Ersteres kann, wie im Fall von Egk, bezweifelt, aber nicht ausgeschlossen werden, doch gibt es eine dünne Trennlinie zwischen Opportunismus und Überzeugung. Die zweite Möglichkeit ist eindeutiger, vor allem dann, wenn Stücke, wie im Falle der Ersatzmusiken von Wagner-Régeny und Orff für den Sommernachtstraum, für spezifisch nationalsozialistische Zwecke komponiert wurden.
Anerkannte Musiker stellten ihre Kunst nach der Machtergreifung wiederholt in den Dienst des Nationalsozialismus. Berüchtigt waren etwa die Konzerte der Berliner Philharmoniker zu den jährlichen Reichsparteitagen sowie (seit 1936) zu Hitlers Geburtstagsfeiern, und zwar unter den Stardirigenten Karl Böhm, Hans Knappertsbusch und Wilhelm Furtwängler.249 Bei der Gründungsfeier der Reichskulturkammer im November 1933 sorgten Furtwängler und der Bariton Heinrich Schlusnus für den musikalischen Rahmen.250 Selbst bei weniger wichtigen Gelegenheiten, zum Beispiel als KdF-Chef Robert Ley im November 1936 eine Rede hielt, verlieh ein philharmonisches Orchester zusammen mit dem Wagnersänger Rudolf Bockelmann dem Ereignis durch eine Darbietung von Hugo Wolfs Vertonung des Goethe-Gedichts »Beherzigung« Glanz.251
Natürlich gab es auch musikalische Einrichtungen, die ausschließlich dem NS-Staat dienten, allen voran das 1932 gegründete NS-Reichs-Symphonie-Orchester, dessen Mitglieder in SA-braunen Smokings auftraten. Es litt nicht an Beschäftigungsmangel und trat nicht nur, wie ursprünglich vorgesehen, in der Provinz auf, sondern gab zwischen 1933 und 1939 nahezu täglich Konzerte – auf Reichsparteitagen und vielen anderen Festveranstaltungen der Nationalsozialisten.252 Komponisten wie Cesar Bresgen, der an einem HJ-Konservatorium in Salzburg beschäftigt war, und Bruno Stürmer, in ähnlicher Funktion in Kassel, schrieben fast ausschließlich für NS-Veranstaltungen, zu denen ihre Werke auch aufgeführt wurden. Georg Blumensaat wiederum hatte sich auf Kompositionen für Thingspiele spezialisiert.253
Ferner gab es Wettbewerbe für ehrgeizige junge Talente mit dem Ziel, NSinspirierte Musik zu komponieren. Dazu gehörte die Umwandlung politischer Lieder in volksliedähnliche Melodien, die so allgemein verbreitet sein sollten, dass Volksgenossen sie auf der Straße pfeifen konnten. So war es für das »Horst-Wessel-Lied« vorgesehen, das Wessel kurz vor seinem Tod komponiert hatte und das vor allem durch das einleitende »Die Fahne hoch!« bekannt ist. Durch häufige Wiedergabe und endlose Wiederholungen sollte es ins allgemeine Bewusstsein eindringen, ebenso wie das Liedchen »Es zog ein Hitlermann hinaus«.254 Offenbar war die Komposition neuer völkischer Lieder für die Volksgemeinschaft so wichtig, dass Hitler selbst, in einem seltenen Anfall von Mikro-Management, das Tempo bestimmte, in dem das »Horst-Wessel-Lied« zu singen sei, oder einen Preis für neue Kompositionen aussetzte.255 Tatsächlich kamen neue »Volkslieder« dabei heraus wie »Hohe Nacht der klaren Sterne«, das der HJ-Barde Hans Baumann 1936 als Ersatz für das beliebte Weihnachtslied »Stille Nacht« hervorbrachte.256 Offenbar war der Versuch keineswegs erfolglos; Baumanns Komposition wurde von vielen Deutschen noch lange nach Kriegsende intoniert.257
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.