Aly Martinez

Truth about Lies


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jedes Mal, wenn ein Anruf mit Rufnummernunterdrückung auf meinem Handy einging. Ich hatte keine Möglichkeit, sie zu kontaktieren. Alles, was ich besaß, war eine Adresse und die Kombination zu einem Schließfach am anderen Ende der Stadt, wo ich ihre Umschläge mit Bargeld deponieren konnte.

      "Du weißt, ich frage das nur ungern, aber Isabel war letzte Woche krank und..."

      "Wie viel?", flüsterte ich und sah mich um, als ob jemand sie hören könnte.

      Ihre Stimme war emotionsgeladen und zittrig, als sie antwortete: "Vielleicht nur zweihundert Dollar oder so. Ehrlich gesagt, was immer du entbehren kannst."

      Ich würde ihr fünfhundert geben.

      "Ja. Das ist kein Problem. Ich bringe es heute Abend vorbei, wenn die Mädchen ins Bett gegangen sind."

      Ich konnte hören, wie sie zitternd Luft holte, und wusste, dass Tränen aus ihren rotbraunen Augen rannen. "Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll."

      "Bleib am Leben. Mehr musst du nicht tun."

      "Ich liebe dich, Cora."

      "Ich liebe dich auch", sagte ich. Ich traute mich nicht, ihren Namen zu sagen.

      Seit dem Tag, an dem sie gegen ihren Vater, Manuel Guerrero, ausgesagt hatte, war sie auf der Flucht. Und das nicht nur, weil ihre Brüder, Dante und Marcos, nie aufhören würden, nach ihr zu suchen. Ihr Ehemann, der einst mit Manuel eng befreundet war, ihn aber später als Staatsanwalt hinter Gitter brachte, war wild entschlossen, sie ebenfalls zu finden. Sollte ihre Deckung jemals auffliegen, wäre das ihr Todesurteil.

      Catalina war mein einziger Rettungsanker außerhalb dieses Gebäudes. Mein Überleben hing von ihrer Fähigkeit ab, sich verborgen zu halten. Und ich würde alles tun, was nötig war, um sie von ihren Verfolgern fernzuhalten. Und das schloss ein, mein Leben zu riskieren, um ihr Geld zu bringen.

      Weil sie eines Tages mein einziger Ausweg aus diesem Alptraum sein würde.

      Catalina beendete das Gespräch, gerade als ich den Treppenabsatz im dritten Stock erreichte. Ich atmete tief durch und verdrängte die Emotionen, die diese Anrufe in mir weckten. Wenn ich zu lange darüber nachdachte, würden sie mich zerstören.

      Im Rahmen des Krafttrainings für diesen Tag hob ich meine Hand und die gefühlten siebentausend Pfund an Tüten, um mein Handy vom Ohr zu nehmen und mit dem Fuß gegen die Tür zu treten. "Ich könnte ein wenig Hilfe gebrauchen!"

      Sämtliche Schlösser klickten auf, dann öffnete Savannah die Tür.

      Ein muffiger Geruch schlug mir entgegen. "Mein Gott, stinkt das hier drin."

      "Du hast mir gesagt, ich soll die Fenster nicht öffnen, während du weg bist." Savannah nahm mir die Taschen von meinen ausgestreckten Armen ab.

      Sie hatte sich in den zwei Tagen, seit Chrissy rausgeworfen worden war, von ihrer besten Seite gezeigt. Und wenn man bedachte, dass das Wasser wegen der verrosteten Rohre in der Hälfte des Gebäudes abgestellt werden musste, wollte ich mich nicht beschweren. Mit dreißig Frauen, die sich zwei Badezimmer teilen mussten, und der Gefahr, dass der durch die überfluteten Fußböden und feuchten Wände entstandene Schimmel meinen Mädchen eine schwarze Lunge verpassen konnte, brauchte ich jede zusätzliche Hilfe, die ich bekam.

      Als ich an River vorbeiging, hob sie den Kopf nicht von ihrer Müslischale. Im Gegensatz zu Savannah mied River mich seit Chrissys Abreise. Oder, genauer gesagt, seit sie zum ersten Mal den riesigen Bluterguss gesehen hatte, den Marcos auf meiner Wange hinterlassen hatte.

      Ich kannte das Schweigen nur zu gut – und auch, wie es enden würde.

      Sie würde mich für ein paar Tage ignorieren, und dann gäbe es von mir selbstgemachte Lasagne und Knoblauchbrot. Sie würde in der Küche sitzen, während ich kochte. Sie würde nichts sagen, aber mir auch nicht mehr ausweichen. Und dann, wenn unsere Teller leer gegessen waren und wir beide fast im Koma lagen, würde sie mir die Wahrheit sagen: Wie sehr sie es hasste, wenn ich Marcos erlaubte, mich zu schlagen, um die anderen Mädchen zu beschützen.

      Und dann würde ich ihr die Lüge erzählen: dass ich das nie wieder tun würde.

      Wahrheit und Lüge - so kamen wir miteinander zurecht.

      "Hey, Riv", rief ich ihr zu und legte die Taschen auf den Tresen. "Kannst du mir einen Gefallen tun und das Bleichmittel aus meinem Kofferraum holen? Und lass die Tür offen. Hier stinkt's."

      Sie sagte kein Wort, als sie aufstand, ihre Schüssel zur Spüle trug, sie mit lautem Krachen hineinwarf und aus der Wohnung stampfte.

      "Okay, gutes Gespräch!", rief ich ihr hinterher. "Das sollten wir öfter tun."

      Savannah war sofort an meiner Seite und half mir beim Auspacken der Lebensmittel. "Ich werde heute Abend mit ihr reden. Sie wird sich wieder einkriegen. Ich verspreche es."

      Ich lachte und stellte die Milch in den Kühlschrank. "Ich bin mir nicht sicher, ob du mit irgendjemandem reden solltest."

      Sie hielt zwei Erbsendosen in meine Richtung und blitze mich wütend an, eine perfekt gezeichnete, rotbraune Augenbraue nach oben gezogen. "Was soll das bedeuten?"

      Ich räumte die Sachen in den Kühlschrank. "Das heißt, wir haben noch nicht einmal über neulich gesprochen."

      "Wieso? Ich sagte, es tut mir leid."

      "Eine Entschuldigung reicht diesmal nicht aus", antwortete ich, während ich den Behälter mit Minz-Schokoladen-Eiscreme hinter einem Beutel gefrorenen Brokkolis versteckte, in der Hoffnung, dass das Eis später in der Nacht noch da sein würde.

      "Was willst du denn noch von mir?", maulte sie.

      Ich ging in die Speisekammer und versteckte die Schokokekse hinter einer Packung Rosinenmüsli, die dort seit mindestens drei Jahren lag. "Nun, zuerst möchte ich, dass du deine beschissene Art mir gegenüber ablegst."

      "Ich habe keine beschissene Art!"

      Ungeduldig warf ich ihr einen Blick zu, schnippte mit den Fingern und deutete auf die Erbsen.

      Sie klatschte mir eine Dose nach der anderen in die Hände. "Ich weiß nicht, was du von mir hören willst... Ich dachte nicht, dass Chrissy..."

      "Und genau das ist dein Problem!", sagte ich.

      Ihr Körper versteifte sich.

      Ich knallte die Erbsendosen auf das Regal - eine weitere Front, um meinen geheimen Keksvorrat zu verstecken - und gab ihr dann meine volle Aufmerksamkeit.

      Ihre tiefgrünen Augen waren weit aufgerissen und mit Tränen gefüllt. Was untypisch für sie war. Seit dem Tag, an dem sie meine Auseinandersetzung mit Marcos miterlebt hatte, war dies das erste Mal, dass sie Emotionen zeigte.

      Ich ergriff die Gelegenheit ihr zu sagen, was sie hören musste. "Savannah, seit du hier eingezogen bist, hast du an niemanden außer an dich gedacht. Das Rausschleichen nachts! Die Streitereien mit mir! Die ständigen Streitereien mit River! Es drehte sich alles immer nur um Savannah."

      "Das ist nicht wahr! Du gibst mir für alles die Schuld. Ich wollte von vornherein nicht hierherkommen."

      "Und du denkst, ich wollte hierherkommen?" Ich drehte mich um und streckte meine Arme weit aus, meine Fingerspitzen streiften auf beiden Seiten an der Theke entlang. "Glaubst du auch nur eine Sekunde lang, dass ich hier sein möchte? Wir haben Entscheidungen getroffen, Savannah. Vielleicht nicht die konkrete Entscheidung, hierher zu kommen, aber dennoch Entscheidungen, die uns zu diesem Moment geführt haben.“ Ich deutete mit einem Finger in ihre Richtung. "Du vergisst, dass ich da war, wo du jetzt bist. An dem Tag, als du zu Dante in das Auto gestiegen bist, wurden viele Entscheidungen für dich getroffen. Es waren dieselben Entscheidungen, die Nic für mich traf. Und ich stehe hier und sage dir, dass sie totalscheiße sind. Aber ich bin nicht Dante. Ich bin nicht Marcos. Ich bin nicht deine beschissenen Eltern. Und vor allem... bin ich nicht dein Feind."

      Ich trat zu ihr, umrahmte mit meinen Handflächen ihr Gesicht und senkte meine Stimme. "Keiner von uns will dieses beschissene Leben,