Das ist selbst bei naturverbundenen Hansestädtern so und hat verschiedene Gründe. Die einen argumentieren, ihr Element sei das Wasser. Wie automatisch zieht es sie in freien Stunden an die Flüsse und Meere. Anderen scheint es unlogisch, in dunkelgrüne Schattenreiche zu tauchen, wo im Norden doch ohnehin schon zu selten die Sonne scheint. Am stärksten fällt wohl ins Gewicht, dass die Gelegenheiten rar sind, Waldluft zu schnuppern. Als Stadtstaat belegt Hamburg im Ländervergleich den zweitletzten Platz und grenzt zudem in weiten Teilen an das waldärmste Flächenland der Bundesrepublik, Schleswig-Holstein. Das ist auf mehreren Ebenen problematisch. Zum einen geht es natürlich um Umwelt- und Artenschutz. Angesichts des Klimawandels spielt aber auch ganz konkret das eigene Wohlbefinden eine Rolle. Wälder stellen – gerade in überhitzten Städten – wichtige Kaltluftquellen dar. Im Vergleich zu landwirtschaftlich und industriell genutzten Flächen weisen Waldböden viel geringere Belastungen durch Pestizide und Düngemittel auf. Daher nimmt ihre Bedeutung für die Trinkwassergewinnung immer mehr zu. Wälder bieten einen hohen Erholungswert. Und schließlich ist da noch die ideelle Komponente: Von Grimms Märchen über die Dichter der Romantik bis zu Heinrich Heine – der deutsche Wald ist ein echtes Kulturgut, aufgeladen mit Gefühlen. Dort liegen im wahrsten wie im übertragenen Sinne unsere Wurzeln.
Wie verwunschen geben sich die Wälder rund um Mölln, TOUR 21
Der Dschungel vor der Haustür
Als Hamburg noch nicht Hamburg war, sondern bloß die Hammaburg an der Südgrenze der Kimbrischen Halbinsel, war das Land zwischen Nord-, Ostsee und Elbe dicht bewaldet. Es heißt, noch im 10. Jahrhundert hätte ein Eichhörnchen von Flensburg nach Hamburg von Ast zu Ast springen können, ohne ein einziges Mal den Boden zu berühren. Norddeutschland war die Wildnis selbst. Jangal, sagt man im Indischen, davon leitet sich das Wort Dschungel ab. Viel ist davon natürlich nicht übriggeblieben. Doch einem Ameisenlöwen sind die Relikte noch immer die Welt, und Wanderer finden selbst in der Stadt echte Seelenlandschaften.
Die Regionen
Hamburg
Bei allem, was besser sein könnte: Hamburg ist eine grüne Stadt. In keinem Bundesland stehen prozentual mehr Flächen unter Naturschutz. Nachhaltige Bewirtschaftung ist den acht Revierförstereien bereits seit über 100 Jahren ein Anliegen. Und es gibt sie ja, die Stadtteile im Nordosten, die sich stolz Walddörfer nennen. Die bewaldeten Bergwelten auf der anderen Elbseite im Süden. Und die gewaltigen Aufforstungen vermögender Kaufleute aus den Elbvororten. Sie hätten mit ihrem Geld nichts Besseres anfangen können. Das haben sie mit den Schöpfern aller großen Grünanlagen gemeinsam, die schon immer um den Wert des Waldes wussten.
Umland
Marsch, Geest, Östliches Hügelland. Alle drei Landschaftstypen Schleswig-Holsteins liegen direkt vor den Toren der Stadt. Zwar ist das Umland zersiedelt, und es klingt dramatisch, dass das nördlichste Bundesland nur 11 % Waldanteil vorweisen kann. Und doch sind sie ein Hoffnungsschimmer, wenn man weiß, dass um 1850 nur 4 % Schleswig-Holsteins bewaldet waren. Im Kreis Pinneberg wartet das größte Ästuar Deutschlands, so heißen natürliche Lebensräume an Flussmündungen. Im Kreis Segeberg kündigt sich an, was im Kreis Stormarn nicht mehr zu übersehen ist: Schleswig-Holstein ist neben dem Saarland das laubwaldreichste Land der Bundesrepublik. Und längst wird daran gearbeitet, dass die Zukunft noch besser wird.
Ein Teil des Waldes ist älter als der Friedhof Ohlsdorf, TOUR 2
Herzogtum Lauenburg
Dem Herzogtum kommt als waldreichster Region Schleswig-Holsteins ein eigenes Kapitel zu. Hier befindet sich mit dem Sachsenwald nicht nur das größte zusammenhängende Waldgebiet Norddeutschlands, auch das Waldbaden erhält hier eine ganz eigene Bedeutung. Mehr als 40 Seen und Flüsse laden zum Baden ein. Oft liegen die Badestellen, -stege und -strände mitten im Wald. Es lohnt sich, über einen Kurzurlaub im Herzogtum nachzudenken. Unterkünfte gibt es für jeden Geldbeutel, und selbst im Hochsommer, wenn an den Meeren die Strandampeln auf Rot springen, bleibt das Wald- und Wasserparadies noch immer entspannt.
Waldgesellschaften
Wer sein Waldwissen erweitern möchte, Wanderpartner sucht oder Alternativen für Schmuddelwetter, ist hier an der richtigen Adresse:
Die Loki-Schmidt-Stiftung hält vielfältige Möglichkeiten bereit, die Natur zu erleben, etwa Exkursionen zu besonderen Bäumen oder Naturführungen auf den stiftungseigenen Flächen in und um Hamburg. Die Informationshäuser runden das Angebot mit zahlreichen Veranstaltungen ab: www.loki-schmidt-stiftung.de
Jährlich bietet der NABU Hamburg rund 500 Führungen, Vorträge und Mitmach-Aktionen an, viele davon in Wäldern. Das Programm ist in gedruckter Form in den Bücherhallen kostenfrei erhältlich oder im Netz unter www.nabu.de
Das Team vom »Haus der Wilden Weiden« im Naturschutzgebiet Höltigbaum lädt zu besonderen Walderlebnissen ein, zum Beispiel zu barrierefreien Waldwanderungen, zum Waldbaden oder zu intuitiven Waldspaziergängen, die Antworten auf persönliche Fragen liefern sollen: www.hoeltigbaum.de
Was ist eigentlich Wald? Dieser Frage geht die Erlebnisausstellung im Science Center des Wilhelmsburger Wälderhauses nach. Selbst Kenner entdecken in Kobelkino, Holzbibliothek oder Wunderkammer noch neue Wald-Facetten: www.waelderhaus.de
Lüneburger Heide
Bei der Lüneburger Heide denkt man an lila blühende offene Landschaften. Zu 60 % aber besteht die traumhaft schöne Region südöstlich von Hamburg aus Wald. Darunter sind echte Bilderbuchexemplare. Heidjer kennen sich einfach aus in Landschaftspflege, und sie haben sich einiges einfallen lassen, um Gäste für die Wälder zu begeistern. Spitzenwanderwege, Thementouren und besondere Waldvergnügen machen die Lüneburger Heide zu einem tollen Wander- wie Familienziel. Wer mit Kindern reist, ist hier richtig.
Waldluft schnuppern
Jede Waldwanderung, jeder noch so kleine Waldspaziergang beginnt mit einem krassen Szenenwechsel. Die Luft wird spürbar kühler, das Licht schummrig. Geräusche dringen nur noch gedämpft ans Ohr. Hielt man sich eben noch für groß, relativiert sich das angesichts mächtiger Baumriesen. Und wer dachte, er sei alt, fühlt sich ihnen gegenüber ziemlich jung. Das alles passiert schon auf dem ersten Schritt. Und dann geht es erst richtig los.
Der erste Atemzug ist auch ein inneres Aufatmen. Wälder duften ungeheuer intensiv: erdig, würzig, frisch und je nach Jahreszeit verschieden. Sonnenwarmer Waldboden riecht ganz anders als frisch geschlagenes Holz im Winter. Das Aroma von Herbstlaub ist mit Frühlingsduft nicht zu verwechseln. Schließt man die Augen und atmet tief ein, nimmt man es besonders bewusst wahr und macht feinere Nuancen aus. Der Duft von Tannen etwa trägt Weihnachtserinnerungen in sich. Der Duft von Kiefern versetzt glatt in den Sommerurlaub in skandinavischer Ferne (zum Beispiel auf Tour 16 in den Holmer Sandbergen). Nachweislich wirkt Waldduft beruhigend. Er ist ein perfektes Anti-Stressmittel. Das hat er mit der Farbe Grün gemeinsam.
Vielleicht Hamburgs schönste Ruhebank, TOUR 11
Grün sehen
Waldgrün. Das ist hellgrün und dunkelgrün, maigrün, frühlingsgrün, lichtgrün, knallgrün und giftgrün, schilfgrün und blassgrün, ist farngrün, moosgrün,