eine außereheliche Tochter, gezeugt von einem deutschen Vater vor langer Zeit, die nun auch ins Vaterland zurückkehrt. Der Film beschwört zum einen, ganz nach NS-Geschmack, den vermeintlichen »Ruf des Blutes«, zum anderen die Überlegenheit der deutschen Musik – Bach ist zu wertvoll für das kulturlose Amerika.183
1938 gab es noch zwei weitere Filme, in denen Frauen auf ihren Platz verwiesen wurden. In Die vier Gesellen spielt Ingrid Bergman – ihre einzige Rolle in einem deutschen Film – eine Geschäftsfrau, die gerade noch rechtzeitig erkennt, dass ihre wahre Bestimmung nicht in einem Büro, sondern an der Seite des entschlossenen Mannes zu finden ist, den sie liebt. Kompromisse werden lächerlich gemacht.184 In Die Frau am Scheidewege ergibt sich eine Ärztin in jeder Hinsicht einem männlichen Kollegen als Assistentin und Ehefrau.185 Und in Frau am Steuer werden 1939 die ehelichen Beziehungen dergestalt geradegerückt, dass Mann und Ehefrau erwiesenermaßen nicht miteinander in einem Büro arbeiten können, sondern die Frau in den Haushalt gehört.186 Während des Krieges sollte Hitler die Frauen auch dann noch zu Hause lassen, als Albert Speer und Goebbels es für angeraten hielten, sie in der Rüstungsindustrie zu beschäftigen.
Der für seine erotischen Eskapaden berüchtigte Propagandaminister war der autokratische Herrscher über die Filmwelt, in der er die Gunst von rollenversessenen Schauspielerinnen auf der »Besetzungscouch« zu erlangen suchte. Im Dezember 1938, als Hitler Goebbels’ Affäre mit der tschechischen Filmschauspielerin Lída Baarová beendet hatte, verglich der ewig neiderfüllte Alfred Rosenberg Goebbels’ Verhalten mit dem von jüdischen Filmmagnaten der Vergangenheit, »die ihre Angestellten sexuell zwangen«.187 Es dürfte ein geringer Trost für den prüden Parteiideologen gewesen sein zu erfahren, dass Goebbels in seiner Funktion als oberster Bühnenwächter sexuell weniger Erfolg beschieden war. Hier wurde konventioneller gearbeitet als am Filmset, und die Darsteller, darunter einige Filmschauspieler, waren teils längst etabliert und daher nicht so leicht zu korrumpieren. Goebbels’ Herrschaft stieß in diesem Bereich ohnehin an Grenzen; Theater, die dem Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring unterstanden – allen voran das Staatstheater in Berlin –, sowie einige weitere unter Rosenbergs Ägide waren seinem Zugriff entzogen.
Auch wenn die Theaterbühnen für Goebbels daher weniger interessant waren, mussten auch sie sich den neuen Vorgaben fügen. Wie die Filmindustrie und besonders das Kinowesen waren sie 1933 in schlechter finanzieller Verfassung. In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte die Regierung Brüning die Subventionen für die Staatstheater zusammengestrichen, sodass diese – wie die privaten Bühnen – aufgrund der Weltwirtschaftskrise ihr Personal nicht mehr bezahlen konnten. Auch die Lizenzzahlungen von Verlagen blieben aus, und so litten Schauspieler, Intendanten und Bühnenarbeiter unter kargen Entlohnungen oder wurden entlassen. Diese Misere währte, wie die allgemeine Arbeitslosigkeit, weit über 1933 hinaus.188
Nach der Machtergreifung besserte sich gleichwohl die Lage. Eingedenk der Versprechungen zur Wertschätzung deutscher Kultur und in Übereinstimmung mit Goebbels’ Propagandazielen erhielten die Theater mehr Geld. Zudem wurden neue Bühnen gebaut und Reichstheatertage und -wochen eingeführt, um in der Öffentlichkeit (zum Beispiel bei der HJ) größeres Interesse zu wecken.189 Auch insolvente Privattheater wurden konsolidiert und mit Staatsgeldern refinanziert, wobei hier und da jüdische Besitzer vertrieben wurden; so musste etwa Max Reinhardt seine fünf Berliner Theater aufgeben.190 In der Hauptstadt wurden vier prominente Theater unter ebenso prominenter Leitung als tonangebend auserkoren, darunter Görings Preußisches Staatstheater.191 Darüber hinaus benutzten Parteiführer ihre eigenen Organisationen, um die Theater mit neuen Besucherströmen zu füllen. Rosenberg setzte dafür seinen Kampfbund für deutsche Kultur und dessen Nachfolgerin, die Nationalsozialistische Kulturgemeinde ein, Robert Ley die vom Staat subventionierte Freizeiteinrichtung Kraft durch Freude der Deutschen Arbeitsfront. 1934 konnte Ley anderthalb Millionen Besucher (auf freiwilliger Basis oder nicht) mobilisieren, 1938 waren es bereits siebeneinhalb Millionen.192
Wie im Falle der Literatur entstammten viele Schauspiele, die nun als der neuen Zeit angemessen empfunden wurden, der »Kampfzeit« und hatten damals praktisch keine Chance, aufgeführt zu werden. Als sie nun von ihren Autoren – arm an Talent, aber reich an Bekenntnisfreude – angeboten wurden, hielten Theaterdirektoren und -kritiker bis hinauf zu Goebbels die Sachen noch immer für überflüssig und ignorierten sie.193 Eine ganze Reihe wurde trotzdem aufgeführt, häufig durch neu berufene NS-Gläubige, weil der Autor Beziehungen oder das Stück eine nützliche politische Botschaft hatte oder weil das Propagandaministerium die breite Masse via Unterhaltung bei der Stange halten wollte.194 Auch drängten bislang unbekannte Schauspieler ins Rampenlicht, und die Korruption blühte: Kaum war der drittklassige Schauspieler Otto Laubinger im Herbst 1933 zum Präsidenten der neuen Reichstheaterkammer in der RKK aufgestiegen, bestand er auch schon darauf, dass eine seiner jungen Freundinnen eine Rolle erhielt.195
Die erwähnten Theaterstücke – Komödien wie Tragödien – waren allesamt mittelmäßig, dafür aber propagandistisch-hinterhältig, weil sie, wie die Romane und die meisten Filme, nationalsozialistische Klischees bedienten: Der Mythos von der bäuerlichen Scholle fand Ausdruck in Bauern, die ihr Land und Erntegut gegen plündernde Soldaten (etwa im Dreißigjährigen Krieg) verteidigen, in einer norddeutschen Deichgemeinschaft, die den heldenhaft-todgeweihten Kampf gegen eine Sturmflut führt, oder im Widerstand gegen einen ausbeuterischen Grafen (in vorindustrieller Zeit). Unerlässlich für diese Mikrogemeinschaften war das Eingreifen eines starken Führers.196
Die Tapferkeit deutscher Soldaten im Ersten Weltkrieg wurde am Beispiel des Todes studentischer Freiwilliger bei Langemarck 1914 gewürdigt, Sowjetrevolutionäre und schwarze Soldaten aus den Kolonien dagegen waren des Teufels. Dasselbe galt für Kriegsgewinnler, den Waffenstillstand vom November 1918 und den Versailler Vertrag vom Sommer 1919.197 Deutsche in ostpreußischen Gebieten, die seit 1918 Polen begehrte, wurden gefeiert, die Polen verächtlich gemacht.
Ebenso verfuhr man mit der Tschechoslowakei.198 Die Stadt wurde ab-, das Landleben aufgewertet; Ahnenverehrung stand hoch im Kurs.199 Moderne Entwicklungen wie Frauenrechte wurden bespöttelt, die »rassisch« und sozial homogene »Volksgemeinschaft« dagegen mit Beifall bedacht.200 Antisemitische Ausfälle und solche gegen Sinti und Roma durchzogen viele dieser Stücke.201 Die Verlage zeigten sie zwar unter eher langweilig erscheinenden Titeln an, doch ist dem heutigen Beobachter klar, dass die Schauspiele keineswegs harmlos waren.202
Einige Schauspiele waren inhaltlich nicht nationalsozialistisch, konnten aber ungehindert aufgeführt werden, weil die Autoren Nationalsozialisten waren. Insbesondere galt dies für Goebbels’ Drama Der Wanderer von 1927, das im Mai 1933 in Leipzig aufgeführt wurde. Sein Protagonist, der »Wanderer« ist »ein hellsichtiger Deuter alles Geschehens« (also ein Doppelgänger Hitlers), der von »dem Dichter« begleitet wird. Die Leipziger Neuesten Nachrichten (eine gleichgeschaltete Zeitung) wies auf die »politischen und propagandistischen Absichten« hin, über den Erfolg ist nichts bekannt.203 Ein früher Parteigänger Hitlers war dessen väterlicher Freund Dietrich Eckart, der kurz nach dem Münchner Putschversuch von 1923 an den Folgen seines Alkoholismus starb. Von ihm verfasste Dramen wurden bald nach der Machtergreifung aufgeführt, einige davon zum ersten Mal. Sein bekanntestes und noch vor dem Ersten Weltkrieg sehr erfolgreiches Stück Peer Gynt (1912, nach Henrik Ibsen) trug expressionistische Züge und wurde nach 1933 häufig von regimeeigenen Bühnen gespielt, wozu insbesondere der ihm innewohnende Antisemitismus beitrug.204 Ein eher zweitrangiger Parteitroll war Rosenbergs Adjutant Thilo von Trotha, einer der Hoffnungsträger der Bewegung, der seine Machtposition dazu nutzte, seine Stücke – Engelbrecht, Gudrun und Princess Plumpudding – zur Aufführung zu bringen. Von Trotha entstammte einer baltischen Baronatsfamilie und war von der Thematik des Nordischen besessen. In diesem Zusammenhang hatte er Richtlinien für die neue deutsche Bühne formuliert: »Die Auswahl der Schauspieler wird nach rassischen und weltanschaulichen Grundsätzen getroffen.« Die Schauspieler sollten eine eugenisch beeinflusste Haltung zu ihren Rollen haben, gutaussehend sowie jung und gesund sein.205 1938 starb Trotha im Alter von 34 Jahren bei einem Autounfall.
Ein paar waschechte nationalsozialistische Dramatiker waren nicht ohne Talent und hätten vielleicht auch unter anderen Bedingungen reüssiert. An vorderster Stelle ist dabei Hanns Johst zu nennen, der sich in der Weimarer Republik mit expressionistischen Dichtungen einen Namen gemacht hatte. Sein Schauspiel