am 11. November 1884.
Er war ein bedeutender Forscher, eine Persönlichkeit, wie sie das 19. Jahrhundert in Europa in so reichem Maß hervorgebracht hat. Die Gabe lebendiger Schilderung und genauer Beobachtung machen sein Buch noch heute lesenswert.
Helmut Arndt
* Zitiert nach Breier, a. a. O. S. 25 ff.
Meroë
VORWORT DES VERFASSERS
Skizzen sind es, die ich bringe; ich sende sie anspruchslos hinaus in die Welt. Sie enthalten die Erzählung meiner Erlebnisse während fünfjähriger Reisen in Nordostafrika in möglichster Kürze und gelegentliche Bemerkungen über die Länder, welche ich berührte und deren Bewohner; sie können keine vollständige und sollen keine wissenschaftliche Arbeit sein.
Es war nicht meine Absicht, etwas über meine Reisen zu veröffentlichen. Ich schrieb meine Tagebücher, um in späteren Zeiten Anhaltspunkte für Erinnerungen, welche ewig in mir leben werden, zu erhalten und richtete sie auf die Herausgabe eines Reiseberichts nicht ein. Aber meine Gönner haben mich aufgefordert und meine Freunde mich gebeten, das Wenige, was ich ihnen daraus vorlesen konnte oder zu erzählen wusste, auch einem größeren Publikum mitzuteilen. So sind die vorliegenden Blätter entstanden. Dass sie viele Mängel enthalten, fühle ich am lebhaftesten selbst. Ich will aber zu meiner Entschuldigung anführen, dass meine Reiseskizzen ein Erstlingsversuch sind und erst geschrieben wurden, nachdem die beste Gelegenheit, mich auf eine Reisebeschreibung vorzubereiten, bereits vorüber war. Und deshalb bitte ich, meine Arbeit mild zu beurteilen.
Meine Mitteilungen sind die eines in Nordostafrika schon fast Eingebürgerten. In der langen Zeit meines Aufenthalts daselbst habe ich gelernt, Beschwerden, welche dem Neuling unerträglich scheinen, erträglich zu finden, ein Volk, mit welchem er sich nicht befreunden kann, zu achten, und Gegenden, welche für ihn Orte des Schreckens sind, ihren Reiz abzulauschen. Das Schwere, was ich erdulden musste, das Entsetzliche, was ich gesehen habe, das Betrübende, was ich kennenlernte, gebe ich unverhüllt wieder; aber ich habe mich auch bemüht, das wirklich Erhabene in treuen Umrissen zu zeichnen. Ich spreche von den Lastern und Untugenden der Nordostafrikaner, verschweige aber auch ihre Tugenden nicht. Mit der Landessprache so ziemlich vertraut, habe ich es gewagt, von der gewöhnlichen Schreibart der arabischen Wörter abzuweichen. Dabei habe ich mich bestrebt, die von mir gehörte Aussprache möglichst treu mit unseren Schriftzeichen wiederzugeben. Dass mir dies nicht vollständig gelingen konnte, wird jeder, welcher Arabisch versteht, erklärlich finden.
Ich habe meinen Reisebericht chronologisch gehalten und zwischen die Beschreibung einzelner Perioden meiner Reisen besondere Abschnitte über die Länder und ihre Bewohner eingeschaltet. Es ist dies zur Vervollständigung des Ganzen geschehen. Die, wie ich hoffen darf, allgemein verständlichen Bilder aus dem Tierleben habe ich entworfen, weil sie Einzelnen meiner Leser etwas Neues mitteilen und deshalb vielleicht nicht unwillkommen sind.
Der einzige Zweck, welchen ich bei meiner Arbeit zu erreichen gesucht habe, ist strenge Wahrheit dessen, was ich erzähle. Es ist möglich, dass ich mich hier und da, vielleicht betrogen von meiner individuellen Anschauungsweise, geirrt habe; wissentlich habe ich aber niemals eine Unwahrheit berichtet. Und deshalb empfehle ich das Werk der Teilnahme des Publikums. Es ist ganz schmucklos, denn es soll nur die schlichte, aber getreue Erzählung meiner Erlebnisse und Erfahrungen sein. Möge das Buch eine freundliche Aufnahme finden!
Renthendorf bei Triptis im Juli 1855.
Der Verfasser
I. EINLEITUNG
Am sechsten Juli 1847 lag der große Postdampfer »Mamuhdie« dicht am »Molo grande« Triests zur Abfahrt nach der Levante segelfertig. Es war gegen vier Uhr nachmittags. Schon entstiegen dem Kamin des Schiffes dunkle Rauchwolken, aber noch verband eine leichte Brücke das belebte Verdeck mit dem Festland. Über sie hinweg wogte ein Menschenschwarm, kommend und gehend. Da sah man den nirgends fehlenden Engländer mit seinem unter der Last von großen Koffern keuchenden Lohnbedienten neben der schwarzäugigen Italienerin und der dunkellockigen, dem Neuling auffallenden Griechin, den Deutschen neben dem plaudernden Franzosen. Alle waren fröhlich und guter Dinge, wenn sie auch die Abfahrt sehnlichst herbeiwünschten.
Unter den Reisenden befanden sich der Baron von Müller* aus Württemberg und der Verfasser. Wir beiden waren im Begriff, eine naturwissenschaftliche Jagdreise über Griechenland nach Ägypten und Kleinasien anzutreten, wollten rückwärts die Türkei und Walachei besuchen und durch Ungarn nach Hause zurückkehren. Wie wir glaubten mit allem Nötigen für die Reise wohlversehen, gingen wir sorglos den Beschwerden derselben entgegen und stimmten von ganzem Herzen in die allgemeine Heiterkeit mit ein. Es schien sich alles zu einer glücklichen Seefahrt vereinigen zu wollen. Über uns blaute der Himmel Italiens, von dessen Gestaden ein leichter Wind herüberwehte. Er war gerade kühlend genug, um der großen Hitze des Juli einigermaßen Einhalt zu tun, erfrischte die des warmen Klimas ungewohnten Nordländer und entfaltete dabei die freundlichen, überall gern gesehenen Farben der österreichischen Handelsflagge hinten am Stern des Schiffes. Das beste Wetter stand uns bevor.
Da tönten über den Hafen hinweg von den verschiedenen Türmen der Stadt die Glockenschläge der vierten Stunde herab. Die Zeit der ersehnten Abfahrt war gekommen. Unser Kapitän bestieg die Brücke auf dem Radkasten und erteilte durch sein Sprachrohr die nötigen Befehle. Sogleich entfernten sich alle diejenigen, welche nicht mit uns reisen wollten, die Landungsbrücke schwand, die Ankerwinde begann auf ihre eintönige und doch so willkommene Weise zu klappern. Schlammbedeckt hob sich der schwere Anker aus tiefem Grund; Matrosen und Maschinisten waren in voller Tätigkeit; ein neuer Befehl – und der Koloss bekam Leben. Er durchfurchte erst langsam, dann immer schneller und schneller den Hafen, dann rauschte er mit voller Dampfkraft in die offene See hinaus.
Noch hafteten aller Blicke auf dem stolzen Triest. Im hellsten Sonnenschein lag es vor uns, umschlossen von grünenden Bergen. Wir Deutschen nahmen Abschied vom Vaterland, von der letzten Stadt Deutschlands, wenn sie auch die Italiener zu ihrem Land zählen wollen, weil sie sich in ihr eingenistet, Deutschtum und deutsche Sprache dort verdrängt und dafür ihre gleisnerischen Worte und Sitten eingeführt haben. Aber noch hatten uns bis hierher die treuen deutschen Augen entgegengeleuchtet, bis hierher deutsche Laute uns getönt, und darum hatten wir Recht, wenn wir erst hier der Heimat die letzten Grüße sandten.
Mehr und mehr verschwand die »Königin der Adria«; schon lag der blaue Duft der Ferne über dem Panorama, da fesselte ein anderes Bild die Aufmerksamkeit. Es war das freundliche Pirano, an dem wir vorübersegelten. Von den Strahlen der schon tief gesunkenen Sonne rosig beleuchtet, gewährte das Städtchen einen gar lieblichen Anblick. Es vereint noch nordische Frische mit südlicher Kraft. Die südlichen Olivenwäldchen gruppieren sich um die nordischen Ziegeldächer, die hellgrüne Linde steht hier noch neben der dunkelbelaubten Kastanie Italiens.
Uns ist alles neu. Wie fröhliche Kinder gehen wir auf dem Verdeck umher. Bald sehen wir in den Raum der Maschine und beobachten ihre kräftige Arbeit, bald schweifen unsere Blicke der Küste Dalmatiens entlang; immer und immer aber kehrt das Auge zum Meer zurück, wir lehnen uns über die Galerie des Bords und schauen in seine ruhige, tiefe Bläue hinab. Unsere Gefühle sind mächtig erregt. Es ist, als ob wir uns in einem Zauberland befänden. Das ist die erhabene Macht der See. Denn wie des Meeres Fläche jetzt so ruhig daliegt, ein Bild des reinsten, ungetrübten Friedens, so senkt sich auch auf uns ein stiller Frieden hernieder, belebt und kräftigt die Gedanken, herumzuschweifen und uns noch einmal all das Schöne vor die Seele zu führen, was die kurze, so genussreiche Reise durch Deutschlands Gaue uns gebracht. Da haften sie noch einen Augenblick an dem schönen Dresden, durchwandern das romantische Elbtal und gelangen nach dem stolzen königlichen Prag. Das reizende Mähren öffnet uns noch einmal seine waldigen Täler, wir weilen wieder in der erst vor Kurzem verlassenen Kaiserstadt Wien und eilen dann