Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman


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nur mit siebzehn Jahren schon so nervös sein, wie du es bist. Es wird höchste Zeit, daß du aus der Stadt herauskommst. Auf Schloß Degencamp wirst du dich sicher sehr wohl fühlen und gar nicht wieder fortwollen – und das sollst du ja auch nicht, wenn alles gutgeht«, setzte die Gräfin leise hinzu und lächelte vor sich hin.

      »Wo soll ich hin?« fragte die Komteß mit weit aufgerissenen Augen. »Nach Schloß Degencamp? Ich? Fürstin Degencamp? Du scherzt, Mama!« stammelte Diana erschrocken. »Ich habe keine Lust, jetzt schon zu heiraten, und keinerlei Ambitionen, aufs Land zu gehen und dort zu verkümmern.«

      »Aha! Du willst also nicht«, stellte die Gräfin mit unnatürlicher Ruhe fest und nahm ein Stück Konfekt. »Und welcher Art sind deine Pläne, wenn ich fragen darf?«

      »Pläne?« Diana machte runde Augen. »Ich habe keine Pläne. Ich will aber auf alle Fälle meine Jugend ein bißchen genießen und…«

      Die Mutter fiel ihr scharf ins Wort:

      »Bevor du weitersprichst, wirst du mir vielleicht verraten, wer dieses Genießen deiner Jugend – wie du dich ausdrückst – finanzieren soll?«

      »Nun, Papa hat doch Geld genug hinterlassen.«

      »Er hatte es, mein liebes Kind. Er hatte es«, berichtigte die Gräfin sie. »Es fällt mir nicht leicht, es dir zu sagen, aber dein Vater hat Unsummen im Kasino verspielt, und von dem ehemals märchenhaften Vermögen der Kingsbirds ist nur noch ein winziger Rest übrig, der auch bald verbraucht sein wird. Ist es nicht die Pflicht der Tochter, der Mutter in Zeiten der Not beizustehen und sich ihr gegenüber dankbar zu erweisen?«

      Diana senkte den Kopf mit dem üppigen blonden Haar. »Das ist ja schrecklich, Mama«, murmelte sie bestürzt. »Das habe ich natürlich nicht geahnt. Ich dachte…« Sie schluckte. »Aber deshalb kann ich doch nicht jetzt schon heiraten, mit knapp siebzehn. Ich kenne Hasso von Degencamp ja auch gar nicht. Vielleicht verabscheuen wir einander aus tiefster Seele. So etwas gibt es doch, Mama? Und was dann?«

      In ihren graublauen Augen schimmerte Hoffnung.

      »Wir müssen es abwarten, mein Kind«, sagte die Gräfin sanft.

      »Wann soll es losgehen? Ich meine, wann fahren wir nach Schloß Degencamp?«

      »In einer Woche, mein Liebling«, sagte die Gräfin mit ihrer sanftesten Stimme. »Bis dahin müssen wir aus dir eine höchst attraktive junge Dame gemacht haben. Du mußt mir allerdings schon ein wenig dabei helfen. Willst du?«

      »Ja, Mama«, nickte Diana folgsam. Aber ihr war nicht ganz wohl dabei zumute.

      *

      »Großer Gott, Max, hast du das eben gesehen? In dem Auto da eben saßen doch mindestens sechs junge Leute! Ist das eigentlich gestattet? So viele Menschen in einem so kleinen Wagen?« fragte die alte Dame in dem tomatenroten Mercedes, der eben an dem alten, klapp­rigen Ford vorbeifuhr, aus dem Gesang und fröhliches Gelächter zu hören war.

      »Ich weiß es nicht, ob es diesbezügliche Vorschriften gibt, Agathe«, antwortete ihr Mann gleichgültig.

      Die alte Dame hatte sich geirrt In dem tannengrünen Ford ältesten Baujahrs saßen nicht sechs, sondern zehn Studenten und Studentinnen, die unter großem Gelächter Wetten abschlossen, ob der altersschwache Wagen die letzten zwanzig Kilometer noch schaffen würde, oder ob sie ihn schließlich schieben müßten.

      »Und ich sage euch, der Ottokar schafft es! Der schafft noch ganz andere Sachen!« prahlte Jürgen Bentloh, der Besitzer des Wagens. »Was gilt die Wette? Ich zahle zehn zu eins.«

      Aber bevor sich jemand zu einer Gegenwette entschlossen hatte, tat Ottokar unter viel Geknatter seinen letzten Schnaufer und stand. Und es hatte nicht den Anschein, als würde er sich jemals wieder von der Stelle rühren.

      »Hach, da haben wir die Bescherung«, brüllten die Kommilitonen des stolzen Autobesitzers. »So viel Lob konnte er nicht verkraften! Und was machen wir jetzt?«

      Sie kletterten einer nach dem anderen heraus und besahen sich den Schaden, das heißt, soviel davon zu sehen war, denn unter der Motorhaube qualmte und dampfte es beängstigend.

      »Wir werden wohl die zwanzig Kilometer zum Schloß zu Fuß marschieren müssen«, lachte die rot­haarige Claudia und wandte sich zu der neben ihr stehenden Kommilitonin, »oder fahren wir beide per Anhalter, Sybill?«

      Sybill von Gereneck riß ihre schwarzen Augen auf und sagte entsetzt:

      »Um Himmels willen, Claudia! Wir können doch nicht per Anhalter fahren! Wenn Mama das erführe, träfe sie glatt der Schlag. Nein, nein! Das geht auf keinen Fall!«

      Sie ging zum Straßenrand hinüber und setzte sich in das hohe Gras.

      »Wundervoll«, rief sie schwärmerisch aus. »Wie lange habe ich auf keiner Wiese mehr gesessen. Hier bleibe ich jetzt erst einmal sitzen, bis ihr beschlossen habt, wie es weitergehen soll.«

      Die andern lachten und meinten, es würde ihr mit der Zeit schon zu langweilig werden, dann beratschlagten sie ernsthaft, was zu tun sei.

      Das dunkelhaarige, zarte junge Mädchen mit den großen Märchenaugen und den feinen Gesichtszügen schlang die Anne um die hochgezogenen Knie und ließ den Blick träumerisch über die umliegenden Felder und Wiesen gleiten.

      Sie sog den Geruch der Erde tief in die Lungen und sah entzückt einem Lerchenpärchen zu, das mit hellem Jubelschrei hoch hinauf in den blauleuchtenden Himmel stieg.

      Sybill von Gereneck lächelte glücklich. Wie herrlich war es doch, wieder einmal Landluft zu atmen, sich in der freien Natur bewegen zu können, den Blick weit über die Felder schweifen zu lassen, statt überall auf graue Mauern und Häuserfronten zu stoßen.

      Es war nicht leicht gewesen, die Mutter zu überreden, sie mitfahren zu lassen mit den Kommilitonen, die sich über den Studentendienst zu freiwilligen Erntearbeiten auf Schloß Degencamp gemeldet hatten. Die Baronin von Gereneck war sehr standesbewußt. Daß eine Baronesse Gereneck als Erntearbeiterin auf dem Schloß des Fürsten von Degencamp arbeiten sollte, flößte ihr Entsetzen ein.

      »Dein seliger Vater würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er das wüßte«, hatte sie zu Sybill gesagt und die Hände gerungen.

      Sybill war allerdings nicht so überzeugt davon, und das sagte sie ihrer Mutter auch, denn der Freiherr von Gereneck hatte Zeit seines Lebens keinerlei Standesdünkel gekannt. Er war mit seinen Leuten oft aufs Feld hinausgegangen und hatte selbst mit Hand angelegt, wo es nottat. Das war der Grund gewesen, daß er beim Personal so beliebt war wie auch Sybill, seine einzige Tochter, denn sie hatte es nicht anders gehalten.

      Als der Freiherr kurz vor seinem Tode das Gut mit seiner Familie verließ und sein Bruder es übernahm, war große Trauer beim Gesinde gewesen, weil es einen so guten Herrn verloren hatte.

      Sybill seufzte leise. Es war ihr schwergeworden, sich in der Stadt einzuleben, und wäre das Studium nicht, das ihr viel Spaß machte, würde sie sicher so manche bittere Träne vergießen und es vor Sehnsucht manchmal kaum aushalten.

      Der Onkel hatte sie zu den Semesterferien eingeladen, aber Sybill hatte abgelehnt. Sie wußte, daß der Onkel das Gut total heruntergewirtschaftet hatte, und es wäre ihr schwergefallen, den Anblick der leeren Ställe und der überall herrschenden Verwahrlosung zu ertragen.

      Wieder seufzte sie schwer. Tränen schimmerten in ihren dunkelblauen Augen, über die sie jetzt die langen, seidigen Wimpern senkte, damit die andern ihren Kummer nicht bemerkten.

      »Sieben, acht, neun, zehn. Lieber Himmel, wo haben die bloß alle in dem kleinen Ding Platz gehabt«, staunte der Fahrer des riesigen Treckers, der dicht hinter dem Ford hielt, und sah lächelnd auf das lustige Völkchen hinunter, das um den Wagen herumwimmelte.

      »Wo wollen denn die Herrschaften hin?« erkundigte er sich gutmütig.

      »Nach Schloß Degencamp«, gab einer der jungen Leute Auskunft. »Wissen Sie zufällig, ob es noch sehr weit ist bis dahin?«

      »Ja, das weiß ich zufällig«,