Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg


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und der Kai­ser zu­gleich. Wäh­rend die üb­ri­gen Leo­pold we­gen ei­nes sol­chen Vor­schlags ta­del­ten, trat der Kai­ser an das Fens­ter und stell­te sich vor, wie wohl es ihm täte, wenn er die treu­lo­se Stadt in Feu­ers­not zu sei­nen Fü­ßen sich win­den, den Rauch über die Ver­nich­tung sich hin­wäl­zen sähe. Er är­ger­te sich über sei­nen Nef­fen, der auf sei­nen Be­fehl zu der Brand­stif­tung war­te­te; auch er hat­te nicht Mut zu han­deln, son­dern woll­te die Verant­wor­tung für die Tat auf ihn wäl­zen, sol­cher Die­ner be­durf­te er nicht, son­dern klu­ger und ent­schlos­se­ner, die sei­nen Wil­len er­kann­ten und aus­führ­ten, be­vor er noch selbst es wuss­te. Da­zwi­schen kam die Furcht vor Matt­hi­as, der mit je­dem Au­gen­blick an der Spit­ze ei­nes Hee­res nä­her­kam. War es nicht bes­ser, wie Han­ne­wald riet, Leo­pold und sei­ne Ge­nos­sen zu ver­leug­nen und Frie­den mit den Stän­den und der Stadt zu ma­chen, so­dass Matt­hi­as vor ver­schlos­se­ne Tü­ren käme und wie­der ab­zie­hen müss­te?

      Noch be­vor er sich für ir­gen­det­was ent­schie­den hat­te, war Ramée, in der Ein­sicht, dass er sich zwi­schen zwei Fein­den nicht wür­de hal­ten kön­nen, mit den Söld­nern ab­ge­zo­gen. Meh­re­re mit Sä­cken voll ge­raub­ter Schät­ze be­la­de­ne Wa­gen hat­te er un­ter Be­de­ckung vor­an­ge­schickt. Über die Kran­ken und Ver­wun­de­ten, die zu schwach wa­ren, um mit­zu­ge­hen, fie­len die er­bit­ter­ten Bür­ger her, bei de­nen sie im Quar­tier la­gen, und schlu­gen, würg­ten oder mar­ter­ten sie zu Tode.

      Bald nach dem Ab­zu­ge der Pas­sau­er er­schi­en Matt­hi­as vor Prag, von der Be­völ­ke­rung, die sich von Ru­dolf ver­ra­ten fühl­te, freu­dig als Ret­ter be­grüßt. Ru­dolf blieb nichts üb­rig, als auf die böh­mi­sche Kro­ne zu ver­zich­ten; denn alle hul­dig­ten dem neu­en Herrn und schie­nen sich kaum sei­ner An­we­sen­heit zu er­in­nern. Er zog sich in das­je­ni­ge sei­ner Ge­mä­cher zu­rück, wo­hin am we­nigs­ten Geräusch von au­ßen drang, und ver­such­te sich an­zu­stel­len, als gin­gen die Er­eig­nis­se in der Stadt ihn nichts an. Doch er­fuhr er, dass zwei Deut­sche, die in sei­nem Auf­tra­ge Zau­be­rei ge­gen Matt­hi­as ge­trie­ben ha­ben soll­ten, ge­fan­gen und ge­fol­tert wur­den, und muss­te dies und an­de­res ohn­mäch­tig ge­sche­hen las­sen. Was ihn trös­te­te, war, sich aus­zu­den­ken, durch was für Ma­chi­na­tio­nen er Matt­hi­as den Tri­umph wie­der ent­rei­ßen kön­ne, und dazu konn­ten ihm jetzt nur noch die Pro­tes­tan­ten im Rei­che ver­hel­fen. Dass An­halt ihm nicht mehr trau­te, fühl­te er und hät­te auch den Ver­we­ge­nen nicht mehr se­hen mö­gen; aber es fehl­te nicht an an­de­ren Fürs­ten und Un­ter­händ­lern, die je­den Au­gen­blick be­reit wa­ren, mit dem Kai­ser an­zu­knüp­fen.

      Von Leo­pold war nichts mehr zu er­war­ten, denn er war nach dem kläg­li­chen Mis­ser­folg sei­nes Un­ter­neh­mens so nie­der­ge­drückt und be­schämt, wur­de von je­der­mann mit so sicht­ba­rer Käl­te und Ver­ach­tung be­han­delt, dass er einst­wei­len nur dar­auf be­dacht war, sich zu­rück­zu­zie­hen und den Men­schen aus­zu­wei­chen. Auch sei­nen Hoff­nun­gen auf die Hei­rat mit der bay­ri­schen Prin­zes­sin muss­te er ent­sa­gen und sich mit dem so leicht­fer­tig ab­ge­wor­fe­nen Bi­schofs­klei­de wie­der be­gnü­gen.

      Mag­da­le­na hat­te lan­ge an ih­rer Lie­be zu Leo­pold fest­ge­hal­ten, bis es dem weit­be­rühm­ten Pa­ter Lo­renz von Brin­di­si, den der alte Her­zog ei­gens dazu kom­men ließ, ge­lang, sie zum Ver­zicht zu be­we­gen, in­dem er ihr Leo­polds Pries­ter­stand, ihre Pf­licht ge­gen Gott, Va­ter und Bru­der und die Stra­fen im Jen­seits vor­stell­te, die er­trotz­ten ir­di­schen Freu­den fol­gen könn­ten. Es war umso bit­te­rer für sie, als Matt­hi­as sich in­zwi­schen mit sei­ner Nich­te Anna, der Toch­ter sei­nes Bru­ders Fer­di­nand von Ti­rol, ver­hei­ra­tet hat­te, und dass noch ein an­de­rer Be­wer­ber sieb ein­stel­len könn­te, wie ihr Va­ter trös­te­te, woll­te sie nicht glau­ben. Ei­nes Ta­ges be­gab es sich je­doch, dass Ma­xi­mi­li­an einen Ver­wand­ten als Gast zur Ta­fel lud, näm­lich den jun­gen Her­zog Wolf­gang Wil­helm von Pfalz-Neu­burg, auf wel­chen er Mag­da­le­na be­deu­tungs­voll als auf einen zu­kunfts­rei­chen Fürs­ten auf­merk­sam mach­te, der sich in Hin­sicht auf den Glau­ben mög­li­cher­wei­se ei­nes Bes­se­ren be­leh­ren las­sen wür­de, be­son­ders wenn sie, als eine ver­stän­di­ge und vor­sich­ti­ge Per­son, sich dies Gott wohl­ge­fäl­li­ge Werk an­ge­le­gen sein lie­ße. Ihrem Va­ter ver­hehl­te Mag­da­le­na nicht, dass sie den Vet­ter schön und lie­bens­wür­dig fin­de; aber au­ßer ei­ni­gen Scherz­wor­ten, die sie er­rö­ten mach­ten, und etwa ei­nem be­son­ders nach­drück­li­chen Hän­de­druck wa­ren ihm kei­ne An­nä­he­rungs­ver­su­che nach­zu­wei­sen. Im­mer­hin be­trach­te­te es Ma­xi­mi­li­an als einen Er­folg, dass Wolf­gang Wil­helm sich von ihm hat­te be­re­den las­sen, ei­ner Mes­se bei­zu­woh­nen, und die Ze­re­mo­nie mit au­gen­schein­li­chem Re­spekt be­ob­ach­tet hat­te.

      Um die noch nicht ge­re­gel­te Fra­ge der Nach­fol­ge im Rei­che zu ord­nen, be­raum­ten die Kur­fürs­ten auf Mi­chae­lis 1611 eine Ver­samm­lung in Nürn­berg an, auf wel­che die Stadt sich den Som­mer über in fröh­li­cher und sorg­li­cher Ge­schäf­tig­keit vor­be­rei­te­te. Es er­for­der­te reif­li­ches Be­den­ken, wo und wie ein je­der nach sei­ner Wür­de sol­le ein­quar­tiert wer­den, und wenn dies auch zum Teil dem Erb­mar­schall Pap­pen­heim, als dem Quar­tier­ma­cher, ob­lag, so ging der Ver­kehr mit die­sem we­gen der viel­fach sich kreu­zen­den Be­fug­nis­se nicht ohne Vor­sicht und Spitz­fin­dig­keit von­stat­ten. So wa­ren ei­ni­ge Män­ner auf den Ein­fall ge­kom­men, wäh­rend des Kur­fürs­ten­ta­ges einen Glücks­topf zu er­öff­nen, und hat­ten sich we­gen der Er­laub­nis an Pap­pen­heim ge­wen­det, die­sel­be auch er­hal­ten. Als sie dann den Rat in zwei­ter Stel­le an­gin­gen, er­teil­te ih­nen die­ser einen gänz­li­chen Ab­schlag und steck­te sie zum Bei­spiel und zur Leh­re, ob­wohl sie zu den ehr­ba­ren Bür­gern ge­hör­ten, für meh­re­re Tage ins Loch; denn bei den über­all aus­schlüp­fen­den Prä­ten­tio­nen der Fürs­ten und des Adels galt es von vorn­her­ein, den Un­ter­ta­nen die Ho­heit zu wei­sen.

      In der sich täg­lich mehr mit Frem­den fül­len­den Stadt muss­te streng auf Ord­nung ge­hal­ten wer­den. Da ka­men Pas­te­ten­bä­cker aus Loth­rin­gen, Spit­zen­ver­käu­fer aus Lyon und Per­len­händ­ler aus Mar­seil­le, und wenn das neu­gie­ri­ge Volk dar­an Er­göt­zen hat­te, so er­ei­fer­te sich das ein­hei­mi­sche Ge­wer­be, dem da­durch Scha­den droh­te. Die je­wei­li­gen Be­schwer­den woll­ten gründ­lich un­ter­sucht wer­den, wie denn die Kla­ge der Uhr­ma­cher, dass sie auf dem Reichs­ta­ge zu Augs­burg im Jah­re 1582 nicht zu­ge­las­sen wor­den wä­ren, rich­tig be­fun­den und die Augs­bur­ger Uhr­ma­cher dar­auf­hin füg­lich ab­ge­wie­sen wer­den konn­ten. Miss­hel­lig­kei­ten wa­ren vor al­len Din­gen in­fol­ge des Zu­sam­men­strö­mens ver­schie­de­ner Be­kennt­nis­se in der Stadt zu be­fürch­ten, und es wur­de des­halb der Geist­lich­keit mehr­fach und nach­drück­lich ein­ge­schärft, sich wäh­rend die­ser Zeit des über­flüs­si­gen Kri­ti­sie­rens und Fan­ta­sie­rens zu ent­hal­ten, viel­mehr be­schei­dent­lich bei der Aus­le­gung des Tex­tes zu blei­ben.

      Lus­ti­ge Tage wa­ren es, als un­ter hei­te­rem Spät­som­mer­him­mel die ho­hen Per­so­nen nach­ein­an­der mit ih­rem Ge­fol­ge ein­rück­ten. Den meis­ten Bei­fall fand beim Vol­ke Kur­fürst Schweik­hard von Mainz, des Rei­ches