deren blaue Augen, die schmale, gerade Nase und die schlanke Figur. Ihr Vater Ludwig seufzte manchmal, wenn er sie ansah und sagte dann, freilich mit vergnügtem Augenzwinkern: »Ob ihr wohl wirklich meine Kinder seid? Ihr seht mir so gar nicht ähnlich!«
Ludwig von Severn war nämlich schon als Kind eher rundlich gewesen, auch sein Gesicht war rund. Zudem war er ein eher dunkler Typ, mit fast schwarzen Haaren und Augen und einer Haut, die auch im Winter niemals ganz blass wurde.
»Bist du mit deiner Arbeit zufrieden?«, fragte Carl, als er die Koffer verladen hatte.
»Ja, sehr, aber jetzt sitzt mir der Verlag im Nacken, die möchten das Buch gerne früher herausbringen«, seufzte Franziska. »Das ist natürlich einerseits sehr schön, andererseits hätte ich gern genügend Zeit, um das Material in Ruhe zu sichten. Jetzt sieht es so aus, als würde ich mich ziemlich ranhalten müssen.«
»Ach, du schaffst das schon«, meinte Carl sorglos. »Du schaffst doch immer alles.«
»Findest du? So sehe ich das aber überhaupt nicht.« Die Zeitung mit der Schlagzeile fiel ihr wieder ein. »Sag mal, was ist das für eine Geschichte mit Fürst Leo?«
Der vergnügte Ausdruck verschwand von Carls Gesicht. »Zuerst haben wir nur gelacht, weil die Sache sich so absurd angehört hat, aber mittlerweile wächst sie sich zu einem richtigen Skandal aus. Eine Frau behauptet, einen siebzehnjährigen Sohn von Leo zu haben.«
»Ja, das habe ich schon gehört, aber das ist doch Unsinn!«, rief Franziska. »Ausgerechnet Leo, der niemals eine andere Frau angesehen hat als seine eigene.«
»Das sagen die Leute, die ihn kannten. Die anderen sagen: Typisch, da hat sich wieder einmal ein mächtiger Mann genommen, was ihm seiner Ansicht nach zustand.«
»Aber doch nicht Leo, Carl!«, protestierte Franziska erneut.
»Es gibt angeblich Beweise, Franzi, Fotos, die Leo mit dieser Frau zeigen. Man munkelt jetzt sogar, dass es Briefe gibt, die er ihr geschrieben und die sie natürlich aufbewahrt hat.«
»Wer sagt das? Sind die Fotos und Briefe veröffentlicht worden?«
»Noch nicht, aber du weißt doch, wie das läuft: Zuerst wird nur gemunkelt, weil es immer Leute gibt, die Informationen haben, und dann tauchen die Beweise irgendwann tatsächlich auf.«
»Beweise kann man fälschen«, sagte Franziska.
»Ja, natürlich. Mich musst du nicht überzeugen. Trotz allem, was jetzt geredet wird, bin ich auch immer noch nicht von Leos Schuld überzeugt. Ich sage dir nur, dass es mittlerweile eine Menge Leute gibt, die von ihm abrücken.«
»Wer ist denn diese Frau?«, fragte Franziska mit gerunzelter Stirn.
»Corinna Roeder heißt sie, sie arbeitet in einem Hotel, und sie will angeblich nur Geld, damit sie ihrem Sohn eine gute Ausbildung finanzieren kann. Es heißt, dass der Junge sehr begabt ist und dass der Fürst ihn zu seinen Lebzeiten immer unterstützt hat.«
»Und der Junge …«
»… ist irgendwo als Austauschschüler, offenbar hat er nicht gewusst, wer sein Vater ist.«
»Wer sein Vater sein soll«, verbesserte Franziska. »Besonders für Christian muss das die Hölle sein. Zuerst verliert er seine Eltern, und nun verliert sein Vater den guten Ruf.«
»Mama hat die Sternberger neulich angerufen und lange mit Sofia gesprochen. Es sind schwere Zeiten für die ganze Familie, soviel steht fest.«
»Und was tun sie? Gehen sie gegen diese Behauptungen vor?«
»Sie haben ihre Anwälte eingeschaltet, natürlich, und die arbeiten offenbar mit Leuten zusammen, die nach Beweisen dafür suchen, dass die Behauptungen haltlos sind.«
»Sie müssen Leo exhumieren«, sagte Franziska nach kurzem Nachdenken. »Ein Gentest, und alle Fragen sind geklärt.«
»Das ist vielleicht nicht ganz so einfach in diesem Fall.«
»Was willst du damit sagen?«
»Der Hubschrauber hat nach seinem Absturz gebrannt, das weißt du doch.«
»Du meinst, es gibt vielleicht nicht mehr genügend … Material für einen Gentest?«
»Das ist zumindest vorstellbar. Und das wird Corinna Roeder auch wissen. Außerdem würde eine Exhumierung für sehr viel Wirbel sorgen. Niemand kann daran ein Interesse haben.«
»Aber wenn sich die Sache anders nicht klären lässt …«
»Das ist ja noch nicht raus. Vielleicht finden sie einen Beweis.«
Franziska erwiderte nichts. Sie hatte die Schlagzeile zunächst nicht ernst genommen, nun jedoch erkannte sie, dass ›die Affäre‹ für die Fürstenfamilie eine ernste Gefahr darstellte. Sie beschloss, ohne lange darüber nachzudenken, gleich am nächsten Tag für einen kurzen Besuch nach Sternberg zu fahren.
In einer Situation wie dieser musste man zu seinen Freunden stehen.
*
»Jeden Tag etwas Neues«, sagte Dr. Hagen von Boldt müde und schob seiner Kollegin Barbara von Kreyenfelss eine Zeitung über den Tisch.
Er hatte sie einige Jahre zuvor in seine Kanzlei geholt, um sein Arbeitsumfeld zu verjüngen. Er selbst war vor Kurzem sechzig Jahre alt geworden, Barbara war Mitte Dreißig. Viele Kollegen hatten ihn gewarnt und ihm vorhergesagt, der Generationenkonflikt sei praktisch vorprogrammiert, doch sie hatten sich geirrt. Barbara und er verstanden sich ausgezeichnet. Ihr manchmal impulsives Temperament wurde durch seine Ruhe gemildert, anders herum brachte sie frische und originelle Ideen ein, wo er vielleicht in eingefahrenen Bahnen geblieben wäre. Außerdem machte ihm die Arbeit wieder deutlich mehr Spaß, seit sie zum Team gehörte.
»Jetzt haben sie mehrere Kolleginnen und Kollegen von Corinna Roeder interviewt«, fuhr er fort. »Und rate mal, was die gesagt haben.«
»Dass Frau Roeder eine tolle Frau ist, die ihren unehelichen Sohn tapfer allein aufgezogen hat und die niemals lügen würde?«, vermutete Barbara.
»Ziemlich gut getroffen«, erwiderte er. »Der Boulevard macht richtig Stimmung für die Frau, und die Sympathie für Fürst Leopold schwindet mit jedem Tag. Zumindest ist das mein Eindruck.«
»Meiner auch.«
»Hier, hör dir das mal an: Eine bessere Kollegin kann man sich nicht wünschen. Corinna hat nie schlechte Laune, und man kann auch mal zu ihr gehen und ihr sein Herz ausschütten. Außerdem bewundere ich sie dafür, wie sie das all die Jahre allein mit ihrem Sohn hingekriegt hat. Er ist ein toller Junge geworden, und das ist zu einem großen Teil ihr Verdienst. Fehlt nur noch die Heiligsprechung.«
»Vielleicht sollten wir unsere Strategie angesichts der jetzigen Situation noch einmal überdenken«, sagte Barbara. »Diese große Zurückhaltung der Sternberger den Medien gegenüber beginnt sich gegen sie zu wenden. Das ist nicht in unserem Sinne.«
»Der Baron sollte ein Interview geben, meinst du?«
»Oder seine Frau – oder der kleine Fürst. Vielleicht ist die Idee ja auch nicht gut, aber wir sollten zumindest darüber nachdenken. Ein Interview mit einem seriösen Journalisten. Man muss doch diesen Geschichten etwas entgegensetzen, meinst du nicht?«
»Ich weiß es nicht, Barbara. Dieser Fall macht mich ratlos, muss ich sagen.«
»Was würdest du tun, wenn sich herausstellte, dass Frau Roeder die Wahrheit sagt?«
»Was ich tun würde? Keine Ahnung. Ich weiß aber, was ich denken würde: Dass meine Menschenkenntnis doch nicht so gut ist, wie ich mir eingebildet habe. Und ich würde Prinz Christian bedauern, ihn vor allem. Für ihn würde eine Welt zusammenbrechen.«
Barbara nickte nur, ohne etwas zu erwidern. Nach einer Weile fragte sie: »Hast du etwas von Cosima gehört? Ist sie noch auf Sternberg?«
»Ja, aber sie kommt morgen zurück. Ich habe gestern Abend mit ihr gesprochen. Die Sache mit den beiden