Dirk Udelhoven

Fettnäpfchenführer Köln


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bereits als Fremdsprache. Für die Kölner*innen ist es nur ein freundliches Entgegenkommen für diejenigen, die nicht mit so einem schönen Regiolekt gesegnet sind.

      Die Sprachwissenschaft zählt das Rheinische unter den Regiolekten auf und unterteilt es in vier Kategorien:

       Das Moselfränkische: Man trifft es im Süden des Rheinlands von der Mosel bis etwa Siegen.

       Das Ripuarische: Das spricht man in Köln, auch im Osten von etwa Siegen bis in den Westen bei Aachen.

       Das Südniederfränkische (zusammen mit dem Südrheinmaasländischen, Südlimburgischen oder Limburgischen): Es fängt im Westen nördlich von Aachen an, geht über Krefeld, Neuss und Remscheid bis nahe von Wuppertal im Osten.

       Das Kleverländische oder Niederfränkische: Es beginnt bei Kleve und Venlo bis Wesel und Duisburg, Mülheim an der Ruhr bis Wuppertal.

      Richtiges Kölsch ist eine Herausforderung für alle Außenstehenden. Nicht-Kölner*innen werden bei älteren Alben der kölschsprachigen Band BAP (»Papa«) schnell an ihre Grenzen kommen.

      Selbst innerhalb Kölns werden unterschiedliche Varianten Kölsch gesprochen. Das Kölsch aus einem Arbeiterviertel wie Niehl, Ehrenfeld oder Kalk unterscheidet sich stark vom dem eines eher bürgerlichen Vororts wie Dellbrück. Die einen sprechen eher derb, die anderen karnevalistisch.

      Typische Eigenheiten der kölschen Sproch: Es jibt, ähm, gibt kein »g«. In der Rejel (Regel) wird es zu »j«. Dazu wird der folgende Vokal gedehnt. So haben die Kölner*innen nicht gedacht, sie haben jedaach. Sie kennen auch keine »ch«-Laute, sondern ersetzen sie kurzerhand mit einem breit ausgesprochenen »sch«. Also: »Jib mir mal dä Milsch.« (Gib mir mal die Milch.)

      Anders als im Hochdeutschen kennt der Rheinländer das, was im Englischen als Continuous-Form, also Verlaufsform, bezeichnet wird. Auf der Insel sagte man schon vor dem Brexit »I’m making love«. Die Kölner*innen sagen zwar nicht »Ich bin am Liebe machen«, aber »Ich bin am Autowaschen« ist absolut geläufig. Kommt man in ganz urkölsche Gefilde, könnte einem auch ein »Ich bin am Auto am waschen« begegnen.

      Auch grammatikalisch gibt es Unterschiede zum Hochdeutschen. Wichtig: Der Genitiv existiert praktisch nicht und wird konsequent durch den Dativ ersetzt. Also nicht: »Das ist Peters Fahrrad«, sondern: »Dat is dem Pitter sing Fahrrad«.

      4

       IST DAS KUNST

       ODER KANN DAS WEG?

      Samstagmorgen. Sonne strahlt Ulla ins Gesicht. Sie blinzelt, will nicht wach werden, fühlt sich zu wohl in ihren letzten Traumfasern. Langsam hebt sie die Lider, hört ein sanftes Schnarchen an ihrem Ohr, und die Erinnerung kehrt zurück: Sie braucht nicht mehr zu träumen, sie lebt ihren Traum. In Köln mit Stefan, ihrem Liebsten, der noch selig neben ihr schläft. Seine Eltern sind herzallerliebst. Vor der Begegnung mit ihnen hatte sie sich etwas gescheut. Aus Unsicherheit, vielleicht nicht gemocht zu werden. Dabei lag Stefan richtig, seine Eltern haben einen Knall, genauso wie Ulla einen hat. Das bringt sie zum Kichern und weckt Stefan.

      Ein wenig später frühstücken die Verliebten am Eigelstein, direkt auf dem Platz, in einem schnuckeligen Eckcafé mit Blick auf die Eigelsteintorburg. Als sie aufbrechen, sieht Ulla eine Plastikeistüte, den Werbeaufsteller einer italienischen Gelateria. Ulla liebt Eis und bekommt von Stefan drei dicke Kugeln im Hörnchen spendiert.

       TORE ZUR STADT

      Der Eigelstein war eine ehemalige römische Heerstraße, die bis zum Niederrhein führte. Das Eigelsteintor gewährte Zugang durch die mittelalterliche Stadtmauer. 1180 erbaut und mit über sieben Kilometern Länge die größte Stadtbefestigung des Römischen Reiches Deutscher Nation. Neben dem Severinstor und dem Hahnentor ist es das einzig verbliebene Stadttor. Zum Tor gehörte auch die damalige Festung. Rundherum hatten sich im Mittelalter viele Handwerksbetriebe niedergelassen, heute prägen Restaurants, Cafés und Kneipen das Bild.

      Eis schleckend spazieren die beiden den Eigelstein entlang. Eine belebte, bunt durchmischte Straße. Alteingesessene Läden in friedlicher Koexistenz mit türkischen und asiatischen Geschäften. An einer Straßenecke tummeln sich zwei große Stadtführungsgruppen. Statt ihren Fokus auf die gewaltige Eigelsteintorburg zu richten, starren die Leute gebannt auf eine unspektakuläre Hauszeile.

       EIGELSTEIN 115

      Genauer gesagt bewundern sie das 30 Meter lange, aber nur zweieinhalb Meter breite schmalste Haus Kölns. Es hat keine eigenen Seitenmauern, sondern nutzt die der Nachbarhäuser. Licht gelangt über die Glasfront ins Haus. Unter der Vorgabe, Baulücken zu schließen, wurde es 1997 gebaut und bekam seither viele Architekturauszeichnungen.

      Beeindruckt und mit offenen Augen folgt Ulla Stefan. Sie passieren den Hauptbahnhof, den Kölner Dom und schlendern durch die direkt angrenzende Shoppingmeile Hohe Straße, die auf die viel breitere und weitläufigere Schildergasse stößt. Doch hier wie dort quetschen sich unzählige Menschen durch die Fußgängerzone. Ulla liebt das. Leben pur. Stefan hat es nicht so mit Gedränge, aber nimmt es für Ulla hin, denn irgendwann ist jede Einkaufsmeile zu Ende. In Köln am zentralen Platz, dem Neumarkt.

      Während Stefan überlegt, wo sie einen Kaffee trinken, grinst Ulla: »Kein Kaffee, bitte ein Eis aus der Eisdiele mit der coolen Werbung.« Aufmerksam hat sie die Umgebung gescannt und hoch oben auf der Ecke des Dachs der Neumarkt-Galerie eine überdimensionale Eistüte entdeckt: wie aus dem Himmel gefallen und auf der Eiskugel gelandet, die bereits zu schmelzen beginnt.

       Leck mich en de Täsch, wat für ’n Malör

      Die Eistüte ist allerdings keine Werbeaktion, sondern Kunst! Und zwar vom Künstlerehepaar Coosje van Bruggen und Claes Oldenburg. Die Dropped Cone ist über 12 Meter hoch, fast sechs Meter breit und ungefähr drei Tonnen schwer. Ihr Material: rostfreier Stahl, faserverstärktes Plastik, Balsaholz und Gelfarbe.

      Die Neumarkt-Galerie hatte die Künstler beauftragt, eine Skulptur zu kreieren. Die vielen Kirchen in Köln mit ihren spitzen Türmen, inklusive des Doms, animierten sie zur Cone, der Eistüte mit ihrem spitzen Ende. Außerdem sind die Buchstaben Cone im Wort Cologne enthalten. Das sogenannte large-scale project kam auf das Dach: einerseits weil die Straßen zu voll waren, andererseits weil hoch oben der architektonische Charakter der Dropped Cone so richtig zur Geltung kam. Als Symbol für Konsum, aber auch für Vergänglichkeit, ist das Kunstwerk am Neumarkt mit Blick auf die Shoppingmeile genau richtig.

       Schwaadschnüss

      Kunst im öffentlichen Raum gehört zur Kunststadt Köln wie die Eiskugel ins Hörnchen oder die Banane an die Hauswand. Mitte der 1980er Jahre sprühte Bananensprayer Thomas Baumgärtel seine erste Banane an einen sogenannten Kunstort. Das waren Galerien, Museen etc. Doch ohne Einverständnis der Hauseigentümer*innen war das eine illegale Aktion. 1989 wurde Sprayer Baumgärtel am Museum Ludwig verhaftet. Ironie der Geschichte: Jahre später bat ihn der Museumsleiter höchstselbst um eine gesprühte Banane. Denn die war längst zu Ruhm gelangt, und nur bananisierte Kunstorte galten als geadelte, wahre Kunstorte. Aber warum ausgerechnet eine Banane? Weil sie Obst ist und Obst bestens zeigt, dass das Leben sich permanent ändert. Man kann dem Verfall einer Banane quasi zusehen. Gesprüht auf Hauswände, wird die Banane Teil des öffentlichen Lebens und damit Kunst.

      Und weil Köln es gern groß mag, kommt auch die Weltkugel des Aktions- und Umweltkünstlers HA Schult groß daher. Seit dem Jahr 2000 thront sie auf dem Dach einer Versicherung. Die Skulptur ist aus Stahl und zeigt mit bunt illuminiertem Neonlicht die Kontinente. Auf dieser Konstruktion balanciert eine überdimensionale