Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg


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von Sach­sen, des­sen Hän­den kürz­lich der vol­le Be­cher auf im­mer ent­fal­len war, kam sein Bru­der und Nach­fol­ger, Jo­hann Ge­org I., der froh war, bei die­sem An­lass sei­ne Wür­de zum ers­ten Mal in der Öf­fent­lich­keit zei­gen zu kön­nen.

      Sein Aus­se­hen war ein­neh­mend, sein Be­tra­gen bie­der und um­gäng­lich und sein Ver­hal­ten ge­gen die geist­li­chen Kur­fürs­ten, die dem mäch­tigs­ten un­ter den evan­ge­li­schen Fürs­ten über­aus wohl­wol­lend ent­ge­gen­ka­men, be­schei­den und fried­lie­bend. Ein un­be­lieb­ter Gast war Khlesl, der Bi­schof von Wien, der als Ver­tre­ter des Kö­nigs und Kur­fürs­ten von Böh­men in ei­nem an Pracht alle über­tref­fen­den Auf­zu­ge in Nürn­berg ein­fuhr. Es nahm die Stadt nicht we­nig wun­der, dass der Ver­fol­ger der Ket­zer, wenn er sich über­haupt in Nürn­berg zu zei­gen wag­te, nicht we­nigs­tens in der Stil­le und klein­laut auf­zog, an­statt dreist da­her­prun­kend alle Au­gen auf sich zu zie­hen. Wenn er über die Stra­ße ging, ha­ger, kno­chig und gelb, einen fet­ten Mönch zur Sei­te, pfleg­ten ihm die Bu­ben joh­lend und pfei­fend nach­zu­lau­fen, so­dass der Rat es für nö­tig hielt, die Leh­rer zu bes­se­rer Zucht ih­rer Schü­ler an­zu­wei­sen. Da aber ein Leh­rer den Bu­ben in der Schu­le an­sag­te, wenn sie etwa in die­ser Zeit einen Teu­fel sä­hen, der einen Esel zur Höl­le trie­be, wel­che An­spie­lung auf den Na­men des Bi­schofs von groß und klein ver­stan­den wur­de, soll­ten sie ihre Ver­wun­de­rung nicht laut äu­ßern, denn es ge­sch­ehe mit ob­rig­keit­li­cher Be­wil­li­gung, so wur­de das Ge­spött und Ge­läch­ter eher är­ger als zu­vor. Da dem Rate wohl­be­kannt war, wie un­gern Khlesl auch von den Fürs­ten ge­se­hen war, schritt er nicht schär­fer ein, son­dern ließ es bei den frucht­lo­sen Kla­gen des Bi­schofs be­wen­den.

      Nach­dem der ob­schwe­ben­de Streit zwi­schen Zwei­brücken und Neu­burg vor­läu­fig bei­ge­legt war, nah­men die Ver­hand­lun­gen in dem großen Saa­le des Rat­hau­ses ih­ren An­fang, der mit den Bild­nis­sen der Kai­ser und mit ei­ni­gen hoch­be­rühm­ten Kunst­wer­ken, näm­lich Dü­rers Adam und Eva und ei­ner lieb­li­chen Ma­don­na des Lu­kas Cra­nach, aus­ge­ziert war. Der Rat trug Sor­ge, dass auf dem Ti­sche stets eine Scha­le voll Kon­fekt und eine Kris­tall­fla­sche voll Mal­va­sier stand, da­mit sich die Rat­schla­gen­den un­ter der Ar­beit dar­an er­qui­cken könn­ten.

      Zwi­schen­hin­ein ga­ben die Fürs­ten Ban­ket­te, bei de­nen der eine den an­de­ren durch im­mer köst­li­che­re Lecker­bis­sen zu über­trump­fen such­te, wel­cher Wett­streit kei­ne Emp­find­lich­keit er­reg­te, viel­mehr den Witz und die Lau­ne reiz­te. Den größ­ten Er­folg er­ziel­te der Kur­fürst von Köln, der, seit er sich im Trin­ken mä­ßig ver­hal­ten muss­te, de­sto lie­ber mit Kon­fekt um­ging, durch kunst­vol­les Zucker­werk, das er aus Ams­ter­dam be­zo­gen hat­te. Es er­schi­en in Ge­stalt von Wurst, Schin­ken, Sem­meln, Kraut­köp­fen und an­de­ren Ess­wa­ren und ahm­te die­sel­ben in fri­scher, rich­ti­ger Fär­bung so gut nach, dass sich die Un­be­fan­ge­nen über sei­ne Na­tur täusch­ten. Na­ment­lich der Kur­fürst von Sach­sen konn­te nicht auf­hö­ren, die­se necki­sche Bä­cke­rei zu be­wun­dern, und schmei­chel­te dem Erz­bi­schof im­mer wie­der ab, ein neu­es Stück an­zu­schnei­den, da­mit er sich über­zeu­ge, ob es echt oder wirk­lich nur Kon­di­tor­werk sei. Es wur­de nicht ohne ver­stoh­le­ne Spä­ße be­merkt, dass der Erz­bi­schof, wel­cher als gei­zig be­kannt war, zwi­schen dem Ver­gnü­gen, sei­ne Lecker­bis­sen ge­wür­digt zu se­hen, und dem Un­mut, so viel da­von zu ver­lie­ren, schwank­te; auch wur­de er ge­se­hen, wie er ei­nem ab­tra­gen­den Die­ner, der von den Über­bleib­seln nasch­te, eine Maul­schel­le ver­setz­te und ihm be­fahl, sie sorg­sam zu ver­pa­cken und nach Köln in sei­ne Re­si­denz zu schi­cken.

      Bei den Tur­nie­ren trug zur Freu­de der Nürn­ber­ger der Pfäl­zer Oben­tra­ut die meis­ten Sie­ge da­von, ein fröh­li­cher Mann mit küh­nen, auf­rich­ti­gen Au­gen, der bei den Ka­tho­li­ken kaum min­der be­liebt war als bei sei­nen Glau­bens­ge­nos­sen. Als der Kur­fürst von Mainz ihm einen präch­ti­gen Tür­kis­ring als Schwert­dank zu über­rei­chen hat­te, leg­te er dem vor ihm Kni­en­den die Hand auf den Kopf und sag­te: »Bist du, mein Sohn, auch nicht aus dem­sel­ben Weih­be­cken in der Kir­che ge­tauft, so doch wie ich aus dem Rhei­ne«, was mit Bei­fall auf­ge­nom­men und wei­ter­er­zählt wur­de.

      Frei­lich hat­te der Rat im Stil­len ein müh­se­li­ges Steu­ern und Aus­bie­gen, um al­ler­lei An­stoß zu ver­mei­den. So er­eig­ne­te es sich, dass trie­ri­sche Knech­te ein klei­nes acht­jäh­ri­ges Mäd­chen, das still für sich mit Mur­meln auf der Stra­ße spiel­te, in ein Wirts­haus lock­ten, um es für ihre schänd­li­che Lust zu ge­brau­chen, und dass ein gut­her­zi­ger Fass­bin­der­meis­ter, der da­zu­kam und sie hin­dern woll­te, schwer ver­wun­det wur­de. Der Rat hät­te die Mis­se­tä­ter gern nach Ver­dienst be­straft ge­se­hen, scheu­te sich aber doch, den fei­nen und groß­ar­ti­gen Kur­fürs­ten von Tri­er mit ei­ner so häss­li­chen Sa­che zu be­hel­li­gen, und über­re­de­te des­halb den Ver­wun­de­ten und sei­ne Frau, sich mit ei­nem reich­li­chen Schmer­zens­geld zu­frie­den­zu­ge­ben.

      Fer­ner hat­te man dem Her­zog von Zwei­brücken ge­stat­tet, sei­nen Hof­pre­di­ger Pe­tis­cus öf­fent­lich pre­di­gen zu las­sen, trotz ge­rech­ter Be­sorg­nis, er möch­te die kal­vi­ni­sche Re­li­gi­on ein­zu­schmug­geln ver­su­chen; aber man hät­te den Un­rat lie­ber mit Schwei­gen zu­ge­deckt als die Auf­merk­sam­keit dar­auf hin­ge­lenkt, wie es nun der kur­säch­si­sche Hof­pre­di­ger Ha­nisch tat, in­dem er in sei­nen Pre­dig­ten an­züg­lich dar­über sti­chel­te. Auch die ei­ge­ne Geist­lich­keit gab man­ches zu schaf­fen, be­son­ders der Pas­tor Man­nich, der sich lei­der des Sams­tags zu be­trin­ken pfleg­te und in­fol­ge­des­sen am Sonn­tag auf der Kan­zel, die er un­vor­be­rei­tet und noch nicht ganz er­nüch­tert be­trat, al­ler­hand Selt­sam­kei­ten vor­brach­te, be­son­ders dem Rat dies und je­nes auf­mutz­te, was dem nie­de­ren Vol­ke ein be­lieb­ter Ohren­schmaus war. So klag­te er jetzt, dass ei­nem ehr­lie­hen nürn­ber­gi­schen Un­ter­tan, der sich wäh­rend des Kur­fürs­ten­ta­ges auf dem Seil hat­te se­hen las­sen wol­len, dies als eine un­nüt­ze und gott­lo­se Gau­ke­lei ver­bo­ten sei, wäh­rend her­nach ein an­geb­li­cher Meis­ter aus Frank­reich, der doch nur ein ge­mei­ner Bor­ten­wir­ker aus Schwa­ben sei, die Er­laub­nis er­hal­ten habe, in­dem die Aus­län­der stets be­güns­tigt und die Ein­hei­mi­schen an ih­rem Brot ver­kürzt wür­den. Mit die­sem Man­nich war es schwer, et­was aus­zu­rich­ten; denn zu­wei­len pre­dig­te er so herr­lich, dass es al­len Zu­hö­rern durch Mark und Bein ging und man mein­te, der se­li­ge Luther selbst sei zum Tros­te der Ge­mein­de wie­der auf­er­stan­den.

      Ge­gen Ende No­vem­ber nahm der Kol­le­gi­al­tag sein Ende, nach­dem die Kur­fürs­ten den Be­schluss ge­fasst hat­ten, sich im Mai des nächs­ten Jah­res zur Wahl ei­nes rö­mi­schen Kö­nigs von Neu­em zu ver­sam­meln. Noch vor die­sem Zeit­punkt in­des­sen klär­te sich die Lage, in­dem Kai­ser Ru­dolf an der Was­ser­sucht er­krank­te und aus dem Le­ben schied.

      Seit Matt­hi­as Kö­nig von Böh­men ge­wor­den war, ent­warf der Kai­ser Plä­ne, um sich wie­der in Be­sitz der ver­lo­re­nen Macht zu set­zen, wo­bei sein Ver­trau­ter der Mark­graf von Ans­bach war, der sich in Prag auf­hielt, um die Um­stän­de für sei­ne Glau­ben­s­par­tei aus­zunüt­zen. Ru­dolf zeich­ne­te