Freunde (s. IV, 9; VI, 6), die ähnlich wie der fröhliche Amalekiterkönig Agag (1. Sam. 15, 32) es verstanden, des Todes Bitterkeit zu vertreiben. Auch Jünger hatte er in großer Zahl, darunter einen Sproß eines der Adelsgeschlechter von Konfuzius Heimatstaat Lu, namens Meng Sun Yang. Wie er gelebt und gestorben, darüber ist nichts Näheres bekannt. Sein Wesen hat einen überaus modernen Zug. Das Motto, das Kierkegaard den Papieren des Ästhetikers in seinem Entweder/Oder vorangestellt hat:
»Grandeur, savoir, renommée,
Amitié, plaisir et bien,
Tout n’est que vent, que fumée:
Pour mieux dire, tout n’est rien«
könnte man ohne weiteres auch auf ihn anwenden. Einer dekadenten Zeit entsprungen, entnimmt er dem Taoismus, den er seiner übernatürlichen Elemente entkleidet, einen dämonischen Pessimismus, für den es schließlich überhaupt keine feste Grenze mehr gibt, und der auch noch den ruhigen Eudämonismus eines Epikur dahinten läßt, indem er der Weisheit letzten Schluß darin findet, sich auszuleben und als uninteressierter Beobachter zu verfolgen, was Leben und Tod für Ereignisse bringen. Von Schopenhauers asketischem Pessimismus ist er weit entfernt, aber er besaß Geist, und so vermochte er das Spiel der Verwesung eines ganzen Zeitalters, das in ihm sich entfaltet, mit einem faszinierenden Schimmer zu umgeben, der verführerisch wirkte auf weite Kreise und die chinesische Nation vielleicht ihrer Auflösung entgegengeführt hätte, wenn sie sich nicht in dem eben genannten Menzius auf die gesunden Gesellschaftsinstinkte besonnen hätte, die ihr die Lebensarbeit Kungtse’s aus der Vergangenheit herübergerettet hatte.
Der dritte große Zeitgenosse, der etwas nüchterne und weitschweifige, aber edle und wohlmeinende Philanthrop Mo Di, der Verkündiger der »allgemeinen Menschenliebe«, den Menzius mit Yang Dschu zusammen am selben Galgen aufgehängt hat, taucht mehr nur in schattenhaften Umrissen am Horizonte auf (II, 21; V, 14; VII, 11; VIII, 12). Die Art, wie in unserem Buche von ihm geredet wird, läßt ihn mit Kungfutse und den von ihm anerkannten Idealen der Vorzeit in derselben Richtung befindlich erscheinen.
Kungtse selbst und die Seinen nehmen einen hervorragenden Platz ein. Der Meister hat noch nicht den offiziellen Heiligenschein des »ungekrönten Kaisers« um den Kopf. Er ist wohl der berühmte Mann, der mit den Heiligen der grauen Vorzeit auf derselben Stufe steht (s. III, 7; VIII, 7) und an den man sich in allen Nöten des Lebens um Rat und Hilfe wenden kann (s. VIII, 13; III, 9), daneben aber zeigt er durchaus menschliche Züge. Er kommt wohl einmal in Verlegenheit durch naseweise Fragen (V, 8), anderseits zeigt er sich als feiner Menschenkenner (I, 6) und weiß die Erlebnisse, die ihm entgegenkommen, auf ihren inneren Gehalt hin anzusehen und sie als praktische Beispiele der Belehrung seinen Schülern gegenüber zu verwenden (II, 8, 9, 10), ganz in der Art, wie wir das auch von den aus seiner Schule stammenden »Gesprächen« her kennen. Die schönste und wohlwollendste Kritik seines Lebenswerks finden wir in dem Gespräch mit seinem Lieblingsjünger Yän Hui (IV, 1), wo er es als den Kummer seines Lebens ausspricht, daß das, was er erstrebt, die Erlösung der Welt, sich nicht mit äußeren Regeln nach einem festen Rezept durchführen lasse, und daß das Beste, was einer an Wahrheitsgehalt besitze, sich der Mitteilung überhaupt entziehe. So finden wir die Beurteilung des großen Meisters durchaus unbefangen. Wohl kommt es einmal vor, daß Laotse in einer griesgrämigen Laune einem Mann gegenüber, der bei Konfuzius sich Rat holen wollte, was er mit seinem verrückten Sohne anfangen solle, und aus Versehen an ihn geraten war, den Konfuzius als Urheber aller Konfusion bezeichnet (s. III, 9). Aber diese Stellung des Alten ist ja auch aus anderen Quellen bekannt. Und andere Stellen zeigen ebenso vorurteilslos, was Kungtse von Laotse und den Seinen denkt, wie z. B. das Gespräch mit jenem Beamten, der durchaus eine Antwort von ihm haben wollte auf die Frage, wer denn heilig sei, wo er zuletzt mit »veränderter Miene« den Mann im Westen erwähnt, der ja wohl heilig sein müsse (IV, 3), weil er, ohne zu ordnen, alles in Ordnung bringe: »Ob er in Wahrheit ein Heiliger ist oder ob er in Wahrheit kein Heiliger ist, das weiß ich nicht.« Oder die andere Unterhaltung mit dem Fürsten von Lu, als ihm dieser mit Begeisterung von dem Taoisten erzählt, der die Erkenntnis an sich habe und sehen und hören könne, ohne Augen und Ohren zu gebrauchen, wo es zum Schlusse heißt: »Dschung Ni lächelte und erwiderte nichts« (IV, 2). Von den Jüngern des Konfuzius wird außer dem Lieblingsjünger Yän Hui und Dsï Hia, der später Lehrer des Fürsten Wen von We wurde (II, 12) und sich aus einer einigermaßen knifflichen Situation gut herausgeredet hat, nur noch Dsï Gung ausführlicher genannt. Und zwar spielt er sowohl dem Meister gegenüber (I, 6, 7; III, 8; IV, 1) als auch sonst keine besonders günstige Rolle; ja, sein Nachkomme, der es verstand, das von ihm in geschickt geleiteten Handelsunternehmungen angehäufte Riesenvermögen mit großer Grazie durchzubringen, wird von dem Miziusjünger Kin Gu Li, wie dieser als praktischer Philanthrop ja auch nicht anders konnte, verurteilt (VII, 9), während er von taoistischer Seite über seinen geschäftskundigen Ahn gestellt wird.
Dennoch kann man auch nicht sagen, daß das Buch den Jüngern des Konfuzius feindselig gegenüberstehe. Die Stelle IV, 4, die uns Kung im Gespräch mit Dsï Hia vorführt, ist charakteristisch dafür. Die guten Eigenschaften der berühmtesten unter seinen Jüngern werden unbefangen anerkannt, zugleich aber wird mit großer Treffsicherheit der Punkt herausgehoben, der den Meister so hoch über seine Schüler stellte: die innere Ausgeglichenheit gegenüber ihren Einseitigkeiten.
Es würde zu weit führen, alle die großen und kleinen Helden jener Zeit, die in dem Buch versammelt sind und uns ihre Weisheit und Lebenserfahrungen anbieten, einzeln aufzuführen. Ein schier unerschöpflicher Reichtum tut sich vor unseren Augen auf. Heilige und Spötter, weltabgeschiedene Weise und Lebemänner, Philosophen im Kreise ihrer Jüngerscharen und redegewandte Sophisten vor Fürstenthronen treffen wir hier. Auch naive Bäuerlein, Weiber und Kinder, Bettler und Gaukler bis herunter zum »Pferdedoktor und Tierbändiger«: sie alle kommen uns entgegen und teilen uns bewußt oder unbewußt die Weisheit mit, die sie uns zu schenken haben. Bunt schillernde Mythen der grauen Vorzeit, die uns einen Einblick gewähren in die überaus lebendige Gestaltungskraft des alten China, wechseln in mannigfaltigem Zuge mit berühmten Tageshelden der damaligen Zeit; auch die Staatsmänner fehlen nicht. Es sei hier zunächst abgesehen von den Herrschern der Vorzeit, auf die in der Besprechung der Quellen noch etwas eingegangen werden soll. Von älteren und jüngeren Zeitgenossen unter den Politikern werden ausführlicher erwähnt: der berühmte Staatsmann und Kanzler von Tsi, Guan Dschung, der bekanntlich ein Meister der Realpolitik war, als den ihn auch Kungtse wiederholt anerkannt hat (vgl. Lun Yü XIV, 10, 18), weshalb ihn Ku Hung-Ming den Bismarck seiner Zeit nennt. Die Ausführungen, die uns hier von ihm vorliegen, zeigen ihn als einen verstandesklaren und moralisch skrupellosen Mann (VI, 3; VII, 7), was mit seinem historischen Bilde in gutem Einklang steht. Auch Yän Ping Dschung, der etwa hundert Jahre nach ihm den Kanzlerposten in Tsi innehatte, und der der persönliche Gegner Kungtse’s war, wird gelegentlich erwähnt (VI, 12). Aus Liä Dsï’s Heimatstaat begegnen wir dem Kanzler Dsï Tschan, der mit Kungtse persönlich befreundet war. Wenn die Geschichte, die in VII, 8 von ihm erzählt wird, auf Wahrheit beruht, so ist es ihm weit weniger gut gelungen, in seiner Familie Ordnung zu halten als in seinem Staate, und wie es so zu gehen pflegt: wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen. Ein ironischer Jurist namens Deng Si hat dafür gesorgt. Dieser Deng Si, der durch ein auf Bambustafeln aufgezeichnetes Gesetzbuch, das späterhin in seinem Heimatstaate mit Erfolg eingeführt wurde, sich einen Namen gemacht hat, scheint im persönlichen Leben eine ziemlich böse Zunge gehabt zu haben. Nicht immer scheint er in dem Bestreben, andere lächerlich zu machen, von Erfolg begleitet gewesen zu sein. Es wird eine Geschichte von ihm erzählt (IV, 11), in der er den Versuch macht, die anarchistischen, außerhalb der Gesellschaft stehenden Anachoreten, die ihm einmal auf der Straße begegneten, durch die Idee der Bedürfnisbefriedigung als Grundlage des Staates ad absurdum zu führen. Er ging in seinen Folgerungen jedoch zu weit und mußte eine Antwort erleben über die Beamten