Qualifikation nur 20 Prozent des Unternehmenserfolges ausmacht und dass die anderen 80 Prozent von den Leadership-Qualitäten der Führungskräfte abhängen. Dies gilt nicht nur für mittelständische Betriebe – von der kleinen Strandbar über Restaurants bis hin zur Hotellerie –, sondern für die gesamte Dienstleistungsbranche, den Einzelhandel und auch ganz klar für große Konzerne.
Kleine Zeitreise
Wenn ich mich an meine Ausbildung erinnere, die im Jahr 2000 begann, dann war diese damals noch etwas ganz Besonderes. Wir waren stolz darauf, in einem bekannten Haus zu arbeiten, das wir später in unserem Lebenslauf angeben konnten. Es machte immer einen guten Eindruck, wenn jemand schon in namhaften Betrieben gearbeitet hatte. Es ging oft lediglich um den Namen und weniger darum, was sie oder er dort konkret gemacht oder wie sich die Person persönlich weiterentwickelt hatte. Auch heute ist das leider immer noch oft so.
Dabei gäbe es dazu viel zu sagen. Gerade in der Gastronomie haben wir uns oft gefühlt zu Tode gearbeitet. Der Umgangston war eher rau, ab und zu flog auch mal eine Pfanne – und bei alldem herrschte eine strenge Disziplin. Manches ist wohl bis heute so. Ich hätte mich damals niemals getraut, zu spät zu kommen, zu widersprechen, geschweige denn, mich wegen Kopfschmerzen krankzumelden.
Ja, so wurden wir erzogen und das wurde uns auch in der Ausbildung eingetrichtert: »Wer feiern kann, kann auch arbeiten.« Wie oft habe ich durchgemacht, mir am nächsten Tag nichts anmerken lassen, um nach Feierabend direkt ins Bett zu fallen und 14 Stunden zu schlafen. Durchhalten und fleißig sein. Egal für wie viel (bzw. wenig) Geld.
Die Azubis waren eher schüchtern und hatten eine ganz bestimmte Einstellung von zu Hause mitbekommen. Auf jeden Fall erst mal eine Ausbildung fertig machen (Stichwort Kompetenz), zu Hause wohnen, Geld sparen und dann: Ab in die große Welt. Es gab immer eine gewisse Anzahl an Bewerbern, die diesen Beruf lernen wollten oder mussten. Der Arbeitgeber konnte eine Auswahl treffen.
Und heute?
Die jungen Leute – die Generation Y, die zwischen 1980 und 2000 Geborenen – wollen immer früher selbstständig werden, zu Hause ausziehen und die Welt bereisen. Ohne Geld ist das natürlich schwierig. Also gehen viele als Quereinsteiger in irgendwelche Berufe, wo sie oft um einiges mehr verdienen als in einer normalen Ausbildung. Oder sie verdienen als Studierende nebenbei noch etwas dazu.
Diese jungen Leute, auch »Socials« genannt, wollen ihr Leben so früh wie möglich selbst bestimmen. Sie wollen mehr Freizeit, sie wollen ihre Sozialkontakte pflegen und sind permanent mit ihrem Handy zu sehen. Sie wollen sich alles offenhalten, und das ist auch ihr gutes Recht. Sie wollen sich nicht gleich auf einen Beruf festlegen. Sie wollen sich erst einmal selbst finden und fragen sich, ganz anders als ihre Vorgängergeneration, oft: »Wer bin ich eigentlich und was will ich?«
Manche suchen nach Aufmerksamkeit auf den Social-Media-Plattformen, manche wollen damit ein Business starten oder sie teilen ihr ganzes Leben auf diesen Plattformen. Mein Eindruck ist, dass die wenigsten von ihnen auch nur eine Stunde mehr arbeiten wollen; und wenn sie merken, dass sie eventuell krank werden, melden sie sich auch gleich arbeitsunfähig. Ja, du hast recht, das war jetzt etwas hart und einseitig formuliert – und ja, wir dürfen die Generation Y auch so akzeptieren und sie schätzen und dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlt und ihre Träume leben kann. Wir sind durch die Besonderheiten dieser Generation aber auch mit neuen Herausforderungen konfrontiert.
Wir haben also weniger Fachkräfte, weil immer weniger junge nachrücken, das heißt, wir haben alle weniger Auswahl. Doch warum kommen immer weniger nach?
Nun, heute befinden sich gut qualifizierte Fachkräfte in der glücklichen Lage, sich ihren Arbeitsort, ihre Organisation bzw. die Firma, in der sie arbeiten wollen, aussuchen zu können. Wenn es ihnen dort nicht mehr gefällt, dann kündigen sie einfach – in dem Wissen, dass sie innerhalb kürzester Zeit den nächsten Job finden. Dabei geht es übrigens schon lange nicht mehr primär um das Gehalt. Geld ist heutzutage nicht mehr das einzige und längst nicht das wirkungsvollste Lockmittel.
Infolge der Corona-Krise wird sich die Fachkräftesituation vermutlich verändern. Einige Betriebe werden schließen und somit kommen wieder mehr Fachkräfte auf den Markt. Doch wie finden wir sie und wie können wir sie überzeugen, zu uns zu kommen?
Jeder arbeitende Mensch, egal ob Fachkraft, Quereinsteiger oder Azubi und egal welcher Generation oder Herkunft, wünscht sich einen Ort, an dem er sich wohlfühlt, wo die Balance zwischen Arbeit und Freizeit stimmt, er nicht rund um die Uhr arbeiten muss, wo man sich um seine persönliche Weiterentwicklung kümmert und seine Arbeit wertschätzt. Die Generation meiner Eltern, die sogenannten »Babyboomer«, versteht das natürlich nur schwer.
Kernthemen: Selbstführung und lebenslanges Lernen
Meine Oma hat immer zu mir gesagt: »Wenn du nicht mit der Zeit gehst, gehst du mit der Zeit.« Das habe ich erst viel später verstanden und mir dann sehr zu Herzen genommen. Die Jüngeren wehren sich heute zu Recht gegen einen diktatorischen Führungsstil, der streng und hierarchisch daherkommt. Das Modell »Zuckerbrot und Peitsche« ist längst überholt. Wer das nicht versteht und keine echte und faire Bindung zum Menschen / Mitarbeiter aufbaut, hat in meinen Augen verloren. Der Chef, der alles besser weiß und alle Fäden in der Hand behalten will, hat ausgedient. Das durfte ich selbst über die Jahre auch von meinem Team lernen – ich habe von meinen Mitarbeitern vermutlich genauso viel gelernt wie sie von mir.
Anfangs habe ich mir den Führungsstil meines Vaters zu eigen gemacht, weil ich keine Alternative hatte und ich keine bessere Möglichkeit sah, mir Respekt zu verschaffen. Was ich heute weiß: dass ich dadurch nicht authentisch war. Meine Vorteile lagen sicherlich in meiner fachlichen Kompetenz und meinem beharrlichen Fleiß; das hat manchen vielleicht imponiert, da ich noch sehr jung war. Es gab ihnen auch ein Gefühl von Sicherheit.
Doch ich merkte mit der Zeit, dass ich nur eine Rolle einnahm: Ich war nicht ich selbst. Tief im Inneren wollte ich anders sein. Ich wollte auch meine warme, den Menschen zugewandte Seite zeigen. Mir taten die Mitarbeiter manchmal richtig leid, weil wir – mein Vater und ich – einfach zu hart waren.
Trotzdem brauchte es noch einige Zeit, bis ich zu einer Veränderung bereit war. Diese Rolle, die »Maske«, die ich mir angeeignet hatte, war schwer abzulegen. Mein LEIDbild war so stark, dass ich meine Authentizität nicht leben konnte. Mein wirkliches LEITbild entwickelte sich erst durch die Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit gemacht hatte. Schließlich gelang es mir, die Punkte zu visualisieren, die ich umsetzen wollte, um ein Team erfolgreich führen zu können. Was ich für mich schließlich daraus schloss, war Folgendes: Wer sich nicht selbst zu führen versteht, wer zu sich selbst nicht gut ist und täglich das tut, was ihm Freude bereitet, der kann nicht positiv sein und der kann auch andere nicht führen.
Ich überlegte mir, welche Werte mir wirklich wichtig waren, welche ich mit meinem Team leben wollte und welche ich für mich selbst brauchte. Ich habe mir meine Werte aufgeschrieben und auch das Leitbild, nach dem ich ein Team führen wollte. Vor allem sollten es Werte sein, die die Mitarbeiter schon mitbringen. Denn eines habe ich damals verstanden: Wenn das gesamte Team, inklusive Chef, keine gemeinsamen Werte hat, führt das zu einem endlosen Kampf, bei dem nur sinnlos Energie verschwendet wird. Diese Erkenntnis habe ich seither immer befolgt. Wenn ich mir nun eine Arbeitsstelle suchte, klärte ich so früh wie möglich die Werte und das Leitbild des Chefs ab. Passten sie mit meinen Werten und meinem Leitbild nicht zusammen, würde ich dort nicht anfangen.
Werte, die für mich wichtig sind:
• Ehrlichkeit
• Vertrauen
• Wertschätzung
• Respekt
• Spaß
• Klarheit
• Zuverlässigkeit
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