ertönte da Corys Stimme aus dem Hinterraum.
„Was willst du?“
„Du weißt es. Sag Kieler, er soll über den Hof gehen und die Tasche über den Zaun werfen!“
„Wir haben die Tasche nicht.“
„Spar dir deine Lügen.“
„Lola ist fort. Sie hat sie mitgenommen. Rufe sie doch. Du wirst sehen, dass dir niemand antwortet.“
„Ihr habt sie gefesselt und geknebelt“
„Komm her und überzeuge dich, dass sie nicht hier ist.“
„Das könnte dir so passen“, gab Cory zurück. „Ich werde hier ein Feuer entfachen, wenn ihr euch nicht beeilt. Wenn das ganze Haus in Flammen steht, werdet ihr von selbst kommen.“ „
Cory, selbst wenn wir die Tasche hätten, würden wir sie nicht mit hinausbringen.“
Corys unterdrückter Fluch schallte durch die Tür.
„Das habe ich dir doch gleich gesagt“, knurrte eine zweite Stimme. „Niemals gibt der uns das Geld. Lieber lässt er es verbrennen. Der Gedanke mit dem Anbrennen ist nicht gut. Los, sie sind doch nur zu zweit!“
„Du kannst ja den Anfang machen!“, rief der Spieler.
Als jemand gegen die Tür trat, gab der Stationer sofort einen Schuss ab. Die Kugel durchschlug die Türfüllung. Eine Sekunde später schob sich der Lauf eines Gewehres gegen das Loch. Eine Mündungsflamme leckte in den großen Vorderraum herein. Die Kugel ging dicht an Kieler vorbei, strich durch die offene Tür und fuhr ratschend in die Wand des Stalles.
Schnell veränderte Kieler seinen Standort.
Da erdröhnte das Haus schon unter dem nächsten Schuss. Mit einem Gewehrkolben wurde ein Loch in die Türfüllung geschlagen. Ein Colt erschien in dem Loch.
Im selben Augenblick, als Tom die Hand sah, schoss er. Doch er traf nicht. Seine Hand zitterte zu stark. An der Wand entlang schob er sich bis in die Ecke.
Draußen krachten die Schüsse jetzt in rasender Folge.
„Rod, mach das Tor auf!“, rief eine barsche Stimme.
Tom blickte zu dem Stationer und sah ihn schießen. Er war vom Kamin gegen die Sicht aus dem Hinterzimmer gedeckt.
„Einer ist im Hof!“, rief er.
„Jetzt holt euch der Teufel, Calhoun!“, schrie Cory. „Dir bleibt nicht mehr viel Zeit, das Geld herauszugeben!“
„Der kommt mir nicht mit einem blauen Auge davon, das verspreche ich dir“, ertönte die zweite Stimme. „Der Bursche ist mir unheimlicher als zehn Giftschlangen. Wenn wir von hier fortgehen, will ich wissen, dass er sich nicht mehr an meine Fersen hängen kann. Los, die Tür auf!“
Hämmernd schlug etwas gegen die Tür. Sie sprang auf. Noch zeigte sich niemand.
Draußen bewegte sich knarrend das große Tor im Palisadenzaun. Dann knirschten Schritte im Sand.
Mit einem mächtigen Satz sprang Kieler nach rechts, kippte den Tisch um und warf sich dahinter.
Drei Schüsse peitschten in rasender Folge auf.
„Eins kann ich euch sagen“, sagte Tom leidenschaftslos. „Die Postgesellschaft wird diese Sache nie auf sich beruhen lassen. Wohin ihr auch reitet, sie werden euch hetzen. Und dabei könnt ihr nichts gewinnen, denn das Geld ist wirklich nicht hier.“
Statt einer Antwort folgten mehrere Kugeln, untermalt von einem Hohngelächter.
Toms Wunde schmerzte so stark, dass vor seinen Augen alles zu verschwimmen schien. Er ging in die Knie. Plötzlich sah er, dass sich das Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel, verdunkelte. Instinktiv ließ er sich nach vorn fallen. Der Schmerz durchraste seinen ganzen Körper. Er hörte das giftige Sirren der Kugel und dicht neben sich den Einschlag in die Wand.
Als er sich zur Seite rollte, sah er das Gesicht im Fensterausschnitt. Davor den rauchenden Revolver, dessen Mündung auf ihn zeigte. Erst als seine Waffe im Rückschlag zuckte, wurde er sich bewusst, geschossen zu haben. Ein langgezogener Schrei hallte durch die Station. Das Gesicht war verschwunden.
„Rod“, sagte plötzlich eine brüchig klingende Stimme. „John, Rod ist tot.“
Kieler schoss wieder auf die Hintertür. Nun wussten sie, dass Cory mit Monk in dem Zimmer war. Doch keiner von ihnen wagte es, in den großen Stationsraum einzudringen, denn sie wollten unverletzt an das Geld kommen.
„Bliff!“, schrie Cory.
„Ich bin vor dem Haus!“
„Kannst du sehen, ob die Frau drin ist?“
„Nein, Sam. Vielleicht hat er nicht gelogen.“
„Quatsch. Bestimmt sitzt sie irgendwo und ist geknebelt. Versuche es durch das Küchenfenster.“
An der offenen Tür huschte ein Schatten vorbei.
Den Tisch vor sich herschiebend, bewegte sich Kieler auf die Küchentür zu. Dann sprang er auf und hastete in die Küche hinein.
Fast gleichzeitig peitschten zwei Schüsse auf. Draußen knirschte der Sand unter Stiefelsohlen.
Der Stationer fluchte.
„Vorsicht, Calhoun!“, rief er. „Der Kerl ist noch im Hof. Ich habe ihn nicht getroffen.“
Tom hatte sich auf den Bauch gedreht. Er hatte gehofft, dass so die Schmerzen etwas nachlassen würden. Doch das stimmte nicht. Schweiß brannte jetzt auf seinem ganzen Körper. Es fiel ihm schwer, die Hintertür weiter zu beobachten. Er kroch weiter, bis er den Tisch erreicht hatte und blieb dahinter liegen.
Plötzlich ertönte im Hof heftiges Gewehrfeuer. Tom dachte, dass Kieler durch das Küchenfenster nach draußen gestiegen sein musste.
„Verdammt, ich kann sie nirgends sehen“. sagte eine Stimme, die sehr nahe klang. Tom fuhr in die Höhe. Doch vor sich sah er nur die Tischplatte. Er wollte sich ganz aufrichten, schaffte es aber nicht.
Im Hof erschallte ein Schrei.
„Was ist denn bloß los?“, hörte Tom den Stationer aus der Küche fragen.
„Kieler, wo sind Sie denn?“, rief Tom und machte noch einmal den Versuch, sich aufzurichten. Er schaffte es bis auf die Knie und konnte den Kopf wenden. In der Tür stand Ben Warthon. Er hatte jetzt einen rauchenden Colt in der Hand, und sein Gesicht war wie zu Stein erstarrt. Er hob den Colt und schoss auf die Tür.
„Der Satan soll euch alle holen!“, rief er und ging vorwärts.
Endlich stand Tom auf den Beinen.
„Bleib stehen“, sagte er. „Sie warten nur auf den Moment, uns töten zu können. Der Kampf geht doch um nichts mehr. Lola Starr ist mit der Tasche fort.“
Ben war stehengeblieben.
Plötzlich sprang Monk, der es anscheinend nicht mehr abwarten konnte, in den Raum herein.
Tom sah ihn jetzt ganz deutlich. Er hob die Waffe und schoss. Mit unwiderstehlicher Gewalt wurde dem Banditen der Colt aus der Hand geschleudert.
Ben und der Stationer richteten ihre Waffen auf ihn, und Kieler sagte: „Komm herüber. Du hast keine Chance mehr.“
Monk wurde bleich.
„Sie ist wirklich nicht hier“, sagte er stöhnend. „Sam, hast du gehört?“
„Komm endlich. Oder ich drücke ab.“ Kieler hob die Waffe etwas an.
Monk schien einzusehen, dass er sich zu weit vor gewagt hatte und kam langsam vorwärts.
Aus dem angrenzenden Raum waren Schritte zu hören. Dann knirschte Sand.