Alfred Edmund Brehm

Reisen im Sudan


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Ägypten und Nubien und nahm die Altertümer in Schendi und Meroë auf. Ihm danken die ägyptologischen Sammlungen Deutschlands den Ankauf vieler nubischer Antiquitäten, darunter auch Funde aus den Pyramiden von Meroë. Seine rund vierzig an Alexander von Humboldt, Bunsen und den König selbst gerichteten Briefe aus dieser Zeit erschienen 1852 in Buchfolge. Heinrich Karl Brugsch bereiste Nubien 1853 bis 1854. Viele deutsche Sudan-Reisende der Zeit kennt Brehm oder erwähnt sie: Rüppel, dessen Reisen in Nubien, Kordofan und dem Peträischen Arabien schon 1829 erschienen, J. von Russegger, dessen mineralogische Gutachten Mohammed-Ali zur Goldsuche ermutigten, von Henglin, Bilharz, den Entdecker der Bilharziose, Ehrenberg, den Missionar Krapf, den Diplomaten Graf von Prokesch-Osten, den Schriftsteller Bogumil Goltz, um nur einige von ihnen zu nennen. Fast alle haben, von der Weite und Unberührtheit des oberen Niltals fasziniert, ihre Eindrücke und Erlebnisse in diesem entlegenen Teil der osmanischen Welt beschrieben.

      Daneben war der Sudan schon zu Zeiten Brehms beliebtes Ziel für Jagdfahrten und archäologisch-touristische Ausflüge. 1839–40 unternimmt Prinz Friedrich Paul von Württemberg einen Ausflug, der ihn bis an die abessinische Grenze bei Fazoghl führt, 1831 besucht der Österreicher Baron Callot auf der Suche nach Altertümern Khartum, Sennar und Gallabat an der äthiopischen Grenze. Brehm selbst begleitet zehn Jahre nach seinen Reisen in den Sudan den Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha auf einer ausgedehnten Jagdpartie in den Ostsudan und Eritrea.

      Mit dem erwachenden Interesse an der Erforschung der Quellen des Nils um die Jahrhundertmitte erlebt der Sudan einen neuerlichen Zustrom an Forschern, Vergnügungsreisenden und Abenteurern. Die Durchfahrt durch den Suezkanal eröffnete neue Verkehrswege auch in den Sudan. Neben der pompösen wie ineffizienten Figur eines Sir Samuel White Baker und Gordon, dem angelsächsischen Idol, findet sich eine zusammengewürfelt anmutende Gruppe europäischer Administratoren, die sich in die Verwaltung des Sudan, dieser einzigen nichteuropäischen Kolonie auf afrikanischem Boden, teilen. Mit ihnen, unter der Herrschaft des Khediven Ismael, erlebte der Sudan eine letzte weitausgreifende Expansion. 1865 trat die Pforte die Häfen Suakin und Massaua ab, die bislang unter der Statthalterschaft Djidda gestanden hatten, 1871 wurde der Schweizer Munzinger Gouverneur von Massaua, 1874 wurde Darfur erobert und als Provinz einverleibt; ihr letzter Gouverneur, der Österreicher Slatin-Pascha, sollte einige Jahre darauf in El Fascher vor dem Mahdi kapitulieren. Vor dem Ausbruch der Mahdistischen Erhebung von 1884 umfasste der ägyptische Sudan die Küste des Roten Meeres, weite Teile der Somaliküste unter Einschluss von Harrar, Zeila und Berbera, die ausgedehnten Gebiete um den Bahr El Ghazal und den oberen Nil, um schließlich mit der Provinz Äquatoria im Süden den Viktoriasee und damit den Äquator zu erreichen. Weite Bereiche des heutigen Uganda, Eritreas, ja selbst Somalias standen damals unter der zumindest nominellen Herrschaft des Khediven. Der Nil wurde ein ägyptischer Strom, für eine kurze Spanne erschien der Traum von der Einheit des Niltals verwirklicht. Der Zerfall dieser Einheit unter den Anstürmen der Mahdisten gehört bereits in ein anderes Kapitel.

      Festzuhalten bleibt hingegen noch ein Name, der in diese Spätzeit der ägyptischen Herrschaft fällt: Unlöslich mit Äquatoria verbunden ist sein letzter Gouverneur Eduard Schnitzer aus Oppeln in Schlesien, bekannt als Emin-Pascha, der nach dem Aufstand des Mahdi, von der Außenwelt völlig abgeschnitten, noch Jahre hindurch die Provinz nominell für den Khediven hielt. Als das Deutsche Reich unter Carl Peters sich um 1886 anschickte, seine koloniale Interessenssphäre in Ostafrika nach Norden über Uganda hinaus auszudehnen, beeilte man sich in England wie einst für Livingstone, eine Expedition unter Leitung Stanleys zum Entsatz auszusenden, der den Widerstrebenden schließlich nach Sansibar brachte. Jedoch gehört der gesamte Komplex, wie auch der Aufstand des Mahdi nicht mehr in den hier behandelten zeitlichen Zusammenhang, wie denn die späteren deutschen Sudan-Forscher, wie Heinrich Barth, Georg Schweinfurth, Gustav Nachtigal, Wilhelm Junker, hier unberücksichtigt bleiben müssen.

      III

      Rund 150 Jahre sind verflossen, seit Brehm am 2. Februar 1829 im Pfarrhaus im thüringischen Renthendorf geboren wurde. Ein kurzer Blick auf seine Biographie sei abschließend gestattet. Der Vater, Christian Ludwig Brehm, war ein bekannter Ornithologe. Der vogelforschende geistliche Herr hat frühzeitig den Hang des Sohnes zur Naturbeobachtung geweckt. Der Zufall fügte es, dass der eben achtzehnjährige Architekturstudent von dem württembergischen Baron von Müller – mit dem alten Brehm durch die gemeinsame Liebe zur Ornithologie bekannt – gebeten wurde, ihn auf seiner Fahrt in den Sudan zu begleiten. Man muss sich beim Lesen das Alter Brehms vor Augen halten: seine Nord-Ost-Afrikanischen Reisen erlebte er als ein kaum der Schule Entwachsener und veröffentlichte sie 1855, mit nur 26 Jahren.

      Das Afrikaunternehmen des Baron Müller, das Brehm frühen Ruhm brachte, litt von Anbeginn an schlechter Ausrüstung und letztlich unter Geldmangel. Ob, wie Brehm es darstellt, Freiherr von Müller seinen Reisegenossen auf der zweiten Fahrt in den Sudan kühlen Blutes im fernen Khartum im Stich gelassen hat, soll hier dahingestellt bleiben; jedenfalls hielt sein Vermögen seinen wissenschaftlichen Ambitionen nicht stand. Nach anstrengenden hundert Tagesreisen von Kairo langte Brehm am 7. Januar 1848 in Khartum an. Jagdreisen in die Wälder am Blauen und Weißen Nil, eine Fahrt nach Kordofan folgten. Ende August traten die Reisenden mit reicher Ausbeute an lebenden und toten Tieren die Rückfahrt auf dem Nil nach Ägypten an, am 30. Oktober landeten sie in Kairo.

      Auf seiner zweiten Sudanreise im Jahr darauf verlor Brehm in Dongola Anfang Mai 1849 seinen Bruder Oskar, der beim Baden im Nil ertrank. Er erreichte Khartum, verharrte hier mittellos und von immer neuen Fieberanfällen geschüttelt, bis ihm die Großzügigkeit des türkischen Gouverneurs eine mehrmonatige Jagdreise auf dem Blauen Nil über Sennar und Roseires bis an die abessinische Grenze ermöglichte. Immer wieder, auch in seinen späteren Lebensjahren, hat sich Brehm gerne an diese, die glücklichste und unbeschwerteste Reise im Sudan erinnert. Rund vierzehnhundert Vogelbälge, von Riesenstörchen bis zum kleinsten Singvogel, betrug die Ausbeute dieser Fahrt. Zum ersten Mal erlebte Brehm die ganze Vielfalt der Tierwelt der Urwälder, erblickte Antilopen, Löwen und Elefanten, sah wilde Büffelherden zur Tränke ziehen, hörte des Nachts am Lager die Leoparden, Schakale und Hyänen. Nach seiner Rückkehr verbrachte er den heißen Sommer in Khartum mit Sichten und Ordnen seiner Sammlungen. Noch einmal erwies sich die Generosität Latif Pashas. Mit der sicheren Menschenkenntnis des Orientalen lieh er dem jungen Mann 5.000 Piaster aus der Staatskasse zur Rückkehr nach Ägypten. Nach einem in Kairo verbrachten Winter und einem Ausflug ans Rote Meer kehrte Brehm mit einer Sammlung von Tieren für den Berliner Zoo über Triest nach Deutschland zurück. Volle fünf Jahre hatte die Fahrt ins Morgenland gedauert.

      In Jena und Wien studierte Brehm Naturwissenschaften und Zoologie. Als Jenenser »Saxone« neben Kneipe und Kommers schrieb er seine Nord-Ost-Afrikanischen Reisen. Doktor der Philosophie, Mitglied der »Kaiserlich Leopoldisch-karolingischen Akademie der Naturforscher«, Gymnasiallehrer in Leipzig, beliebter Autor zahlreicher populär-zoologischer Aufsätze in der Gartenlaube, Verfasser wissenschaftlicher Werke, so vergehen die nächsten Jahre. 1861 erscheint Das Leben der Vögel, 1867 zusammen mit Roßmäßler Die Tiere des Waldes, 1869 die erste Auflage des Werkes, das ihn berühmt machte und seinen Namen bis auf unsere Tage lebendig bleiben ließ, das Illustrierte Tierleben. 1879 erschien eine zweite, fast auf den doppelten Umfang erweiterte Auflage der bis in die heutige Zeit immer wieder verlegten zehn Bände. Zu einer Würdigung dieses Klassikers unter den Naturgeschichten ist hier nicht der Ort. Noch immer ist es ein nach Anlage, Inhalt und Eigenart gültiges Werk, auch wenn es nach einem Jahrhundert nicht mehr dem heutigen Stand der Forschung entsprechen mag. 1863 wurde Brehm Direktor des Hamburger Zoologischen Gartens. Danach übernahm er Aufbau und Leitung des Berliner Aquariums.

      Auch späterhin ist Brehm noch oft und weit gereist. 1862 ging er auf eine ausgedehnte Jagd- und Forschungsreise mit Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha nach Eritrea ins Land der Bogos; seine Erlebnisse erschienen 1863 in Buchform unter dem Titel Ergebnisse einer Reise nach Habesch. 1876 bereiste er mit Otto Finsch, dem Direktor des Naturhistorischethnologischen Museums in Bremen, neun Monate lang Sibirien, durch Tundra und Steppe führte die Fahrt teils über chinesisches Gebiet bis an das Altai-Gebirge; über diese seine Reise kann man nachlesen in Auf Forscherfahrt in Nord und Süd. Mit dem österreichischen Thronfolger Kronprinz Rudolf, ebenfalls Ornithologe und mit Brehm freundschaftlich bekannt, unternahm er 1878 eine Forschungsfahrt zur unteren Donau, im Jahr