Flucht nicht beurteilen konnte.
Perry Rhodan sah einen dunklen Umriss. Etwas senkte sich in sein Gefängnis.
Es war ein kugelförmiger, etwa einen Meter durchmessender Roboter, der mit einem leisen Summen auf ihn zuschwebte. Seine lackschwarz glänzende Oberfläche wies als einzige Unterbrechung ein kleines, rot leuchtendes Display auf.
Plötzlich zwang ein Traktorstrahl Rhodan zurück an die Wand und fixierte seine Arme und Beine. Er konnte die Waffe nicht mehr ausrichten.
Unsichtbare Kräfte zerrten an dem Handstrahler, bis sich seine Finger davon lösten. Die Waffe schwebte zu dem Roboter hinauf, in dem sich eine Klappe öffnete, in der sie verschwand.
Im nächsten Augenblick wurde Rhodan selbst in die Höhe gehoben. Er konnte keinen Finger rühren. Hilflos folgte er dem Roboter durch die Luke. Er konnte nur hoffen, dass Tenga ihnen im Schutz des Deflektorschirms folgte.
Er befand sich wieder in der abschüssigen Röhre. Zwei mit seinem Entführer baugleiche Roboter erwarteten sie dort. Nach wenigen Metern öffnete sich ein in die Seite eingelassenes Schott, das er zuvor wegen der rasanten Bewegung nicht bemerkt hatte. Sie flogen hindurch, und Rhodan fand sich unvermittelt in einem großen Schiffshangar wieder, in dem der Wurm geradezu winzig wirkte, wie ein Spielzeug – oder wie ein kleiner irdischer Wurm auf dem Boden eines Raumschiffdecks.
Er war nicht allein dort. Mehrere Humanoide sahen aus goldfarbenen Augen neugierig zu ihm hinüber.
Die Wesen waren etwa menschengroß. Ihre Haut war so lackschwarz glänzend wie die Oberfläche der Roboter, und an ihrem Kopf richteten sich je zwei handgroße, schmale Ohren hoch auf. Der Schädel war von dichtem, dunklem Kopfhaar bedeckt. Über der Nase saß ein ovales Organ zwischen den Augen. Unter Rhodans Blicken wechselte es bei den meisten der Wesen, die ihn musterten, die Farbe, bei den meisten von einem Rosa oder dunklen Rot hin zu einem grellen Orange oder Safrangelb.
Gerade habe ich noch an sie gedacht ... und jetzt ... sind sie am Ende Verbündete der Cairaner?
Perry Rhodan kannte das Volk, dem diese Wesen angehörten, und wusste daher, dass es sich bei dem Gebilde auf der Stirn um ein Emot-Organ handelte.
Offenkundig war er an Bord eines Raumvaters der Onryonen.
6.
Im Raumvater
Die On-Piraten
Die Roboter hielten Perry Rhodan weiterhin mit ihren Traktorstrahlen fest.
Vier Onryonen gingen auf den Terraner zu und betrachteten ihn gelassen. Die Emots hatten ins Hellblaue gewechselt, als freuten sie sich.
»Zieht ihm den SERUN aus!«, befahl ein Onryone, der etwas bulliger gebaut war als die anderen.
Rhodan wusste, dass er keine Chance hatte, sich gegen die Übermacht von Onryonen und Robotern zu behaupten, leistete aber trotzdem erbitterten Widerstand, schüttelte sich und versuchte, sich von den Robotern wegzudrehen. Doch es war sinnlos, die Kugelroboter waren überall.
Schließlich wurde einer der Onryonen des Spiels überdrüssig und befahl den Einsatz eines Fesselfeldgenerators.
Nun konnte Rhodan sich überhaupt nicht mehr bewegen. Aber er tobte und schrie, was das Zeug hielt, bot eine gute Show und hoffte, Sholotow Affatenga würde sie nutzen.
Mithilfe ihrer Traktorstrahlen öffneten die Roboter den SERUN, ohne ihn zu beschädigen. Ein hagerer Onryone, der etwas älter als die anderen wirkte, trat zu dem Anzug, der von den Strahlen in der Luft gehalten wurde, und untersuchte ihn.
Dann sah er stirnrunzelnd zu dem Terraner. Sein Emot-Organ färbte sich grau.
Damit drückte der Humanoide Misstrauen oder Zweifel aus, wie Rhodan wusste. Die Onryonen hatten einst in der Milchstraße gelebt und waren beinahe einem Völkermord zum Opfer gefallen. Erst 1150 NGZ hatten sie sich im Gefolge des Atopischen Tribunals unbemerkt wieder in der Galaxis angesiedelt – und waren geblieben, nachdem das Tribunal längst Geschichte war.
Anfangs hatte Rhodan keine allzu guten Erfahrungen mit den Onryonen gemacht, allerdings hatte sich das Verhältnis längst normalisiert, und die Onryonen waren ein selbstverständlicher Teil galaktischen Alltags geworden.
Jedenfalls war das vor fünfhundert Jahren so gewesen.
Und nun?
Nun hatte ein Raumvater – wie die Onryonen ihre Raumschiffe bezeichneten – mithilfe dieses seltsamen Wurms die BJO BREISKOLL angegriffen!
Hatte sich das Verhältnis zwischen Menschen und Onryonen wieder verschlechtert? Lebten sie vielleicht sogar in einem offenen Konflikt miteinander? Oder handelte es sich bei der Kaperung der BJO um einen Einzelfall, den er isoliert betrachten musste? Er wusste zu wenig über die Zustände in der Milchstraße, um ein endgültiges Urteil fällen zu können. Zuerst musste er mehr erfahren.
Woher rührte das Misstrauen des Onryonen? Hatte er erkannt, dass es sich bei dem SERUN um ein Modell handelte, das von der Machart her mehrere Hundert Jahre alt war?
Während das Fesselfeld Rhodan noch im Griff hatte, trat der Onryone auf ihn zu. Fast spöttisch ließ er den Blick über ihn gleiten.
»Ich bin Occnar Saddoryc«, sagte er wie im beiläufigen Konversationston. »Mein Schiff ist die AUCBURN, ein onryonischer Raumvater!« Ein gewisser Stolz schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit.
Rhodan tat so, als würde er sich langsam beruhigen. Sholotow Affatenga war hoffentlich die Flucht gelungen. Es überraschte ihn, dass die Detektoren im Hangar den Siganesen nicht entdeckt hatten. Offensichtlich ließ Occnar Saddoryc im Umgang mit seinen Gefangenen eine gewisse Überheblichkeit walten. Wer rechnete auch schon mit Siganesen, wenn man einen Terraner fing?
»Ein stolzes Schiff«, ging Rhodan auf das Spiel des Onryonen ein. »Und eine wirklich außergewöhnliche ... Kreatur.«
»Ja, nicht wahr?« Das Emot-Organ blieb grau; das Misstrauen des Onryonen hatte sich nicht gelegt. Rhodan fragte sich, ob Saddoryc ihn erkannt hatte, was natürlich gewisse Fragen aufwerfen würde. In den letzten fünfhundert Jahren war er in der Milchstraße nicht in Erscheinung getreten, doch dass man ihn außerhalb der Liga Freier Galaktiker völlig vergessen hatte, bezweifelte er.
Erinnerte sich der Onryone an ihn? Dann würde er sich zweifellos fragen, wieso er nun plötzlich wieder auf der Bühne aufgetaucht war.
»Das ist mein liebster Deccar.« Saddoryc ging zu dem wurmähnlichen Geschöpf und hämmerte mit der Faust auf dessen Haut. Die Kreatur mochte den Schlag als zärtliche Liebkosung empfinden. Geduldig schwebte sie im Hangar, drehte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen, musste aber nicht im Zaum gehalten werden, was ihren Fressdrang betraf. »Darf ich dir ihren Reiter vorstellen? Das ist Klingsor Too. Er hat großen Anteil daran, dass unsere Begegnung möglich wurde.«
Ein Mann trat hinter der Wurmkreatur hervor. Es war ein Terraner, vielleicht sechzig Jahre alt, mit vollem, blondem Haupthaar, blondem Bart und grünen Augen. Unsicher lächelte er dem Onryonen zu.
Den Begriff Reiter musste Rhodan wohl relativ weit fassen. Der Terraner hatte schließlich nicht auf dem Deccar gesessen. Wenn überhaupt, hatte er sich in dem Geschöpf befunden. Aber Rhodans Verdacht, dass der Wurm gesteuert wurde, hatte sich damit bestätigt.
Klingsor Too betrachtete Rhodan mit derselben unverhohlenen Neugier wie der Onryone. In Rhodan keimte der Verdacht, dass die Besatzung des Raumvaters über seine