30 WARUM MAN KÄLTE NICHT UNTERSCHÄTZEN SOLLTE Apotheken im Supermarkt und Krankenhäuser überall
31 WENN BIER AUCH OHNE REINHEITSGEBOT SCHMECKT Bierleidenschaft und Biertoleranz
32 WIE MAN AUS VIELEN KÜCHEN EINE MACHT Quietschekäse und Karibufleisch
33 WO MAN DEN SCHNEE MIT SIRUP GIESST Ahornwunder und Hüttenzauber
34 WENN MAN KANADA FÜR SKANDINAVIEN HÄLT Nacktheit und Schamgefühl
35 WIE MAN SEINEN SCHULABSCHLUSS UND SEIN AUTO VERLIERT Teure Kleider und leere Bordsteine
36 WIE MAN SICH VON KANADA VERABSCHIEDET Blutiges Barbecue und überraschender Zoll
ANHANG 10 Dinge, die man getan haben muss
ANHANG 10 Handlungen, mit denen man sich blamiert
1
WIE VIEL SPASS VERSTEHT EIN ZOLLBEAMTER?
FORMULARE UND KÄSEBRÖTCHEN
Etwas Weiches kitzelt Mareike an der Nase.
»Nur noch fünf Minuten, Max«, murmelt sie verschlafen.
Sie ist doch gerade erst eingenickt. Dieser freche Kater. Kann er sie nicht einmal schlafen lassen? Das Kitzeln lässt nicht nach.
Verschlafen öffnet Mareike ein kleines bisschen das rechte Auge und fährt überrascht zusammen, als sie in die großen Kulleraugen eines kleinen Jungen blickt, der so nah ist, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berühren. Das ist weder ihr Kater Max noch liegt sie in ihrem Bett im vertrauten Frankfurt. Stattdessen klemmt sie in einem engen Flugzeugsitz und ihr Kopf ist in Richtung des Nachbarsitzes gerutscht, von wo aus sie der kleine Junge mit seiner Spider-Man-Puppe an die Nase stupst.
»Mama, la chica tiene los ojos bien azules« – Mama, die Frau hat ganz blaue Augen, ruft der kleine Junge auf Spanisch.
»Mon chéri, laisse la dame dormir« – Schätzchen, lass die Dame schlafen, antwortet die Mutter geduldig auf Französisch.
Wie lustig, dass die beiden zwei Sprachen miteinander sprechen, denkt Mareike. Ihr Schulfranzösisch ist eigentlich gar nicht so schlecht, die Mutter hat sie jedoch nur mit Mühe verstanden.
Neugierig lugt Mareike durch das kleine Flugzeugfenster nach draußen und ist auf einmal hellwach. Stundenlang sind sie über eine dicke Wolkendecke geflogen, durch die man nicht einmal ein kleines bisschen hindurchlinsen konnte. Jetzt hat sich die Aussicht radikal verändert. Unter ihnen erstrecken sich schier endlose Wälder, kleine Seen und Flüsse, die sich durch die wilde Landschaft schlängeln. Das Flugzeug folgt einem sehr breiten Strom, der sich langsam zu einem Fluss verengt.
Kanada! Was für eine Weite! Ewig hat Mareike sich auf diese Reise gefreut. Ein Jahr in einem fremden Land, raus aus dem deutschen Alltag, rein ins Abenteuer der kanadischen Wildnis! Zwischendurch muss sie sich aber noch ein kleines finanzielles Polster erarbeiten. Deshalb will Mareike ihre Reise in Montréal beginnen, sich einen Job suchen und von dort aus den Rest Kanadas erkunden. Mit ihrem Working-Holiday-Visum darf sie in fast allen Branchen arbeiten. Was sie wohl erwarten wird in diesem Jahr? Ob die Kanadier wirklich so offen und hilfsbereit sind, wie man es sich erzählt? Ob sie Bären, Rentiere und Wale sehen wird?
EINTRITTSKARTE FÜR KANADA
Als deutscher, österreichischer oder schweizerischer Tourist braucht man in der Regel kein Visum für seinen Urlaub in Kanada.
Seit 15. März 2016 ist jedoch die Einreiseregelung eTA auch für deutsche Staatsbürger erforderlich. eTA (Electronic Travel Authorization) benötigen Staatsangehörige eines Landes, die ohne Visum mit dem Flugzeug nach Kanada einreisen. Die Genehmigung wird elektronisch mit dem Reisepass verlinkt und ist bis zu fünf Jahre gültig bzw. bis zum Ablaufdatum des Reisepasses.
Mit gültigem Reisepass und aktueller eTA kann man bis zu sechs Monate im Land bleiben. Ein Stempel im Pass gibt das genaue Datum an, bis zu dem man wieder ausreisen muss. Nur in Ausnahmefällen ist eine Verlängerung des Aufenthalts möglich, und auch dann muss man frühzeitig mit den zuständigen Behörden in Kontakt treten.
Für kürzere Arbeitsaufenthalte bis zu einem Jahr können 18- bis 35-Jährige an dem Programm für Jugendmobilität teilnehmen. Es umfasst das Programm Working Holiday, das zum Arbeiten in einem beliebigen Bereich berechtigt außer im medizinischen oder schulischen bzw. erzieherischen Sektor. Weiterhin ist es möglich, ein studien- oder ausbildungsbezogenes Praktikum in Kanada zu absolvieren oder als temporary foreign worker mit einem Stellenangebot aus Kanada für zwölf Monate im Land Erfahrungen zu sammeln.
Genauere Infos zu diesen und anderen Programmen finden sich im Internet unter: www.kanada-info.de.
Als Mareike gerade in ihren Tagtraum entschwinden will, tönt die sonore Stimme des Piloten durch das Flugzeug und befördert sie jäh zurück in die Realität. Tatsächlich befinden sie sich schon im Landeanflug und die Stewardessen verteilen Formulare an alle Passagiere.
Mareike schmunzelt, als sie das Blatt überfliegt. Ist das ernst gemeint? Soll sie wirklich ankreuzen, ob sie Waffen oder Sprengstoff dabei hat, straffällig oder ansteckend krank ist? Sie ist schließlich weder kriminell noch schleppt sie die Pest ein. Und selbst wenn – wer kreuzt da schon Ja an?
Gedankenlos füllt sie das Formular schnell aus, um dann weiter den faszinierenden Blick aus dem Flugzeug zu genießen. Jetzt ist sogar schon eine große Stadt in Sicht. Ja, das muss Montréal sein. Einige riesige Hochhäuser und in der Mitte ein enormer grüner Hügel. Wie seltsam, mit all dem Wasser drum herum sieht es fast so aus, als wäre Montréal eine Insel.
Zwanzig Minuten später betritt Mareike zum ersten Mal nordamerikanischen Boden. Mit steifen Beinen, aber voller Vorfreude strebt sie in Richtung Ausgang. Sie möchte möglichst schnell zum Gepäckband. Hoffentlich ist ihr Koffer sicher mit angekommen. Vor allem jetzt, wo alles für ein Jahr darin verstaut ist.
Doch zunächst einmal findet sie sich in einer riesigen Halle wieder, durch die sich eine lange Schlange von mehreren Hundert Menschen windet. Bevor man an sein Gepäck kommt, muss man erst mal durch den Zoll. Zu ihrer Überraschung kommt sie relativ schnell vorwärts. Nach 20 Minuten ist sie bereits an der Reihe. Mit ihrem schweren Rucksack geht sie auf den Zollbeamten zu und reicht ihm ihren bordeauxfarbenen Pass.
»Hello. Bonjour. How are you? Ça va?« – Hallo. Wie geht’s?, fragt der Beamte sie freundlich.
»Very good. Très bien« – Sehr gut, antwortete Mareike.