Auto.
Spektakulär, doch kaum beachtet, ragt seit 1993 der rote Steel Watercolor Triangle Ring, eine abstrakte Stahlskulptur, meterhoch auf dem Barbarossaplatz. Geschaffen hat sie der amerikanische Neokonstruktivist Fletcher Benton.
Leider auch im Schatten liegt Licht und Bewegung von Otto Piene. Das Kunstwerk wurde bereits 1966 an einer Kaufhauswand installiert. Allerdings mitten in der dauervollen Einkaufszone Hohe Straße. Da kommt von selbst kein Mensch auf die Idee, den Hans-guck-in-die-Luft zu spielen. Auf unterschiedlich langen Aluminiumstäben ragen Aluminiumkugeln wie Sonnenstrahlen auf der Wand. Früher bewegte sich das Kunstwerk. Jeweils 59 Sekunden lang, unterbrochen von siebenminütigen Pausen, um dann von vorne loszulegen.
In fast wörtlichem Sinn geht ein weiteres Werk des Künstlers unter. Star Pit aus dem Jahr 1992 ist eine Brunnenanlage im Kölner Mediapark und konzipiert wie ein römisches Amphitheater: An den Stufen zum Wasser sind Lichtschienen angebracht. Das Wasser läuft dank Umwälztechnik in einem ewigen Kreislauf aus den beleuchteten Poren eines stählernen Würfels in der Mitte der Anlage. Leider, wie bei vielen Kölner Brunnen, gehen auch bei diesem immer wieder Wasser und Licht aus.
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SERVICE RUSTIKAL
ODER: LEG DICH NICHT MIT DEM KÖBES AN
Stefan arbeitet, Ulla ist allein zu Hause – also in Stefans Zuhause. Denn so fühlt es sich an. Nicht wegen Stefan, ganz im Gegenteil. Er will, dass sie seine Wohnung zu ihrer macht. Aber sie ist auf Probe hier. Ein Jahr hat sie sich gegeben, um herauszufinden, ob Köln ihre neue Heimat werden kann. Dass sie bereits jetzt hadert, erschreckt sie. Sie wohnt gerade mal zwei Wochen hier. In Köln, einer der aufregendsten Städte Deutschlands, ach, der ganzen Welt. Und sie ist endlich mit ihrem Liebsten zusammen. Ein Dauergrinsen wäre angebracht.
Stattdessen quält Ulla ein unbestimmtes, melancholisches Gefühl. Schluss jetzt, ruft sie sich innerlich entschlossen zu. Genug Trübsal geblasen. Raus aus dem Haus, rein in die Stadt und in das pralle Leben. Erst mal einen Kaffee trinken. Auf dem Ebertplatz. Ulla freut sich auf das Rauschen des Brunnenwassers, auf die jauchzenden Kinder und das bunte Treiben. Doch welche Enttäuschung. Das Platz-Café hat noch geschlossen. Keine Kinder, kein Treiben. Ulla ist die Einzige, die verweilen möchte. Hier und da hasten Passant*innen über den Platz. Selbst die Drogendealer*innen scheinen noch zu schlafen. Dann wird es laut, und die Stadtreinigung fährt vor und vertreibt Ulla.
Frust steigt in ihr auf. Es ist wie verhext. So sehr sie sich bemüht, der Tag will einfach nicht schön werden. Aber so schnell gibt sie nicht auf, sagt sich Ulla und peilt die Innenstadt an. Sie braucht dringend einen Kaffee, und auf dem Weg passiert sie ein Brauhaus. Na, wer sagt’s denn, es hat geöffnet. Also nichts wie rein und quasi in einem Abwasch Kölner Kultur mitnehmen. Die Stadt ist schließlich für ihre Brauhäuser berühmt.
KÖLSCHER JAKOBSWEG
… so berühmt, dass es hier seit 1997 sogar einen Brauhauswanderweg gibt. Wer ihn wandern will, hat zwei Möglichkeiten. Man meldet sich für eine geführte Tour an, oder man folgt den Schildern.
Der Kölner Brauhauswanderweg wurde – logisch – von einem Bierbrauer gegründet. Der Mann hieß Hans Sion, und sein Brauhaus Sion gibt es seit 1318. Kölsch braute man damals noch nicht, sondern das sogenannte Medebier. Es bestand aus Getreide, Kräutern, Malzextrakt und Honig.
Ab 1396 ging es dann aber mit dem Kölsch los. Die Bierbrauer in Köln schlossen sich zusammen und legten fest, was ein richtiges Kölsch sein soll: gebraut aus Hopfen, Malz und Wasser. Hochvergoren und hopfenbetont.
Wer nun denkt, der Brauhauswanderweg sei zum Kölschtrinken erfunden worden, liegt falsch. Zwar nicht ganz falsch: Natürlich soll auch der Konsum des Hopfensprudels angeheizt werden. Aber eigentlich geht es um die historischen Sehenswürdigkeiten, die man auf der Strecke passiert. Zum Beispiel die Römerstraße, ein Teilstück der römischen Via Agrippa, oder die romanische Kirche Sankt Andreas. Der Kölner Dom und das Rathaus sind auch dabei. Aufgetankt und zugehört wird in den Brauhäusern, denn jedes Brauhaus hat sein ganz eigenes Kölsch und seine ganz eigene Geschichte.
Kaum hat sich Ulla an den hellsten Platz im dunklen Brauhaus gesetzt, steht auch schon ein Bier vor ihr. Und schwupp ist der Kellner wieder verschwunden. Hat der Mann sie verwechselt? Ulla schaut sich um. Alle Gäste haben Biergläser vor sich stehen. Manche haben auch was zu essen.
Ein Gedanke steigt in Ulla auf. Möglicherweise gibt es in Kölner Brauhäusern nur Bier zu trinken? Möglicherweise gehört das zu den Besonderheiten der hiesigen Brauhauskultur?
Ein kurzer Blick auf die Karte zeigt das Gegenteil: Es gibt auch andere Getränke. Sogar einen Kaffee, den sie eigentlich wollte. Aber nun steht das Bierglas vor ihr. Es ist klein, und Ulla hat Durst. Also nicht lang schnacken, Kopf in den Nacken, wie Ulla aus ihrer norddeutschen Heimat weiß, und runter mit dem Gesöff. Hmmm. Wie gut das tut. Das Kölner Bier ist kalt, frisch und – süffig. Denkt sich wohl auch die Bedienung. Kaum hat Ulla ihr Glas auf dem Tisch abgestellt, steht das nächste vor ihr. Und der Kellner ist bereits entschwunden. Ob er auf die Art seinen Umsatz heben will? Oder hat er einfach Gedächtnisprobleme? Ist ja nicht mehr der Jüngste, der Mann.
Was auch immer dahintersteckt: Das Bier, das hier Kölsch heißt, schmeckt. Ulla muss plötzlich an ihren Vater denken und lachen. Für ihn wäre das Kölsch Plörre oder Mädchenbier. Harmlos und gefällig. Er trinkt Pils. Pils mag Ulla überhaupt nicht. Viel zu bitter. An Kölsch dagegen könnte sie sich glatt gewöhnen. Sogar ihre sentimentale Stimmung ist verflogen.
Obwohl in ihrem Glas noch Kölsch ist – zwei Finger breit, mindestens – will der Kellner es durch ein Frisches austauschen. Diesmal ist Ulla auf der Hut. Höflich, aber deutlich macht sie ihm klar, dass jetzt Schluss ist, und fügt ironisch hinzu, dass es außerdem ganz clever wäre, die Gäste nach ihren Wünschen zu fragen.
Leck mich en de Täsch, wat für ’n Malör
Oje. Schlimmer hätte es kaum kommen können. Ulla hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man in einem Kölner Brauhaus falsch machen kann. Kölsch trinken ist hier nämlich quasi Pflicht. Deshalb geht man ja in ein Brauhaus.
Die Bedienung hat den Kölschstand im Glas immer im Blick. Das Glas heißt hier übrigens wegen seiner schmalen, länglichen Form Stange. Dass es von Touris und Immis gern mit einem Reagenzglas verglichen wird, liegt an seiner Optik und dem überschaubaren Fassungsvermögen von 0,2 Litern. Nicht aus Geiz, sondern damit das Kölsch im Glas immer frisch ist. Kölsch hat wenig CO2. In gewöhnlich großen Biergläsern würde es deshalb schnell schal werden.
Aber nicht nur deshalb wird es zügig genossen. Es schmeckt einfach. Weil sich Kölsch-Stangen schnell leeren und der Nachschub fließen muss, sind die Bedienungen immer auf Zack. So schnell kann man gar nicht trinken, da steht die nächste Stange schon auf dem Tisch. Etwas langsamer wird es vielleicht, wenn der Laden rappelvoll ist. Also ab frühem Abend in jedem Brauhaus. Aber selbst dann dauert es kaum fünf Minuten, bis man sich mit einem frischen Kölsch zuprosten kann. Wer genug hat, legt den Bierdeckel auf die Stange. Der Kellner, der im Kölner Brauhaus Köbes genannt wird, weiß sofort Bescheid und stellt den Nachschub ein.
Dass man einem Köbes nicht widerspricht, muss Ulla noch lernen. Auch dass man nicht versuchen sollte, witzig zu sein, also witziger als der Köbes. Absolutes No-Go: ein anderes Getränk als Kölsch zu bestellen. Zum Beispiel: ein Wasser. »Bruchste och Seife?« (Brauchst du auch Seife?), könnte man da schon mal zu hören kriegen. Ähnliches gilt für eine Tasse Tee: »Da gehste am beste gägenüvver. Do es en Appetek.« (Da gehst du besser gegenüber in die Apotheke.)
Für diese Sprüche werden die Köbesse geliebt. Ein Köbes