Eine echte Machkraft zügelt in der Regel ihr Ego jeden Tag, bevor sie das Haus verlässt und zur Arbeit geht. Führung muss man aus tiefstem Herzen wollen, denn du tust damit die Dinge, zu denen andere nicht bereit sind. Führung ist (d)eine Entscheidung.
Doch entscheiden sich Menschen nicht immer bewusst und aus eigener Motivation für eine Führungsposition, manchmal rutschen sie einfach so hinein oder rücken nach, ohne gefragt zu werden, einfach weil es die nächste logische Stufe auf der Karriereleiter ist.
Ich gebe dir drei Beispiele von Führungsrollen, die ich für mich abgrenze. Natürlich sind die Übergänge zwischen diesen Typen fließend und sie überschneiden sich auch zum Teil. Ich sehe sie jedoch als drei verschiedene Entwicklungsstufen: von der Führungskraft zum Leader und schließlich zur (aus meiner Sicht) Königsklasse: der Machkraft.
Führungskräfte …
sind Menschen, die meist in eine Rolle schlüpfen. Sie …
• haben oft ein großes Ego und sehen nur die Karriere;
• haben häufig Selbstzweifel und ein geringes Selbstbewusstsein;
• trennen selten beruflich und privat;
• erwarten fertige Menschen;
• verharren gerne in der Bewertungsschublade;
• sind oft überfordert mit ihren Aufgaben;
• sind eher ergebnisorientiert als menschenorientiert.
Leader …
sind Menschen, die andere in eine Richtung führen. Sie …
• sind zu 100 Prozent dabei;
• blicken nach vorne und konzentrieren sich auf die Stärken der Mitarbeiter;
• arbeiten lösungsorientiert;
• entwickeln einen eigenen Führungsstil;
• sind Helden und Vorbilder und machen Mitarbeiter zu ihren Fans;
• haben oft hohe Erwartungen an die Mitarbeiter;
• sehnen sich nach Fachkräften, sind aber auch in der Lage, Quereinsteiger zu führen.
Machkräfte (die Königsdisziplin) …
sind Menschen, die aus anderen etwas machen. Sie …
• gehen ALL IN;
• bewerten NIE;
• machen einfach, ohne darüber nachzudenken, ohne Anweisungen zu hinterfragen;
• pflegen eine gesunde Fehlerkultur;
• haben einen unbedingten Willen, können flexibel auf unterschiedlichen Positionen arbeiten und sind somit in der Lage, sich in jedes Teammitglied hineinzuversetzen;
• schubsen ihre Mitarbeiter gerne raus aus der Komfortzone;
• sind Talentmanager und in der Lage, aus jedem einen Diamanten zu machen, der zum Fan der Organisation wird und somit zum Markenbotschafter.
Da der Machkräftemangel das zentrale Thema des Buches ist und es zukünftig darauf ankommen wird, als Machkraft nach potenziellen Machkräften zu suchen und diese zu halten, verwende ich in diesem Buch überwiegend den Begriff »Machkräfte«.
Ich habe vorhin von meiner Restaurantleiterin Martina erzählt. Martina ist nachgerückt, als die bisherige Leitung nach drei Jahren aufgehört hat, weil sie sich selbstständig machen wollte. Ich habe Martina die Chance gegeben, weil ich gewillt war, sie für die Leitungsfunktion auszubilden. Nach ein paar Monaten haben wir aber beide gemerkt, dass sie kein Leader ist, ohne das jetzt zu bewerten. Sie hat ihre Stärke zwar darin, das Team emotional und sozial zusammenzuhalten, sie kann anpacken und auch Ansagen machen und sie ist durchaus in der Lage, eine Leitungsfunktion über einen gewissen Zeitraum auszuüben (z. B. als Urlaubsvertretung). Wenn sie diesen Rundumblick jedoch über einen längeren Zeitraum haben musste, entzog ihr das Energie, sie wurde öfters krank und ihre Leistung hat merklich nachgelassen.
Deshalb ist sie von ihrem Posten wieder zurückgetreten und uns ging es beiden damit besser. Es war gut, dass ich ihr diese Chance gegeben habe, denn sonst hätten wir das nie herausgefunden, auch sie nicht, denn sie wollte immer gerne mehr Verantwortung, wie so viele in der Arbeitswelt.
Natürlich ist es verlockend, verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen, zum Beispiel Dienstpläne zu schreiben, Bestellungen aufzugeben oder Mitarbeitergespräche zu führen. Man kann sich die Zeit selber einteilen, hat vielleicht ein eigenes Büro und sogar einen Dienstwagen und was weiß ich noch alles.
Doch was viele nicht sehen, ist die Tatsache, dass hinter den Kulissen viel mehr abläuft. Die ständigen Gespräche und Entscheidungen sind anstrengend. Da geht es um persönliche Probleme oder Herausforderungen der Teammitglieder und darum, als Machkraft kritisches Feedback zu geben. Du arbeitest fast doppelt so viel wie die anderen, oft noch von zu Hause aus, was aber keiner sieht. Du bist immer erreichbar, auch an freien Tagen im Einsatz und trägst die Verantwortung für alles. Denn wenn etwas schiefläuft, musst du Rede und Antwort stehen. All das wollen viele, die sich eine Führungsposition wünschen, nicht sehen.
Noch mal kurz zurück zu Martina. Was haben wir gemacht? Wir haben uns auf ihre Stärken konzentriert. Als Machkraft solltest du immer das ganze Potenzial in jedem wecken und es zur Entfaltung bringen – auch wenn derjenige selbst manchmal noch gar nicht weiß, was er alles kann oder eben nicht.
So habe ich eher zufällig herausgefunden, dass Martina in ihrer Freizeit gerne zeichnet. Das ist ihre Leidenschaft. Anfangs behauptete sie, sie sei nicht gut genug, doch ich habe nicht lockergelassen (ich schubse die Menschen an meiner Seite zu gerne in die richtige Richtung). Martina wurde immer besser und hat für sich ein kreatives Hobby entdeckt, das sie entspannt, ihr einen guten Ausgleich gibt und dazu beiträgt, dass sie auch ihre Arbeit mehr erfüllt.
Unterstützung ist gefragt
Als Trainerin und Coach ist es meine Aufgabe, Teams zu motivieren, sie ins Gleichgewicht zu bringen und ans Unternehmen zu binden – ich bin die »externe Teamflüsterin«, die allen Beteiligten die Scheuklappen von den Augen nimmt, das Bindeglied zwischen Team und CEO ist und das Bewusstsein für die Teamführung schafft. Doch immer wieder werde ich mit Leuten konfrontiert, die nur in eine Führungsposition rutschen, weil es der nächste Posten auf der Karriereleiter ist, die aber selbst nicht reflektiert genug sind, sich einzugestehen, dass sie zwar ihre Kompetenzen besitzen, aber noch lange keine Führungspersönlichkeit sind und es vielleicht auch nicht wirklich sein wollen.
Oder ich begegne Menschen, die durchaus das Potenzial zum Leader, zur Machkraft haben, denen andere den Job aber nicht zutrauen oder die andeuten, dass diese nicht gut genug dafür sind. Gerade dann heißt es für die Führungspersönlichkeit, standhaft zu bleiben. Leadership hat nämlich viel damit zu tun, dass man an sich selbst glaubt, auch wenn es sonst niemand anderer tut. Führung fängt immer bei DIR an. Führungskräfte haben die Aufgabe, authentisch zu sein, andere auszubilden, einzuarbeiten und Mitarbeiter in ihre eigene Kraft zu bringen. Als Machkraft braucht man kein Zertifikat.
Nur die wenigsten sind dazu bereit, ALL IN zu gehen, sich um die verschiedenen Altersgruppen und Hierarchiestufen, um unterschiedliche Bedürfnisse und um neue Mitarbeiter zu kümmern, weil es anstrengend ist und viele dann genervt sind. Oft herrscht deshalb schlechte Stimmung, die aus einer Überforderung entsteht oder aus einem Mangel an Wertschätzung und Lob. Klar brauchen wir ein großes und starkes Selbstbewusstsein, denn uns Machkräfte lobt in der Regel keiner. Unser Job ist es, die anderen zu loben und wertzuschätzen. Das vergessen sehr viele in der Arbeitswelt. Und was passiert dann? Die Krankheitsfälle häufen sich,