Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman


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Tat waren Cosima und Peter bei jenem Mann, von dem Cosima glaubte, dass er ein Fälscher war, eingebrochen, und es war ihr gelungen, einige sehr interessante Dateien von einem seiner Computer zu kopieren. In diesen Dateien befanden sich überaus kunstvoll hergestellte Bearbeitungen von Fotos und Fotomontagen. Es war allerdings nur eine Spur, mehr nicht, denn es hatten sich keinerlei Hinweise auf Sternberg gefunden. Cosima war fest entschlossen, ein weiteres Mal in der Werkstatt des Mannes einzubrechen, obwohl Peter und sie beim ersten Mal beinahe erwischt worden wären.

      »Ich finde auch, Sie sollten bleiben, Cosima«, schloss sich der Baron seiner Tochter an. »Vielleicht entdecken Sie hier noch etwas, das Ihnen einen Hinweis für Ihre weiteren Nachforschungen gibt.«

      »Ich will es gerne versuchen«, erwiderte sie und fragte dann zögernd: »Sie sind also fest entschlossen, weiterzumachen?«

      »Was könnten wir sonst tun?«, fragte der Baron. »Wir glauben nicht, dass diese Frau die Wahrheit sagt. Wenn wir sie der Lüge überführen wollen, müssen wir weiter nach Beweisen für unsere Meinung suchen, auch wenn es neue Nackenschläge gibt.«

      Cosimas Blick wanderte zu Christian. »Was meinst du, Chris?«, fragte sie.

      »Ich will auch, dass du bleibst, ich will dich ja noch durch den Ostflügel führen.« Er schluckte. »Ich gehe nicht mehr oft dahin, es fällt mir schwer, die Räume zu sehen, in denen ich mit meinen Eltern gelebt habe. Aber du findest dort vielleicht etwas, was dir hilft, noch eine Spur zu finden. Oder sogar einen Beweis dafür, dass mein Vater uns alle niemals zwanzig Jahre lang belogen hätte.«

      »Ich will es gerne versuchen, Chris«, erwiderte sie.

      »Du denkst immer noch, dass Frau Roeder vielleicht die Wahrheit sagt, oder?«, fragte der Junge.

      »Ich halte es nicht für ausgeschlossen«, erwiderte sie ruhig. »Und so muss es auch sein, denn sonst werde ich auf einem Auge blind, Chris. Ich arbeite als Ermittlerin, da muss ich alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Aber die Tatsache, dass Frau Roeder Kontakt zu diesem Bodo Kleinert hat, der offenbar auf Fotomontagen spezialisiert ist, spricht in meinen Augen eindeutig für deinen Vater. Nur ist es eben kein Beweis, allenfalls ein Indiz.«

      »Wenn die Medien Wind von den Fotos, dem Brief und den Gutachten bekommen, wird es noch schlimmer werden, als es jetzt schon ist«, murmelte Konrad.

      Sie wurden, seit Einzelheiten über Leopolds angebliche Affäre an die Öffentlichkeit gelangt waren, von Reportern förmlich belagert. Die Straße zum Schloss war bereits gesperrt worden, zumindest Autos konnten jetzt nicht mehr bis hierher gelangen, aber zu Fuß ließ sich die Anhöhe immer noch erklimmen. Deshalb sorgte jetzt ein privater Wachdienst dafür, dass sich niemand dem Schloss samt Park und unmittelbar umgebendem Gelände näherte. Am Rand des Waldes jedoch, in den der Park irgendwann überging, wurden immer wieder fremde Gestalten gesehen, die mit riesigen Teleobjektiven auf der Lauer lagen.

      Eberhard Hagedorn erschien an der Tür und räusperte sich dezent. Er war schon seit Jahrzehnten in Diensten des Hauses, Sternberg war ohne ihn schlechterdings nicht vorstellbar. Als Butler war er nach Ansicht aller Schlossbewohner und ihrer Gäste längst vollkommen. Schon oft war versucht worden, ihn abzuwerben, doch auch viel Geld hatte ihn nicht von Sternberg weglocken können. Er gehörte nicht nur zum Schloss, sondern auch zur Familie. Vor allem Anna und Christian teilten etliche Geheimnisse mit ihm, die sie bei ihm gut aufgehoben wussten. Eberhard Hagedorn war von Anfang an in ›die Affäre‹ eingeweiht gewesen, mittlerweile hatte die Familie aber auch die übrigen Angestellten informiert.

      »Frau Baronin, Herr Baron, bitte, entschuldigen Sie die Störung«, sagte er, »aber Frau Falkner lässt fragen, ob sich das Abendessen noch weiter verzögern wird.«

      Marie-Luise Falkner war eine noch junge Köchin, sehr talentiert, sehr ehrgeizig. Innerhalb kürzester Zeit war es ihr gelungen, der Sternberger Küche im ganzen Land einen erstklassigen Ruf zu verschaffen.

      »Nein, wir fangen sofort an!«, sagte die Baronin entschieden. »Meine Großmutter hat immer gesagt: ›Essen hält Leib und Seele zusammen.‹ Und genau das brauchen wir jetzt.«

      Niemand widersprach ihr, obwohl kaum jemand angesichts der unerfreulichen Neuigkeiten großen Hunger verspürte. Aber wie fast immer angesichts der Köstlichkeiten, die Marie-Luise Falkner auftischte, änderte sich das im Laufe der Mahlzeit.

      Der kleine Fürst freilich blieb still und in sich gekehrt, er war es auch, der am wenigsten aß und sich nach dem Essen als Erster entschuldigte. Er wollte allein sein, und alle anderen verstanden das.

      »Wieso wird er eigentlich ›der kleine Fürst‹ genannt?«, fragte Cosima später, als Peter und sie noch einen abendlichen Gang durch den Schlosspark machten.

      »Leo, sein Vater, war ein sehr großer, stattlicher Mann, und er war unglaublich stolz, als Lisa und er endlich einen Sohn bekommen hatten. Er hat Christian dann immer mitgenommen, wenn er reisen musste, Christian war damals winzig, zwei oder drei Jahre alt muss er gewesen sein. Irgendwann haben die Leute angefangen, die beiden ›der große und der kleine Fürst‹ zu nennen.«

      »Ach so. Ich habe mich schon gefragt, denn er ist ja noch gar kein Fürst, nicht?«

      »Nein, das wird er erst mit dem Erreichen der Volljährigkeit. Bis dahin trägt er den Titel eines Prinzen.«

      »Armer Junge«, sagte Cosima. »Ich hoffe, er wird nicht enttäuscht bei dieser unerfreulichen Angelegenheit.«

      »Du denkst wirklich immer noch, Leo könnte diese Affäre tatsächlich gehabt haben? Du hast ihn eben nicht gekannt.«

      »Nein, aber das macht mich vielleicht objektiver, als ihr es seid. Ihr mochtet ihn, das verstellt einem manchmal den Blick.«

      »Und was ist mit der Verbindung zwischen Corinna Roeder und Bodo Kleinert? Was hat sie bei ihm gewollt?«

      »Ich habe es doch vorhin schon gesagt: Es spricht in meinen Augen mittlerweile einiges für den Fürsten, aber ich brauche Beweise, Peter. Auf Wahrscheinlichkeiten kann ich mich nicht verlassen, die zählen nicht.« Sie hängte sich bei ihm ein. »Du bist mit den Sternbergern befreundet, also befangen. Ich verstehe, dass du ihnen helfen willst …«

      Er unterbrach sie. »Das allein ist es nicht, Cosima. Ich kannte Leo gut. Er hätte so etwas nicht getan.«

      »Seine Frau betrügen?«

      Peter zögerte. »Nehmen wir mal an, er hätte sie betrogen. Ich glaube nicht daran, aber nehmen wir es an. Es ist also passiert, und dann kommt noch ein Kind. In dem Fall wäre Leo damit anders umgegangen. Erstens hätte er keine jahrelange Affäre gehabt, zweitens hätte er seine Frau und seine Familie nicht jahrelang belogen. Er war ein Mensch, der so etwas einfach nicht tat. Ich will gar nicht sagen, dass er nicht zu einem Seitensprung fähig war, denn das ist vermutlich jeder Mann. Aber er wäre anders damit umgegangen. Verstehst du?«

      »Ja, und ich glaube dir sogar, dass du seinen Charakter richtig einschätzen kannst. Noch ein Indiz, Peter, aber kein Beweis.«

      Er seufzte. »Du hast einen schrecklichen Beruf.«

      Sie lachte leise. »Ich bin eigentlich Computerspezialistin, wie du weißt. Das ist mein Hauptberuf.«

      »Jetzt, nach diesen Gutachten, willst du natürlich erst recht noch einmal bei diesem Bodo Kleinert einbrechen, oder?«

      Sie lächelte ihn von unten herauf an. »Du kennst mich schon ziemlich gut«, stellte sie fest. »Ich werde morgen mal mit den Anwälten reden, die wollen ja, dass ich noch abwarte, weil die Sache gerade so hochkocht und wir uns natürlich keinen Fehler erlauben dürfen. Aber jetzt, unter den gegebenen Umständen, kann ich sie vielleicht überzeugen, dass wir uns besser beeilen, bevor die Sache völlig aus dem Ruder läuft.«

      »Was meinst du damit?«, fragte er erschrocken.

      »Für mich sieht es so aus, als würde die Gegenseite ganz allmählich den Druck verschärfen. Soll ich dir sagen, was meiner Meinung nach als Nächstes passiert?«

      »Was?«

      »Frau Roeder wird sich interviewen lassen.«