Potenzprobleme und vieles mehr helfen. Für ein echtes onsen ist sogar ein Mindestwert an Mineralien vorgeschrieben und oft riechen sie nach Schwefel. Nach einem japanischen Volkslied kann eine heiße Quelle alles heilen, nur die Liebe nicht. Kein Wunder also, dass in Japan erwartet wird, dass sich die Besucher gründlich waschen, bevor sie sich in das heilsame Wasser setzen.
Dasselbe gilt übrigens für ein Bad zu Hause. Auch hier sind Waschen und Baden zwei völlig unterschiedliche Dinge. Da oft die ganze Familie abends badet – und zwar im selben Wasser – wäscht sich auch hier jeder gründlich, bevor er sich in die warme Wanne setzt. Diese ist kürzer und höher als bei uns. Anstatt in der Wanne zu liegen, sitzt man also darin, wird aber dennoch bis zum Hals mit Wasser umspült. Dieses wärmende Bad vorm Schlafengehen ist gerade im Winter eine großartige Sache. Vor allem, wenn man bedenkt, dass viele japanische Häuser bis heute keine Zentralheizung haben und auch nicht wärmegedämmt sind, sodass man nach dem Aufwachen schon mal seinen eigenen Atem sehen kann.
Apropos den eigenen Atem sehen: So richtig spaßig ist ein Bad im onsen erst unter freiem Himmel, am besten in einer Schneelandschaft. Oft wird so eine natürliche heiße Quelle, die in einer Höhle oder an einer Klippe entspringt, flugs um einen Zaun und einen Waschraum ergänzt und fertig ist das Badehaus. Der Besucher bekommt hier zum Badevergnügen oft einen spektakulären Blick auf die umgebende Landschaft dazu.
Und damit Blickrichtung und Aufmerksamkeit auch ja nicht von der Landschaft abgelenkt werden, sind die Bereiche für Männer und Frauen in der Regel getrennt. Zumindest heute. Bis zu der einsetzenden Verwestlichung Japans während der Regentschaft von Kaiser Meiji (1868–1912) badeten Männer und Frauen ganz selbstverständlich zusammen. Und gebadet wurde und wird natürlich unbekleidet – da lag Herr Hoffmann also schon mal richtig. Die zunehmende Orientierung an westlichen Wertvorstellungen und der Einfluss der USA (die dem Nacktbaden nicht wirklich aufgeschlossen begegneten) nach dem Zweiten Weltkrieg führten dann mehr und mehr zu einer strikten Geschlechtertrennung. Wobei es natürlich auch heute noch gemischtgeschlechtliche onsen gibt, allerdings bei Weitem nicht mehr so häufig wie früher.
Das wohltuende Bad in den heißen Quellen haben übrigens nicht nur die Menschen zu schätzen gelernt. In den 1960er Jahren beobachtete ein Schneeaffe im sogenannten Höllental an der Südseite von Hokkaidô die Menschen beim Baden. Und hat es dann selber einmal ausprobiert. Gut, vielleicht war es auch ein Unfall und er ist aus Versehen in das Wasser gefallen, aber jedenfalls hat es ihm ge-fallen. Kein Wunder, denn auf Japans nördlichster Insel kann es im Winter schon mal empfindlich kalt werden. Seitdem wird die Tradition des heißen Badens im onsen von einer Affengeneration zur nächsten weitergegeben. Längst haben die badenden Schneeaffen sich zur beliebten Touristenattraktion gemausert und sogar einen eigenen Pool bekommen. Die Affen baden dann übrigens doch noch ganz traditionell ohne Geschlechtertrennung.
Was können Sie besser machen?
Ja! Wenn Sie einmal nach Japan kommen, sollten Sie definitiv ein onsen besuchen! Wenn Sie nicht aufpassen, können Sie dabei zwar so unangenehm auffallen wie ein wilder Orang-Utan bei einem Origami-Wettbewerb, aber mit gründlicher Vorbereitung werden Sie ... Ach, machen wir uns nichts vor – als Europäer werden Sie ohnehin auffallen. Aber wenigstens werden Sie und die anderen ein ungetrübtes Badevergnügen genießen, so lange Sie diese goldenen Regeln beachten.
Öffentliches Baden
Auch im onsen gilt: Schuhe aus und zwar schon im Vorraum. Manchmal gibt es spezielle Plastikschlappen für die Umkleide, aber auch diese werden spätestens beim Verlassen der Umkleide ausgezogen. Betreten Sie den Badebereich auf jeden Fall barfuß. Und egal wie schick Sie Ihre Speedo-Badehose oder den Blümchen-Bikini beim letzten Ibiza-Urlaub fanden – lassen Sie die Badeklamotten im Schrank oder gleich zu Hause.
Im Waschraum (keine Sorge, den können Sie gar nicht verfehlen) finden Sie entlang der Wand oder an niedrigen Mäuerchen diverse Waschplätze. In der Nähe des Eingangs stehen meist Plastikhocker und Schüsseln. Damit, sowie mit Seife und Shampoo bewaffnet, machen Sie es sich dann an auf einem Höckerchen vor einem der Wasserhähne bequem – so gut es eben geht. Nun waschen Sie sich – inklusive der Haare – lange und gründlich. Vor allem Füße und Genitalien werden dabei – auch aus symbolischen Gründen – ausgiebig gereinigt. Wenn es einen Duschkopf gibt, können Sie den Schaum damit abspülen, ansonsten schüttet man immer wieder Wasser aus der Schüssel über den Körper. Damit werden Sie eine Weile beschäftigt sein, denn die Schüsseln sind in der Regel so klein, dass sie das Spülen ungefähr so häufig wiederholen müssen, wie den Versuch, mit den Essstäbchen ein einzelnes Reiskorn zu greifen.
Damit nicht genug, viele Japaner wiederholen dieses Ritual auch so mehrere Male. Ein kompletter Waschgang kann da gut und gerne schon mal 20 bis 30 Minuten dauern. Also lieber einmal zu viel als zu wenig einseifen. Sie können die Zeit gut timen, indem Sie im Kopf alle Primzahlen bis 13.457 aufsagen. Danach wird Ihnen garantiert niemand ein oberflächliches Waschverhalten nachsagen. Der Seifenschaum sollte natürlich auch komplett abgespült sein, bevor Sie das Becken betreten – und möglichst im Sitzen abgespült werden. Mit dem Duschkopf geht es allerdings auch kaum im Stehen, denn die Dinger sind oft nur eine Handbreit über dem Boden angebracht.
Widerstehen Sie dem Drang, sich nach einem kleinen Anlauf und mit einem markerschütternden Jauchzer garniert, das Becken mit einer wohlplatzierten ›Arschbombe‹ zu erobern. Dadurch wäre Ihnen zwar die Aufmerksamkeit sämtlicher Badegäste sicher, wir können aber nicht garantieren, dass Sie dieses Erlebnis ohne Handgreiflichkeiten hinter sich bringen.
Im heißen Wasser kann man es gut eine Weile aushalten, aber als Europäer werden die Japaner Sie wahrscheinlich leicht in Sachen Verweildauer übertrumpfen. Als ideale Badedauer gelten übrigens 10 bis 20 Minuten. Keine Sorge, Sie können das Becken auch früher verlassen, sich im Waschbereich kalt abspülen und dann noch einmal ins Wasser gehen.
Übrigens kann es passieren, dass Sie alles richtig machen und trotzdem nach einer Minute allein im Becken sitzen. Keine Sorge, das liegt dann nur daran, dass Sie ein gaijin, ein Ausländer, sind. Und bei denen kann man ja nie wissen ...
Privates Baden
Wenn Sie einmal bei Freunden zu Hause sind und ein Bad angeboten bekommen, haben Sie als Gast die Ehre, zuerst in die tiefe Sitzwanne zu steigen. Klar, auch hier waschen Sie sich vorher. Schmutz und Schaum im Wasser sind ebenso tabu wie im onsen. Und kommen Sie nach dem Baden bloß nicht auf die Idee, das Wasser aus der Wanne abzulassen. Die anderen Familienmitglieder möchten schließlich dasselbe Wasser benutzen und nicht noch einmal 30 Minuten warten, bis die Wanne wieder vollgelaufen ist.
8
HERR HOFFMANN GIBT DIE HAND
VON UNANGENEHMEN GRÜSSEN UND HANDGREIFLICHKEITEN
Als Egon Hoffmann das Foyer des Nakagawa Chemiekonzerns betritt, ahnt er noch nicht, dass ihm diese verdammt unangenehme Sache passieren wird. Nichts, was ihn oder andere irgendwie nachhaltig körperlich verletzten würde. Nichts, was den Medien eine Erwähnung wert wäre, nein. Nicht einmal die Mitarbeiterzeitschrift mit dem pragmatischen Namen ›Nakagawa kagakuhôjin‹ (Nakagawa Chemiekonzern) würde das Thema als so wichtig erachten, ihm auch nur eine kleine Randnotiz zu widmen. Und das, obwohl sich die Zeitschrift sogar schon einmal in einem 16-seitigen Special über Haarmoden der Landbevölkerung des 16. Jahrhunderts ausgelassen hatte.
HAARMODEN DES 16 JAHRHUNDERTS
Tatsächlich tat sich in der als Edo-Zeit bekannten Periode etwas Gewaltiges in Hinblick auf Haarmoden. Während Frauen in der Azuchi Momoyama-Zeit (1573–1603) noch die Haare zu einer einfachen zentralen Palme auf dem Kopf zusammenbanden, erfreute sich die Damenwelt anschließend komplexer, hochgesteckter Haargepränge. Dieser prachtvolle shimada-mage-Haarputz, der nicht